Zeitschrift für Humor und Kunst 59
Der Gasziihler
Gasanstalt hingesetzt, und man hat Miete ftir ihn
zu zahlen. Es gibt Leute, die diese Anrechnung von
Miete sehr ärgert. Sie sagen gewöhnlich: „Was geht
mich der Gaszähler an? Ich kaufe Gas, — es richtig
abzumefsen, ist die Sache der Gasanstalt. Wenn ich
beim Kausmann z. B. Tuch kaufe, dann zahle ich
ihm doch auch nur das Tuch, aber nicht noch etwas
für sein Metermaß." — Dieser Vergleich hört stch
zwar sehr schön an, aber er stimmt, wie viele schöne
Vergleiche — gar nicht. Die Leute, die so sprechen,
haben unrecht. Sie zahlen dem Kaufmann schon etwas
für sein Metermaß; meistens hat er in seinen Preis
nicht nur eins, sondern mehrere Metermaße hinein-
kalkuliert. Dafür ist er ja Kaufmann.
Der Gaszähler in der neuen Wohnung sah genau
so aus wie der in der alten, wie ein Zwilling von
diesem. Es ist aber anzunehmen, daß er nicht ein
Zwilling, sondern eher ein Lundertling oder gar
Tausendling war. Er hatte auch genau so viel zu
bedienen wie der andere: die gleiche Anzahl Beleuch-
tungsflammen, den gleichen Gasherd und dann noch
einen Badeofen, einen Schnellsieder.
Der Badeofen sah etwas anders aus als der
in der alten Wohnung, der „ilison xlus ultrn" hieß.
Sein Name war: Optimus. Beide Namen wollen
ja schließlich das gleiche sagen, mein neuer Lauswirt
aber behauptete, „Optimus" wäre viel besser als
„Fon xlu8 ultra". Gar nicht zu vergleichen wären
die beiden. „Optimus ist der allein wahre Badeofen,"
sagte er. Ich begriff zwar nicht recht, wie ein Bade-
ofen wahr sein kann, aber was mein Lauswirt sagen
wollte, war mir natürlich klar.
Zu meiner großen Freude schien er auch recht
zu haben. Die Besen des Zauberlehrlings, die dem
unvorsichtigen jungen Manne das Wasser zum Bade
trugen, konnten kaum besser arbeiten als Optimus.
Er gab schön heißes Wasser und in einem ordent-
lichen Strahl, nicht in so einem dünnen, wie ihn die
Schnellsieder sonst liefern, wenn man eine besonders
hohe Temperatur verlangt. Jch war also überzeugt,
Optimus wirklich der beste Badeofen wäre. Zum Aeberfluß
stand das auch noch auf einem Plakat zu lesen, das neben
dem Badeofen angebracht war und das Nötige über die
Landhabung des Optimus angab. Darauf hieß es auch:
Optimus hat den billigsten Gasverbrauch. — Dieser Satz
war mir angenehm zu lesen, wenn er auch stilistisch übel
geraten war, denn ein Gasverbrauch an sich kann weder
teuer noch billig sein. Aber was kümmerte mich das?
Der Fabrikant des Optimus konnte gute Badeöfen bauen;
das war viel wichtiger, als daß er gut keutsch konnte.
Etwas über einen Monat hatte ich in meiner neuen
Wohnung gewohnt, da kam die erste Gasrechnung. Wäre
meine Börse ein Nechtsindividuum, dann hätte sie den Zu-
stand der Notwehr geltend gemacht. Ia, zum Donner,
das war ja furchtbar! Eine Iulirechnung war das, und
genau so hoch war sie, wie eine Dezemberrechnung in der
alten Wohnung. Natürlich, — ich hatte versäumt, beim
Einzug in die Wohnung den Stand des Gaszählers fest-
zustellen. Vorher hatte die Wohnung eine Zeitlang leer
gestanden. Vielleicht hatten da die Lausineistersleute das
Badezimmer benutzt und ihre kleinen Kinder gebadet oder
am Ende sogar sich selber. In leer stehenden Wohnungen
tun ja die Lausmeistersleute überhaupt allerlei, denn diese
Anhängsel und Wurmfortsätze der menschlichen Gesellschast
Die iirsache — „Wir würden gar nicht auss Land ge-
gangen sein, tun's aber der Kinder wegen.
Aber Sie, Lerr Federl, weshalb sind Sie denn hier?" — „Auch
der Kinder wegen. In meinem Lause gibt's nämlich zwanzig!"
betrachten bekanntlich die Läuser als vornehmlich für sie
gebaut. — Loffentlich lesen dies aber keine Lausmeister;
ich hätte sonst ihre furchtbare Rache zu fürchten.
Ich bezahlte also die Iulirechnung und tröstete mich:
Das nächste Mal wird's besser sein! — Schmählich hatte
ich mich getäuscht: es wurde noch schlimmer. Solch eine
Gasrechnung wie die vom August hatte ich überhaupt noch
nie gehabt. Das konnte nicht stimmen. Es war weniger
gekocht worden als sonst, denn im Sommer ißt man doch
mehr kalt, und das Grogwasser, das man im Winter braucht,
fällt ganz fort. Licht war sehr wenig gebrannt worden,
und der Badeofen, nun: Optimus hatte doch den billigsten
Gasverbrauch. Der Gaszähler mußte an der ungeheuren
Rechnung schuld sein. Er zeigte falsch, er war ungetreu,
— eine Antersuchung mußte gegen ihn eingeleitet werden.
Ich schrieb an die Gasanstalt und ersuchte um Prüfung
des Gaszählers. Darauf kamen zwei Männer und holten
den Apparat ab. Sie fluchten beträchtlich, als sie das
schwere Ding die Treppe hinunter trugen. „Verdammte
unnütze Schererei!" war das letzte, was ich hörte. Die
Männer hatten gut fluchen; fie hatten wahrscheinlich keine
Gasrechnungen zu bezahlen. Sie bekamen ihr Gas wahr-
scheinlich gratis, wie die Bierbrauer ihr Bier.
Der Gaszähler blieb länger fort, als ich gedacht hatte.
Das verursachle natürlich mancherlei Entbehrungen, aber
daß
Der Gasziihler
Gasanstalt hingesetzt, und man hat Miete ftir ihn
zu zahlen. Es gibt Leute, die diese Anrechnung von
Miete sehr ärgert. Sie sagen gewöhnlich: „Was geht
mich der Gaszähler an? Ich kaufe Gas, — es richtig
abzumefsen, ist die Sache der Gasanstalt. Wenn ich
beim Kausmann z. B. Tuch kaufe, dann zahle ich
ihm doch auch nur das Tuch, aber nicht noch etwas
für sein Metermaß." — Dieser Vergleich hört stch
zwar sehr schön an, aber er stimmt, wie viele schöne
Vergleiche — gar nicht. Die Leute, die so sprechen,
haben unrecht. Sie zahlen dem Kaufmann schon etwas
für sein Metermaß; meistens hat er in seinen Preis
nicht nur eins, sondern mehrere Metermaße hinein-
kalkuliert. Dafür ist er ja Kaufmann.
Der Gaszähler in der neuen Wohnung sah genau
so aus wie der in der alten, wie ein Zwilling von
diesem. Es ist aber anzunehmen, daß er nicht ein
Zwilling, sondern eher ein Lundertling oder gar
Tausendling war. Er hatte auch genau so viel zu
bedienen wie der andere: die gleiche Anzahl Beleuch-
tungsflammen, den gleichen Gasherd und dann noch
einen Badeofen, einen Schnellsieder.
Der Badeofen sah etwas anders aus als der
in der alten Wohnung, der „ilison xlus ultrn" hieß.
Sein Name war: Optimus. Beide Namen wollen
ja schließlich das gleiche sagen, mein neuer Lauswirt
aber behauptete, „Optimus" wäre viel besser als
„Fon xlu8 ultra". Gar nicht zu vergleichen wären
die beiden. „Optimus ist der allein wahre Badeofen,"
sagte er. Ich begriff zwar nicht recht, wie ein Bade-
ofen wahr sein kann, aber was mein Lauswirt sagen
wollte, war mir natürlich klar.
Zu meiner großen Freude schien er auch recht
zu haben. Die Besen des Zauberlehrlings, die dem
unvorsichtigen jungen Manne das Wasser zum Bade
trugen, konnten kaum besser arbeiten als Optimus.
Er gab schön heißes Wasser und in einem ordent-
lichen Strahl, nicht in so einem dünnen, wie ihn die
Schnellsieder sonst liefern, wenn man eine besonders
hohe Temperatur verlangt. Jch war also überzeugt,
Optimus wirklich der beste Badeofen wäre. Zum Aeberfluß
stand das auch noch auf einem Plakat zu lesen, das neben
dem Badeofen angebracht war und das Nötige über die
Landhabung des Optimus angab. Darauf hieß es auch:
Optimus hat den billigsten Gasverbrauch. — Dieser Satz
war mir angenehm zu lesen, wenn er auch stilistisch übel
geraten war, denn ein Gasverbrauch an sich kann weder
teuer noch billig sein. Aber was kümmerte mich das?
Der Fabrikant des Optimus konnte gute Badeöfen bauen;
das war viel wichtiger, als daß er gut keutsch konnte.
Etwas über einen Monat hatte ich in meiner neuen
Wohnung gewohnt, da kam die erste Gasrechnung. Wäre
meine Börse ein Nechtsindividuum, dann hätte sie den Zu-
stand der Notwehr geltend gemacht. Ia, zum Donner,
das war ja furchtbar! Eine Iulirechnung war das, und
genau so hoch war sie, wie eine Dezemberrechnung in der
alten Wohnung. Natürlich, — ich hatte versäumt, beim
Einzug in die Wohnung den Stand des Gaszählers fest-
zustellen. Vorher hatte die Wohnung eine Zeitlang leer
gestanden. Vielleicht hatten da die Lausineistersleute das
Badezimmer benutzt und ihre kleinen Kinder gebadet oder
am Ende sogar sich selber. In leer stehenden Wohnungen
tun ja die Lausmeistersleute überhaupt allerlei, denn diese
Anhängsel und Wurmfortsätze der menschlichen Gesellschast
Die iirsache — „Wir würden gar nicht auss Land ge-
gangen sein, tun's aber der Kinder wegen.
Aber Sie, Lerr Federl, weshalb sind Sie denn hier?" — „Auch
der Kinder wegen. In meinem Lause gibt's nämlich zwanzig!"
betrachten bekanntlich die Läuser als vornehmlich für sie
gebaut. — Loffentlich lesen dies aber keine Lausmeister;
ich hätte sonst ihre furchtbare Rache zu fürchten.
Ich bezahlte also die Iulirechnung und tröstete mich:
Das nächste Mal wird's besser sein! — Schmählich hatte
ich mich getäuscht: es wurde noch schlimmer. Solch eine
Gasrechnung wie die vom August hatte ich überhaupt noch
nie gehabt. Das konnte nicht stimmen. Es war weniger
gekocht worden als sonst, denn im Sommer ißt man doch
mehr kalt, und das Grogwasser, das man im Winter braucht,
fällt ganz fort. Licht war sehr wenig gebrannt worden,
und der Badeofen, nun: Optimus hatte doch den billigsten
Gasverbrauch. Der Gaszähler mußte an der ungeheuren
Rechnung schuld sein. Er zeigte falsch, er war ungetreu,
— eine Antersuchung mußte gegen ihn eingeleitet werden.
Ich schrieb an die Gasanstalt und ersuchte um Prüfung
des Gaszählers. Darauf kamen zwei Männer und holten
den Apparat ab. Sie fluchten beträchtlich, als sie das
schwere Ding die Treppe hinunter trugen. „Verdammte
unnütze Schererei!" war das letzte, was ich hörte. Die
Männer hatten gut fluchen; fie hatten wahrscheinlich keine
Gasrechnungen zu bezahlen. Sie bekamen ihr Gas wahr-
scheinlich gratis, wie die Bierbrauer ihr Bier.
Der Gaszähler blieb länger fort, als ich gedacht hatte.
Das verursachle natürlich mancherlei Entbehrungen, aber
daß