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Meggendorfer-Blätter, München
— „Aber Lerr Meyerstein, der Scheck, den Sie mir für
die Armen gegeben haben, ist ja nicht unterzeichnet!"
— „Ia, Gnädigste, ich liebe es nicht, bei Wohltaten
meinen Namen zu nennen."
Wie Daniel Skibbe zu Silvester fortging
Von Peter Nobtnson
Es haben genug Leute in der Stadt um die Sache ge-
wußt. Manche haben sich darüber gewundert, manche da-
rüber gelacht, die meisten aber mit der Gelaffenheit der
Seeanwohner sie als etwas aufgefaßt, das eigentlich nur
die beiden anging, die im Spiele waren. Zu denen aber
durfte man Anstandes halber
davon nicht sprechen, denn man
wußte ganz genau, daß sie selbst
voreinander gewiß auch nicht ein
einziges Wort darüber verloren
hatten. Nein, Daniel Skibbe war
am Silvestertage fortgegangen,
zur Verschönerung des Abends
eine Flasche allerseinsten Schnap-
ses einzukaufen, und als er wie-
derkam, setzte er eine Flasche
,2aik om HÄ? auf den Tisch, die
sie ihm in den ,vris Heseüjss'
eingewickelt hatten, in der Gra-
venstiaat Nummer 16 zu Am-
sterdam, — aber weder er selbst
noch seine Ehefrau Mathilde, ge-
borene Domanski, machten dies
sonderliche Vorkommnis zum Ge-
genstand auch nur der kürzesten
Llnterhaltung, und das war doch
«erkwürdig. Warum es merk-
würdig war, kann man aber erst
vcrstchn, wenn man die Ge-
schichte gehört hat.
Daniel Skibbe war damals
schon ein wenig über die fünfzig
hinaus. Er sprang aber manch- Eine billige Fran
mal noch wie ein Iunge herum.
und auf der Leiter in seinem Laden bewegte
er sich flinker als der Lehrbursche. Der frei-
lich hatte trotz seiner Iugend schon Fett an-
gesetzt, und das machte ihn bequem, meinte
der Prinzipal entschuldigend; aber Frau Ma-
thilde sagte barsch, das wäre Anstnn, die Nei-
gung zur Bequemlichkeit wäre früher da ge-
wesen, und eben davon käme das Fett. Na-
türlich hatte sie recht.
Daniel' Skibbe hatte nie Fett an seinem
Körper gehabt, außer ein einziges Mal auf
seinem Kopf, weil er sich, zufälliger Verliebt-
heit halber, Pomade daraus geschmiert hatte.
Er war ganz dürr und dabei klein, und des-
halb hatte er seinen ursprünglichen Beruf auf-
gegeben. Reepschläger war er gewesen. Wie
eben der Mensch so zu einem Gewerbe kommt,
— seine Eltern hatten ihm die Lehrstelle aus-
gesucht und gesagt: Jetzt lerne was, dann hast
du wasl Er hatte gelernt und war auch ein
paarJahre lang selbständig gewesen, aber dann
fand er, daß die Reepschlägerei weder zu seiner
Körperkonstitution noch für seinen unruhigen
Geist paßte. Schwere Schiffstaue zu drehen,
das verlangte ganz andere Kräfte, denn da-
mals machten sie das noch nicht großartig mit
Dampf. Und dann kam er sich an solch einem
Tau immer wie angebunden vor; da konnte
man nicht nach Belieben einmal ein bißchen fortspringcn,
da hieß es aushalten, und das war doch eine gar zu lang-
weilige Sache. Daniel Skibbe beschloß also, künftig nicht
mehr Taue zu machen und zu verkaufen, sond rn nur noch
zu verkaufen und das Machen andern Leuten zu überlaffen,
ein Verfahren, das auch auf andekn Gebieten des Erwerbs-
lebens seine Vorzüge hat. Zu den Tauen nahm er aber auch
noch Segel hinzu und Oeljacken und Südwester und Schiffs-
Mutker (zum neuen Derehrer): „slnd so wenig
ißt sie immer, Lerr Steuersupernumerar!"
Meggendorfer-Blätter, München
— „Aber Lerr Meyerstein, der Scheck, den Sie mir für
die Armen gegeben haben, ist ja nicht unterzeichnet!"
— „Ia, Gnädigste, ich liebe es nicht, bei Wohltaten
meinen Namen zu nennen."
Wie Daniel Skibbe zu Silvester fortging
Von Peter Nobtnson
Es haben genug Leute in der Stadt um die Sache ge-
wußt. Manche haben sich darüber gewundert, manche da-
rüber gelacht, die meisten aber mit der Gelaffenheit der
Seeanwohner sie als etwas aufgefaßt, das eigentlich nur
die beiden anging, die im Spiele waren. Zu denen aber
durfte man Anstandes halber
davon nicht sprechen, denn man
wußte ganz genau, daß sie selbst
voreinander gewiß auch nicht ein
einziges Wort darüber verloren
hatten. Nein, Daniel Skibbe war
am Silvestertage fortgegangen,
zur Verschönerung des Abends
eine Flasche allerseinsten Schnap-
ses einzukaufen, und als er wie-
derkam, setzte er eine Flasche
,2aik om HÄ? auf den Tisch, die
sie ihm in den ,vris Heseüjss'
eingewickelt hatten, in der Gra-
venstiaat Nummer 16 zu Am-
sterdam, — aber weder er selbst
noch seine Ehefrau Mathilde, ge-
borene Domanski, machten dies
sonderliche Vorkommnis zum Ge-
genstand auch nur der kürzesten
Llnterhaltung, und das war doch
«erkwürdig. Warum es merk-
würdig war, kann man aber erst
vcrstchn, wenn man die Ge-
schichte gehört hat.
Daniel Skibbe war damals
schon ein wenig über die fünfzig
hinaus. Er sprang aber manch- Eine billige Fran
mal noch wie ein Iunge herum.
und auf der Leiter in seinem Laden bewegte
er sich flinker als der Lehrbursche. Der frei-
lich hatte trotz seiner Iugend schon Fett an-
gesetzt, und das machte ihn bequem, meinte
der Prinzipal entschuldigend; aber Frau Ma-
thilde sagte barsch, das wäre Anstnn, die Nei-
gung zur Bequemlichkeit wäre früher da ge-
wesen, und eben davon käme das Fett. Na-
türlich hatte sie recht.
Daniel' Skibbe hatte nie Fett an seinem
Körper gehabt, außer ein einziges Mal auf
seinem Kopf, weil er sich, zufälliger Verliebt-
heit halber, Pomade daraus geschmiert hatte.
Er war ganz dürr und dabei klein, und des-
halb hatte er seinen ursprünglichen Beruf auf-
gegeben. Reepschläger war er gewesen. Wie
eben der Mensch so zu einem Gewerbe kommt,
— seine Eltern hatten ihm die Lehrstelle aus-
gesucht und gesagt: Jetzt lerne was, dann hast
du wasl Er hatte gelernt und war auch ein
paarJahre lang selbständig gewesen, aber dann
fand er, daß die Reepschlägerei weder zu seiner
Körperkonstitution noch für seinen unruhigen
Geist paßte. Schwere Schiffstaue zu drehen,
das verlangte ganz andere Kräfte, denn da-
mals machten sie das noch nicht großartig mit
Dampf. Und dann kam er sich an solch einem
Tau immer wie angebunden vor; da konnte
man nicht nach Belieben einmal ein bißchen fortspringcn,
da hieß es aushalten, und das war doch eine gar zu lang-
weilige Sache. Daniel Skibbe beschloß also, künftig nicht
mehr Taue zu machen und zu verkaufen, sond rn nur noch
zu verkaufen und das Machen andern Leuten zu überlaffen,
ein Verfahren, das auch auf andekn Gebieten des Erwerbs-
lebens seine Vorzüge hat. Zu den Tauen nahm er aber auch
noch Segel hinzu und Oeljacken und Südwester und Schiffs-
Mutker (zum neuen Derehrer): „slnd so wenig
ißt sie immer, Lerr Steuersupernumerar!"