Meggendorfer-Blätter (108.1917 (Nr. 1358-1370))

Zeitschrift für Humor und Kunst

29

„Der Gedanke will mir nicht aus dem Sinn," griff
Malchen eine Woche später das Thema wieder auf, „wa-
rum sich der Onkel gerade auf eine Ziege versteift hat."

„Ach laß doch die dumme Ziege," schalt Fritz.

„Gewiß Fritz, es ist töricht von mik, wieder davon
anzufangen," fuhr Malchen fort, „aber die Sache ist mir
ein Rätsel und es drängt mich, dessen Lösung zu ffnden.
Wenn uns der Onkel zum Beispiel Pferd und Wagen
verboten odcr einen Fasttag in der Woche auferlegt hätte,
so wäre doch Methode darin. Aber eine Ziege."

„Es gefiel ihm eben so in feiner unberechenbaren Weise."

„Nein, Fritz, suche mir nicht einzureden, daß ihn bloße
Laune dazu bestimmt haben sollte. Last du niemals, von
seiten deiner Eltern vielleicht, gehört, daß eine Ziege im
Leben des Onkels eine verhängnisvolle Nolle gespielt hat?"

„Ich habe niemals dergleichen gehört. Er war un-
glücklich verheiratet, so viel ich weiß, aber was sollten da
die Ziegen dafür können? Quäle dich doch nicht länger
mit einem Phantom herum, das gar keine Bedeutung hat.
Zn längstens fünf Iahren werden wir ja Gewißheit haben.
Alfo gedulde dich so lange."

Malchen geduldete sich. Aber gerade nur sünf Tage.

„Fritz," sagte sie plötzlich, „mir kommt da eine Idee."

„So?" fragte ihr ahnungsloser Gatte. „Last du viel-
leicht Lust, eine Rheinreise zu unternehmen?"

„Aber Mann," gab Malchen gereizt zurück, „wie kannst
du nur auf so läppische Dinge verfallen. Ich meine natürlich
mit Bezug auf die Ziege."

„Ach, du lieber Limmel!" seuszte Fritz.

„Was ist denn da zu lieberhimmeln," fuhr Malchen
noch um einen Grad schärfer fort. „Wenn es dir lästig
ist mich anzuhören-"

„Gewiß nicht, mein Schay, sage nur, was du zu sagen
hast."

„Ich denke mir nämlich," ging Malchen etwas sanfter
weiter, „der Onkel ist wahrscheinlich mit Ziegenmilch auf-
gezogen worden, und das hat auf sein Temperament un-
günstig eingewirkt."

„Malchen," ächzte Fritz, „wie kommst du nur auf solch
ungereimte Dinge! Ziegenmilch ist durchaus harmlos und
gewiß nur gesund. Auf die Charakterbildung eines Men-
schen ist sie aber sicher ohne jeden Einfluß."

Malchen schmollte und sprach mehrere Tage lang über-
haupt kein Wort. Aber man sah, wie es in ihr arbeitete,
und schließlich siegte ihr Bedürfnis, sich mitzuteilen, über
ihre Empfindlichkeit.

„Ich weiß zwar, daß du mir böse bist," sagte sie an

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