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60 Meggendorfer-Blätter, München

LUK7

AnMglich " „Paß auf, der Primas begrüßt jeden neuen Gast mit einer andern

Melodie."

— „So, und als du kamst, spielte er sofort: ,Ei du lieber Augufiin'."

Reichen reuen könnte. Mit
einem grellen „Lu — hu-
huuuu!" griff er auf seine
unerschöpflichen Tränen-
reserven zurück. MitErfolg.

„Da hast du dreißig
Pfennig", sagte der Edel
mütige. Beifälliges Ge-
murmel:

„Das is amal anständig
. . . das is ein ordentlicher
Lerr . . . ich sag's halt,
es gibt doch noch edle
Menschenherzen ... bravo,
bravo!"

„Bravo sagt ma' jetzt
nimmer, Äerr Nachbar!"

„Also nacha Äoch! mei-
netweg'n." Aber als die
begeisterte Menge sich eben
zu einem gemeinsamen Loch
anschickte, sagte ein Lämi
scher:

„Die dreiß'g Pfennig
helfen eahm gar nix!" So-
fort rückten die Tränen
reserven des Peperl wie-
der ins Treffen :

„Äu — huhuuuu!"

„Dumm's Zeug, warum
sollten eahm di nix helfen?
Vielleicht, weil du 's eahm
net zahlt hast, ha?"

„5)u — huhuu!"

„Weil ma' jetz' 'n Zucker
nur gegen Zuckermarken
kriegt!"

Ein Pfund Zuüer

„Damische Weiberleit, mit dene Redereien is dem armen
Gischperl net g'holf'n!"

„Äu — huhuu!"

„Recht hat er — es muß was g'scheh n — was g'scheh'n
muß, sag i!"

„Äu — huhuu!"

„Ia, natürlich muß was g'scheh'n — aber was?"

„Lu — huhuu!"

„Vielleicht is a reicher Äerr in der Näh, der wo dem
armen Peperl 's Geld zu 'm neuen Pfund Zucker gibt?"

„Lu -Das Schluchzen blied erwartungsvoll stecken.

Der arme Peperl fing an, die erste Zuschauerreihe auf
ihren Reichtum zu taxieren. Die erste Zuschauerreihe drehte
sich um und fing an, die zweite Zuschauerreihe auf ihren
Reichtum zu tarieren. Die zweite Zuschauerreihe drehte
sich um und fing an, die dritte Zuschauerreihe auf ihren
Reichtum zu taxieren. Die vierte Zuschauerreihe — halt,
in der vierten Zuschanerreihe fand sich einer, der sich selbst
taxierte. Großartig griff er in die Tasche, und man öffnete
ihm respektvoll eine Gaffe nach dem gestoßenen Zuckerplatz
und dem unglücklichen Peperl.

„Was kostet ein Pfund Zucker?" sagte der Freigebige
großartig.

„Dreißig — dreißig — dreißig — dreißig!" riefen Stim-
men in den verschiedensten Tonlagen.

„Jeffes, dreißig Pfennig, soviel!" bekreuzigte sich eine.
Der Peperl überlegte blitzschnell, daß soviel Geld den

„Zaso ... jaso ... is ja wahr auch ... recht hat er ...
ja mei', da kann ma' halt nix mach'n," scholl es durchein-
ander. Dreißig Pfennige kann man geben, dachten sie,
aber Zuckerkarten, die man nie ersehen kann ? — nein, das
ging über allen Edelmut . . .

Da gab es etwas, was man nicht für Geld bekam.
Nicht für Geld? — das Neue dieser Zeit stieg auf: Geld
kann keine Ware mehr ersetzen. Peperls Zuckerpfund, das
inmitten der Menge auf dem Asphalt in der Mittagssonne
glitzerte, dieses verlorene Pfund Zucker hatte, so klein es
war, ein Loch iu die Zuckerwirtschaft des Deutschen Reiches
geriffen. Kein Geldstück in der ganzen Welt war groß genug,
dies Loch damit zuzudecken. Seiner Bedeutung wohlbewußt,
glitzerte das Zuckerpfund auf dem Boden ruhig weiter.

„Lu — huhuu — hu - huhuuuuuu!" zog der Peperl
neue Reserven heran. Auch die Amstehenden taten's und
strengten ihren Geist von neuem an:

„Melleicht könnt ma' den Zucker doch wieder aufhelLn,
die leere Straniz'n hab' i vorhill aufg'fangt."

„Ia, blas'n S' nur 'nein, den Zucker, wenn Sie's kön-
nen," bemerkte einer spö^tisch!

„Nein, mit die Länd geht's net, er Lauft ei'm ja durch
d' Finger — das soüt ma' gar net glaub'n, was so a Pfund
Zucker für Arbeit macht."

Die Verkehrsstockung hatte solchen Amfang angeuom-
men, daß von der Isar und vom Rathaus her ein ganzer
Komet von Straßenbahnen stillstand. Immer neue Scharen
drängten sich ins Zuckerzentrum. Die Lollsten Vermutungen
 
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