168 b
Mcggendorfer-Blätter, München
Der Wahnsinnige
Von Peter Robinson
Weihnachten war wieder
einmal mit unangenehm über-
raschender Flinkheit nahe ge-
kommen. Astronomen werden
das Ansinn nennen und erklären,
daß hier weder von Flinkheit
noch von Langsamkeit die Rede
sein könne, da es stch dabei
doch um die ständig sich gleich
bleibende Rotation eines Pla-
neten um sein Zentralgestirn
handle, die zudem seit so langen
Zeiten sich vollziehe, daß vol-
lends von einer Aeberraschung
schon gar nichtgesprochen werden
dürfe. Leuke aber, die wie ich
drei, wenn auch noch kleine
Töchter zu beschenken haben,
werden mir recht geben, und
solche Leute haben in diesem
Fall ein befferes Arteil als alle
Astronomen.
Also: eine Woche fehlte
noch zum heiligen Abend, und
eine Menge von Dingen war
schon insLaus gebracht worden,
da gmgen meine Frau und ich
aus, nun auch das einzukaufen,
was diesmal unter den Gaben
die Lauptsache sein sollte, das
solide Fundamenl der kindlichen
Weihnachtsfreuden. Puppen-
wagen sollten das sein, sehr
schöne Puppenwagen, und zwar drei Stück, für jedes Mäd-
chen einen, damit jeder Grund zu Neid und späteren
Streitigkeiten vermieden würde. Diese Absicht konnte also
als das Gegenteil von diplomatisch bezeichnet werden, —
denn das diplomatische Tun läuft ja, wie die Erfahrung
leider gelehrt hat, gerade darauf hinaus, Neid und die
Keime zu Zänkereien zu schaffen.
Der Kauf der drei Puppen-
wagen vollzog sich genau so,
wie das bei solchen Besorgungen
immer zugeht. Im ersten Ge-
schäft, das wir aufsuchten,
fanden wir die Puppenwagen,
die uns von der Verkäuferin
in einer Art vorgeführt wurden,
als hätte sie am liebsten selbst
damit gespielt, zwar ganz an-
nehmbar; sie entsprachen freilich
nicht dem Ideal, mit dem wir
uns auf den Weg gemacht
hatten, aber sie waren immer-
hin recht hübsch, nur viel zu
hoch im Preise. Es wäre ein-
fach lächerlich gewesen, so viel
Geld für drei Puppenwagen
auszugeben; ja, mehr als das
— es wäre blödsinnig, schafs-
dämlich, Prügel wert gewesen.
Im zweiten Geschäft waren
die Puppenwagen zu unsolide
gearbeitet, aber nicht viel billiger,
im dritten waren sie zu solide,
insofern als die Klappverdecke
daran fiir die Landhabung durch
Kinderhände zu schwerfällig
waren. Im vierten Laden
waren sie gar zu häßlich lackiert;
im fünften sahen sie zu schäbig
aus; im sechsten hatten die
Näder keine Kugellager und
rumpelten zu sehr, was zwar
nicht die Benutzung der Wagen beeinträchtigt hätte, wohl
aber die Gesundheit derer, die den Spektakel hätten an-
hören müssen. Etwas mürbe von dicser Beüchtigungsreise
kehrten wir schließlich zu ihrer ersten Station zurück,
ließen uns im Laden Nummer eins noch einmal von der
spielerischen Verkäuferin die Wagen vorzeigen, fanden ste
nun prächtiger, als wir sie noch im Gedächtnis gehabt
hatten, und taten dann, was, wenn wir es gleich zu An-
fang getan hätten, uns viel Mühe und Zeit erspart hätte, —
nämlich wir kauften sie. Den Preis, der erst zu hoch
erschienen war, bezahlte ich nun mit einer gewissen Be-
friedigung, das schwierige Anternehmen endlich hinter mir
zu haben.
Wer Puppenwagen verkauft, muß sie dem Käufer
natürlich ins Laus schicken; daß man sie gleich mitnimmt,
kann nicht erwartet werden. „Zwei bis drei Tage wird
es aber wohl dauern," sagte die Verkäuferin; „wir haben
jetzt vor Weihnachten so surchtbar viel zu schicken. Aber
es ist ja noch lange hin bis zum Fest." Damit hatte sie
Necht, und der Grund, den sie für die Verzögerung anqab,
entsprach auch sicher der Wahrheit, wenn es auch den Ein-
druck machte, daß sie die Wagen gern noch ein bißchen da
behielt, um selbst damit zu spielen. Das aber hätte ihr
Prinzipal natürlich nicht erlaubt. So war also alles in
bester Ordnung, und wir konnten nach Lause gehn und zu
unsern Kindern sagen, was man immer in solchem Fall sagt,
nämlich: „Leute haben wir aber mal etwas ganz Wunder-
schönes für Weihnachten gesehen, und wenn ihr recht artig
seid, dann ist es nicht ganz ausgeschlofsen, daß wir es am
Ende kaufen."--
Der Weise und der Pfau
Mcggendorfer-Blätter, München
Der Wahnsinnige
Von Peter Robinson
Weihnachten war wieder
einmal mit unangenehm über-
raschender Flinkheit nahe ge-
kommen. Astronomen werden
das Ansinn nennen und erklären,
daß hier weder von Flinkheit
noch von Langsamkeit die Rede
sein könne, da es stch dabei
doch um die ständig sich gleich
bleibende Rotation eines Pla-
neten um sein Zentralgestirn
handle, die zudem seit so langen
Zeiten sich vollziehe, daß vol-
lends von einer Aeberraschung
schon gar nichtgesprochen werden
dürfe. Leuke aber, die wie ich
drei, wenn auch noch kleine
Töchter zu beschenken haben,
werden mir recht geben, und
solche Leute haben in diesem
Fall ein befferes Arteil als alle
Astronomen.
Also: eine Woche fehlte
noch zum heiligen Abend, und
eine Menge von Dingen war
schon insLaus gebracht worden,
da gmgen meine Frau und ich
aus, nun auch das einzukaufen,
was diesmal unter den Gaben
die Lauptsache sein sollte, das
solide Fundamenl der kindlichen
Weihnachtsfreuden. Puppen-
wagen sollten das sein, sehr
schöne Puppenwagen, und zwar drei Stück, für jedes Mäd-
chen einen, damit jeder Grund zu Neid und späteren
Streitigkeiten vermieden würde. Diese Absicht konnte also
als das Gegenteil von diplomatisch bezeichnet werden, —
denn das diplomatische Tun läuft ja, wie die Erfahrung
leider gelehrt hat, gerade darauf hinaus, Neid und die
Keime zu Zänkereien zu schaffen.
Der Kauf der drei Puppen-
wagen vollzog sich genau so,
wie das bei solchen Besorgungen
immer zugeht. Im ersten Ge-
schäft, das wir aufsuchten,
fanden wir die Puppenwagen,
die uns von der Verkäuferin
in einer Art vorgeführt wurden,
als hätte sie am liebsten selbst
damit gespielt, zwar ganz an-
nehmbar; sie entsprachen freilich
nicht dem Ideal, mit dem wir
uns auf den Weg gemacht
hatten, aber sie waren immer-
hin recht hübsch, nur viel zu
hoch im Preise. Es wäre ein-
fach lächerlich gewesen, so viel
Geld für drei Puppenwagen
auszugeben; ja, mehr als das
— es wäre blödsinnig, schafs-
dämlich, Prügel wert gewesen.
Im zweiten Geschäft waren
die Puppenwagen zu unsolide
gearbeitet, aber nicht viel billiger,
im dritten waren sie zu solide,
insofern als die Klappverdecke
daran fiir die Landhabung durch
Kinderhände zu schwerfällig
waren. Im vierten Laden
waren sie gar zu häßlich lackiert;
im fünften sahen sie zu schäbig
aus; im sechsten hatten die
Näder keine Kugellager und
rumpelten zu sehr, was zwar
nicht die Benutzung der Wagen beeinträchtigt hätte, wohl
aber die Gesundheit derer, die den Spektakel hätten an-
hören müssen. Etwas mürbe von dicser Beüchtigungsreise
kehrten wir schließlich zu ihrer ersten Station zurück,
ließen uns im Laden Nummer eins noch einmal von der
spielerischen Verkäuferin die Wagen vorzeigen, fanden ste
nun prächtiger, als wir sie noch im Gedächtnis gehabt
hatten, und taten dann, was, wenn wir es gleich zu An-
fang getan hätten, uns viel Mühe und Zeit erspart hätte, —
nämlich wir kauften sie. Den Preis, der erst zu hoch
erschienen war, bezahlte ich nun mit einer gewissen Be-
friedigung, das schwierige Anternehmen endlich hinter mir
zu haben.
Wer Puppenwagen verkauft, muß sie dem Käufer
natürlich ins Laus schicken; daß man sie gleich mitnimmt,
kann nicht erwartet werden. „Zwei bis drei Tage wird
es aber wohl dauern," sagte die Verkäuferin; „wir haben
jetzt vor Weihnachten so surchtbar viel zu schicken. Aber
es ist ja noch lange hin bis zum Fest." Damit hatte sie
Necht, und der Grund, den sie für die Verzögerung anqab,
entsprach auch sicher der Wahrheit, wenn es auch den Ein-
druck machte, daß sie die Wagen gern noch ein bißchen da
behielt, um selbst damit zu spielen. Das aber hätte ihr
Prinzipal natürlich nicht erlaubt. So war also alles in
bester Ordnung, und wir konnten nach Lause gehn und zu
unsern Kindern sagen, was man immer in solchem Fall sagt,
nämlich: „Leute haben wir aber mal etwas ganz Wunder-
schönes für Weihnachten gesehen, und wenn ihr recht artig
seid, dann ist es nicht ganz ausgeschlofsen, daß wir es am
Ende kaufen."--
Der Weise und der Pfau