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Meggendorfer-Blätter, München

Vorsichtig — „Ich hab' heut so eine Ahnung, wie wenn

mich die Arbeit gar net freu'n tät. Ietzt wart'
ich auf jeden Fall mit dem Anfangen, ob fich meine Ahnung bestätigt."

Der Zank um den Schrank

Eine Dultgeschichte
von Renakus

Bekanntlich gibt es immer noch Leute, die da glauben,
man könne auf der Münchner Dult die kostbarsten Alter-
tümer für unwahrscheinlich billiges Geld erwerben. — Für
den „Ausländer" abcr, der nicht Vescheid weiß, sei hinzu-
gesetzt, daß die „Dult" jener merkwürdige Tandelinarkt
draußen in der Au ist, zu dem sich dreimal im Iahre, im
Mai, zu Iakobi und im Oktober, die Schätze der Münchner
Tandlereien, kreuzlahme Stühle und gesprungene Bauern-
tassen und abgegriffene Rahmen, die schon längst ihr Bild
verloren haben, einsinden, um mit den Iahrmarktsartikeln,
die zu einem rechten Budenmarkt gehören, mit Äosenträgern
und Schuhbändern und rotgebrannten Mandeln und türki
schem Lonig ein seltsames Rendezvous zu feiern. Früher soll

es wohl einmal eine Zeit gegeben haben, da man
hier eine schöne, alte, schwere Truhe, von einem
Landwerker der soliden Zeit für Generatio-
nen gearbeitet, für ein paar billige Mark er-
ftehen konnte und der Ländler noch froh war,
daß er „den altmodischen Kram" weiterbrachte.
Gar nicht zu gedenken der vielen Geschichten
von den Glllcksvögeln, von denen der eine für
ein Markl einen Doreband und der andere
sür ein Jehnerl einen Erstdruck der „Räuber"
oder dergleichen erhandelt haben will. Diese
Zeiten find jetzt längst vorbei. Ietzt kann ein
Tisch gar nicht Wurmlöcher und ein Glas gar
nicht Sprünge genug haben, um dultfähig zu
sein. Die Tandler haben Karriere gemacht,
jeder von ihnen ist ein kenntnisreicher Anti-
quar geworden, jeder weiß genau, daß er eine
Porzellantasse zunächst umdrehen und nach-
schauen muß, ob nicht am Boden irgend ein
belangloser Kratzer aufzufinden ist, den er als
das Zeichen einer hochsürstlichen Manufaktur
ausgeben kann. !lnd wenn man sich heraus-
nimmt, die geforderten, reichlich hohen Lieb-
haberpreise anzuzweiseln, so trisst einen das
vernichtende Zauberwort: „Das ist aber ganz
was Altes," mit einer Würde gesprochen, daß
man als vollkommen verständnislos erledigt
ist. Trotzdem es so ist, finden sich doch auf
jeder Dult Leute zu Lauf, die nach Wundern
graben, und je seltener die wirklich preiswer-
ten Stücke werden, desto zahlreicher werden
die, die danach suchen. Die Dult dauert eine
Woche und beginnt, wie eine richtige Woche,
mit dem Sonntag. Aber die Eifrigen sind
schon am Samstag draußen und machen ihre
Käuse, obgleich da eigentlich noch gar kein
Verkauf sein soll; und den ganz Eifrigen ist
auch der Samstag noch nicht früh genug, sie
kommen schon am Freitag oder Donnerstag,
und ehe noch ein Tandler seine Kisten auf-
macht, halten sie schon ihre Nasen parat, um
sie geschwind hineinzustecken, sobald der Deckel
ein wenig sich hebt.

Anter diesen Eisrigen und Neugierigen
schlenderte am Vortage der letzten Dult auch
ich zwischen den halbfertigen Budenreihen her-
um. Nicht um etwas zu kaufen oder zu suchen.
Ich bin kuriert. Ich besinn' mich noch, wie
mitleidig mich jener Tandler betrachtete, an
dessen Stande ich eine Mappe mit reichlich
gleichgültigen Bildern, aus modernen Illustrationswerken
herausgeschnitten, durchsuchte und den ich dann fragte, ob
er nicht auch ältere Blätter dabei habe. — „Wann ich ein
altes Blatt bekomme, trag ich's in die Briennerstraße zum
Antiquar, da hab' ich mein festes Geld. Werd' ich's auf
die Dult heraus tragen, daß es von den vielen Fingern
ganz drecket werd." Das letztere bezog sich doch irgendwie
auch mit auf mich, da war »ichts zu machen. Ich gestehe
es, meine Finger waren von dem vielen Suchen längst nicht
mehr sauber. Seither suche ich nicht mehr auf der Dult.

Warum ich denn dann hinausgegangen sei? Weil die
ganze Versammlung mir Spaß macht; weil es so lustig ist,
wenn neben einem alten gebrechlichen Bauernschrank mit
ein paar Äerzen darauf die köstlichste Erfindung der mo-
dernen Möbelarchitekten, die „Gangtoilette" sich spreizt, oder
 
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