56 Meggendorfer-Blätter, München
— „Wieviel hast du für dein Schwein bekommen, Schwager?"
— „Abends fag' ich's dir nicht, — morgen in der Früh, daß
du dich den ganzen Tag ärgern kannst."
Verdunstung
Das konnte nicht stimmen.
Meine Frau bewies es mir
aber wieder durch die Praxis.
Vor meinen Augen füllte fie
sämtliche Schalen, und richtig:
nach 24 Stunden war die Schale
auf der Leizung nach halbvoll,
die andern aber waren leer,
völlig leer.
Das war ja Blödsinn. Das
mußte untersuchtwerden. Eigen-
händig füllte ich fämtliche Scha-
len, und nach einer Stunde maß
ich die Temperatur des in ihnen
enthaltenen Wassers. Das Was-
ser in derSchale aufderÄeizung
hatte vierzig Grad, das in den
andern nur zwanzig. Mein Ver-
stand zog hieraus die Folgerung,
daß das Wasser in der ersten
Schale sich nicht fo lange halten
würde wie in den anderen.
Mein Verstand hatte, was
ihm übrigens schon öfter passiert
ist, leider unrecht. Am nächsten
Tage war die Schale auf der
Leizung noch halb gefüllt, die
andern waren leer.
Lier mußte ein Fehler in
der Naturwissenschaft vorliegen.
Sie lehrt uns doch: je wärmer
Wasser ist, desto schneller ver-
dunstet es, die gleiche Aufnahme-
fähigkeit der umgebenden Luft
vorausgeseht. Die war in die-
sem Falle gleich; das Zimmer
mit der Ausnahmeschale hatte
nicht im geringsten feuchtere Luft
als die andern. „Im Gegenteil,"
meinte meine Frau, „gerade in
den anderen Zimmern ist die Luft
feuchter. And das istja auch ganz
natürlich; dort ist eben mehr
Waffer aus den Schalen verdunstet."
Es war ein unerklärlicher Fall. Zch
beschloß, ihn der Wissenschaft zu unter-
breiten. An eine Zettung wollre ich mich
wenden, und in ihrem sogenannten Brief-
kasten sollte sie mir Auskunft geben. Ge-
rade wollte ich den Brief beginnen, da
störte mich ein schlabberndes Geräusch,
ein Geräusch, als wenn irgendwo in d<>r
Nähe getrunken oder gesoffen würde.
And es wurde auch getrunken oder viel-
mehr gesoffen: mein Äund foff gerade
Wasser, — aus der Schale unter der
Leizung.' Völlig leer soff er sie.
Mein Lund hat narürlich feine be-
sondere Schüssel mit Wasser. Aber viel-
leicht hat es ihm aus den Leizungsschalen
besser geschmeckt. Das kann man eben
nicht wissen. Auch manchem Menschen
schmecken ja gerade die Getränke am
besten, die nicht für ihn bestimmt sind.
Der Krakehler
— „Sie waren ja gestern abend nicht
in ver,goldenen Gans'?"
— „Bin ich vermißt worden?"
— „Freilich! Als es am Stammtisch
'n bißchen laut wurde, kam der Laus-
knecht, um Sie hinauszuwersen ... und
da waren Sie gar nicht da."
Zm Straßenbahnwagen
Nat (als eine bekannte Dame in den über-
füllten Wagen steigt): „Dürfte ich Ihnen
meinen Platz anbieten, gnädiges Fräu-
lein?"
Sekretär <imnächstenAugenblick): „Dürfte
ich Ihnen meinen Platz anbieten, Lerr
Nat?"
Anterbeamter (ebenfalls aufspringend):
„Dürste ich Ihnen meinen Platz anbie-
ten, Lerr Sekretär?"
Das tote Vöglein
Saß ein Döglein auf öem Baume,
Äam ein §rost im Morgenrot,
Unö es fiel öas arme Vöglein
Auf öie Straße mausetot.
Kam ein kleiner Bub gegangen,
Sah's begierig in -er Näh,
Doch öas Fräulein schalt unö warnte:
Laß es liegen. Pfui, bäh, bäh!
Äam ein Hunö unö tats beschnüffeln,
Unö ließ etwas HLnLer sich;
Trabte weiter öann unö öachte:
Toter Dogel. Nix für mich!
Unö öann kam ein Straßenkehrer,
Kehrt's zusammen mit öem Dreck
Jn öie große Kehrichttonne,
Unö öann war öas Vöglein weg.
L. A. Hennig
— „Wieviel hast du für dein Schwein bekommen, Schwager?"
— „Abends fag' ich's dir nicht, — morgen in der Früh, daß
du dich den ganzen Tag ärgern kannst."
Verdunstung
Das konnte nicht stimmen.
Meine Frau bewies es mir
aber wieder durch die Praxis.
Vor meinen Augen füllte fie
sämtliche Schalen, und richtig:
nach 24 Stunden war die Schale
auf der Leizung nach halbvoll,
die andern aber waren leer,
völlig leer.
Das war ja Blödsinn. Das
mußte untersuchtwerden. Eigen-
händig füllte ich fämtliche Scha-
len, und nach einer Stunde maß
ich die Temperatur des in ihnen
enthaltenen Wassers. Das Was-
ser in derSchale aufderÄeizung
hatte vierzig Grad, das in den
andern nur zwanzig. Mein Ver-
stand zog hieraus die Folgerung,
daß das Wasser in der ersten
Schale sich nicht fo lange halten
würde wie in den anderen.
Mein Verstand hatte, was
ihm übrigens schon öfter passiert
ist, leider unrecht. Am nächsten
Tage war die Schale auf der
Leizung noch halb gefüllt, die
andern waren leer.
Lier mußte ein Fehler in
der Naturwissenschaft vorliegen.
Sie lehrt uns doch: je wärmer
Wasser ist, desto schneller ver-
dunstet es, die gleiche Aufnahme-
fähigkeit der umgebenden Luft
vorausgeseht. Die war in die-
sem Falle gleich; das Zimmer
mit der Ausnahmeschale hatte
nicht im geringsten feuchtere Luft
als die andern. „Im Gegenteil,"
meinte meine Frau, „gerade in
den anderen Zimmern ist die Luft
feuchter. And das istja auch ganz
natürlich; dort ist eben mehr
Waffer aus den Schalen verdunstet."
Es war ein unerklärlicher Fall. Zch
beschloß, ihn der Wissenschaft zu unter-
breiten. An eine Zettung wollre ich mich
wenden, und in ihrem sogenannten Brief-
kasten sollte sie mir Auskunft geben. Ge-
rade wollte ich den Brief beginnen, da
störte mich ein schlabberndes Geräusch,
ein Geräusch, als wenn irgendwo in d<>r
Nähe getrunken oder gesoffen würde.
And es wurde auch getrunken oder viel-
mehr gesoffen: mein Äund foff gerade
Wasser, — aus der Schale unter der
Leizung.' Völlig leer soff er sie.
Mein Lund hat narürlich feine be-
sondere Schüssel mit Wasser. Aber viel-
leicht hat es ihm aus den Leizungsschalen
besser geschmeckt. Das kann man eben
nicht wissen. Auch manchem Menschen
schmecken ja gerade die Getränke am
besten, die nicht für ihn bestimmt sind.
Der Krakehler
— „Sie waren ja gestern abend nicht
in ver,goldenen Gans'?"
— „Bin ich vermißt worden?"
— „Freilich! Als es am Stammtisch
'n bißchen laut wurde, kam der Laus-
knecht, um Sie hinauszuwersen ... und
da waren Sie gar nicht da."
Zm Straßenbahnwagen
Nat (als eine bekannte Dame in den über-
füllten Wagen steigt): „Dürfte ich Ihnen
meinen Platz anbieten, gnädiges Fräu-
lein?"
Sekretär <imnächstenAugenblick): „Dürfte
ich Ihnen meinen Platz anbieten, Lerr
Nat?"
Anterbeamter (ebenfalls aufspringend):
„Dürste ich Ihnen meinen Platz anbie-
ten, Lerr Sekretär?"
Das tote Vöglein
Saß ein Döglein auf öem Baume,
Äam ein §rost im Morgenrot,
Unö es fiel öas arme Vöglein
Auf öie Straße mausetot.
Kam ein kleiner Bub gegangen,
Sah's begierig in -er Näh,
Doch öas Fräulein schalt unö warnte:
Laß es liegen. Pfui, bäh, bäh!
Äam ein Hunö unö tats beschnüffeln,
Unö ließ etwas HLnLer sich;
Trabte weiter öann unö öachte:
Toter Dogel. Nix für mich!
Unö öann kam ein Straßenkehrer,
Kehrt's zusammen mit öem Dreck
Jn öie große Kehrichttonne,
Unö öann war öas Vöglein weg.
L. A. Hennig