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184 <><><><x<><>x>2^ Meggendorfer-Blätter, München ox^XXXXXXX-X-XX

— „Saudamische Schinderei das, mit dem alten Bettstattl
da, aber halt, ich hab' ne Idee!-

So, jetzt geht's famosl"

Anzufrieden

— »Jhre Frau hat stch also für Sie zu Weihnachten malen
laffen, das ist aber schön."

— „Find' ich gar nicht; jetzt hab' ich ste doppelt."

— „Labt ihr aber ein kleines Weihnachtsbäumchen, — das
ist doch nicht viel mehr als drei Iahre alt."

— „Nun ja, es ist eben ein Kriegsbäumchen."

— „Nanu, im Badezimmer feiert ihr Weihnachten?"

— „Ia, unser Iunge bekommt eine Kriegsflotte, und die bauen
wir ihm gleich in der Badewanne auf."

8! 8!

— „Krauses scheinen sich furchtbar gezankt zu haben."

— „Ia, Frau Krause war mit den Löchflpreisen nicht ein-
verstanden, die ihr Mann für die Weihnachtsanschaffungen
einführen wollte."

Hannchens Weihnachtsgeschenk R°°bins°n

„Sie sind ein altes Kind, Lanncheii, und werden
immer eins bleiben," sagte Frau Amtsrichter Schaeffer
manchmal zu Fräulein Iohanna Stobbe, wenn sie gerade
ein wenig mit ihr sich unterhalten halte, — über die
Geschehnisse der kleinen Stadt und die Menschen, die
solche Geschehnisse verursacht oder erlitten hatten, und
ihre schöne oder häßliche Auffllhrung dabei. — „Sie find
ein altes Kind!" — „Aber ein gutes," seyte sie dann
meist noch hinzu, und Lannchen lächelte bescheiden, doch
ein wenig traurig. Sie war aber nicht elwa traurig
über den Mangcl an Welterfahrenheit und nützlicher
Kenntnis der Menschennatur, auf den Frau Amtsrichter
Schaeffer anspielte; der tat ihr nichts, dadurch hatte
sie, wenn auch keinen Vorteil, so doch auch niemals einen
Schaden gehabt, dank der Enge des Kreises, in dem ihr
Leben sich abspielte. Nein, sie war immer ein wenig
und manchmal, besonders wenn sie abends allein zu
Lause war, sogar recht traurig, daß sie kein Kind mehr
war. Nicht ein kleines; das verlangte sie gar nicht,
denn sie sah wohl ein, daß solch ein Wunsch über die
Naturverhältnisse hinausging. Aber solch ein großes
hätte sie immer bleiben mögen, wie sie es bis zu ihrem
dreißigsten Iahre gewesen war, in jener sanften Ab-
hängigkeit von Vater und Mutter, die mancher einzigen,
in Schüchternheit herangewachsenen Tochter ein glück
licher Zustand warmen Anschmiegens ist. Zehn Iahre
lang war Iohanna Stobbe jetzt schon allein in der Welt,
und noch immer konnte sie sich nicht ganz darein finden.
Warum hatte sie denn allein bletben müssen? Lätte
nicht wenigstens die Mutter bei ihr bleiben können!
Wenn die Mutter, fo überlegte Lannchen manchmal,
fünfundachtzig Iahre alt geworden wäre, dann wäre
ste felbst zu diesem Zeitpunkt fünfundsechzig gewesen.
Damit -aber hätte sie vollkommen genug gehabt, und
wenn jene symbolische Figur, der menschliche Phantaste
eine Senfe als Landwerkszeug beigegeben hat, dann
die Mutter bei der Land genommen hätte, wäre es
gütig von ihr gewesen, auch gleich die Tochter mitgehn
zu laffen, und Lannchen Stobbe wäre so auf dieser Erde
immer ein Kind gewesen.

Friedrich Stobbe war ein kleiner Beamter in städ-
tischem Dienste gewesen und demgemäß erst spät zum
Leiraten gekommen. Er war ein schüchternes kleines
Männchen, sein Weib eine schüchterne kleine Frau und
beider einziges Kind, die Iohanna, ein schüchternes
kleines Mädchen. Die gemeinsame Schüchternheit der
Außenwelt gegenüber schuf ein umso freundlicheres Fa-
milienleben, in dem sich die drei wie ängstliche Tierchen
aneinander wärmten. Geburtstage mit Kuchen und
Kranz, Besuche der Iahrmärkte der Stadt, zwei oder
drei Gänsebraten im Iahr, Weihnachten mit der köst-
lichen Erfüllung wochenlanger Leimlichkeiten, — das
waren die frohen, Erkältungen, Zahnweh, Kopfschmerzen
und ähnliche, immer wichtig genommene Anpäßlichkeiten
die trüben Anterbrechungen einer sonst so reibungslosen
Gleichmäßigkeit des Dahinlebens, daß ihrer nie ein Ende
werden zu können schien.

Dann starb Friedrich Stobbc, — Iohanna war
damals achtundzwanzig Iahre alt. Mutter und Tochter
waren in den ersten Tagen gleich hilflos, ebenso vor
Trauer wie vor der Scheu, an notwendige Beschlüsse
und Entscheidungen heranzugehen. Denn wenn in der
kleinen Republik der Drei auch völlige Ranggleichheit
 
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