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Zeitschrift für Hurnor und Kunst

Wie Daniel SMbe zu Silvester
fortging

die Firma Daniel Skibbe,
Obix Obsnäler (um es Nvch
einmal zu sagen: so stand es
über der Ladentür, es läßt
sich wirklich nicht ändern) nicht
so viel verdient, wenn nicht
Frau Mathilde dahinter ge-
steckt hätte. So aber kam
ganz tüchtig Geld ein, das
sich zu einem netten, für die
Tage des Alters angenehmen
Zinsgenuß verheißenden Kapi-
tal kristallisierte.

Die Frage bleibt sreilich,
ob es besser ist, lustiger zu
leben und weniger zu ver-
dienen, oder bei geringerer
Lustigkeit zu mehr Geld zu
kommen. Wir wollen uns
aber jetzt darüber nicht den
Kopf zerbrechen, da wir hier
mit Daniel Skibbe zu tun
haben, und für den war die
Frage gelöst: Mathilde hielt
nicht viel von der Lustigkeit.

— „Du, geh' mit deim Schnupftabak von mei'm
Wagen weg, sonst niest d' mir mein Gaul um I"

verkehrtes Mittel gewesen. Sie war da; in Ernst und Größe,
Strenge und Stärke war sie da, und das genügte. Wie
ein übergewaltig starkes Leer meistens — Ausnahmen kom-
men leider vor — den Frieden verbürgen kann, so ließen
ihr überlegener Wille und ihre Mittel, seine Erzwingung
mit Aussicht auf Erfolg veriuchen zu können, es niemals
zu einem Streit mit dem kleinen Daniel kommen. Sie
paßte mit ruhigem Auge auf den Geschäftsmann Skibbe
auf, und er tat das Nötige und mühte sich eifrig ab; sie
knüpfte den Ehemann Daniel an ein unsichtbares Band,
und er zeigte sich bedacht, dieses Band ja nicht stramm zu
ziehn. Er wäre gar nicht einmal von selbst auf den Ge-
danken gekommen, wieder in den „Fetten Spickaal" zu
gehn. Mathilde veranlaßte das, wobei sie es klug vermied,
eine Erlaubnis zu erteilen. Im Gegenteil, es gab einen
Tadel. „Ia, was denkst du dir denn!" sagte sie; „du mußt
doch auch unter die Leute gehn, wenn du Geschäfte machen
willst. Im,Fetten Spickaab sitzen doch deine besten Kunden.
Zu viel ist dir freilich ungesund, aber bis neun Ahr kannst
du ruhig sitzenbleiben." Das war sehr klug von ihr; hätte
sie strenge Verhaltungsmaßregeln erlassen, dann hätte Da-
niel, der einst so unruhige, vielleicht doch rebelliert, aber
gegen diese unerwartete Art war gar nicht aufzukommen.
And so ging Daniel Skibbe jede Woche zweimal in den
„Fetten Spickaal", trank ein großes und ein kleines Glas
und trottete dann wie selbstverständlich nach Lause.

Das regelmäßige Leben bekam ihm recht gut. In den
nächsten Iahren ging er etwas in die Breite und wurde
fast robust. Frau Mathilde hätte ihm nicht mehr sagen
können, daß ein paar Gläser mehr ihm ungesund wären,
aber sie dachte gar nicht daran; die einmal eingeführte
Ordnung schien gar so sicher. Da geschah das Anerwartete:
Daniel Skibbe erlaubte sich eine Ausschreitung, eine ganz
gehörige sogar. Binnenlotse Ewert feierte seinen Geburts-

Die erste Ahnung davon be- Schwache Beine
kam er schon bei der Lochzeits-
tafel. Da saß auch sein bester
Freund, Binnenlotse Ewert,

der regelmäßig nach dem achten Glase singen mußte.
Er hatte anfangs auch ganz vergnügt gettunken, aber beim
siebenten Glase besann er sich; er ließ es halbvoll stehen
und war nicht zu bewegen, nachschänken zu lassen oder aus-
zutrinken. And wenn seine Land doch gewohnheitsmäßig
auf das Glas zufuhr, hielt sie ein Blick auf die in ernster
Größe und stummer Stärke dasitzende Frau Mathilde zu-
rück. Ewert war ein Mann von feinem Gesühl; er merkte:
für seinen Gesang war eine Person in der Gesellschaft zu
viel, und das war die junge Frau. Er drückte auch nach-
her beim Abschied sehr lange Daniel Skibbes Land und
sagte, indem er ihn wehmütig anschaute: „Na, alter Iunge,
ganz geb' ich die Loffnung nicht auf, — wir werden uns
am Ende doch noch mal zu sehen kriegen. Du weißt ja, —
ich sitz' jeden Abend im ,Fetten Spickaal'."

Der ,Fette Spickaal' war ein ganz vortreffliches Wirts-
haus, eines von jenen, wo ein warmer Platz den Gipfel
irdischer Glückseligkeit darstellen kann, wie der Doktor
Iohnson behauptet hat. Daniel Skibbe hatte diese Glück-
seligkeit früher reichlich genossen, oft bis in den grauenden
Morgen hinein. Ietzt blieb er zunächst einmal vierzehn
Tage lang ganz fort, und als er dann doch, sehr zum Er-
staunen des Binnenlotsen Ewert, der das gar nicht für
möglich gehalten hätte, wieder erschien, war es nur zu einem
Kosthäppchen von derGlückseligkeit; gerade nur ein großes und
ein kleines Glas trank er, und dann lief er wieder nach
Lause, mit der knappen Entschuldigung, er hätte seine
Bücher zu führen. Sein Freund Ewert seufzte ihm nach
und meinte bekümmert: „Das arme Luder muß, — sonst
gibt's Schacht!" — „Schacht" ist ein recht gewöhnlicher
Ausdruck; gebildete Menschen pflegen dafür Keile zu sagen.

Lierin aber täuschte Ewert sich sehr. Frau Mathilde
hatte es nicht nötig, zu einem solchen Mittel zu greifen,
um ihren Willen durchzusetzen, und es wäre wohl auch ein
 
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