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Meggendorfer-Blätter, München
sdgpi«,^
Metallsammlung
— „Sehen S', so muß ma den Kuchelpsanne nachlaufen,
well d' Buben alle M Sturmbauben braucken."
Die Hamburger Filiale
Mit meinem Schein in der Tasche, wonach ich als ent-
laust und zeitig garnisondienstsähig zum Ersatztruppenteil
entlassen setz marschierte ich in das ziemlich verdächtige Nest
ein, in dem, guten Vernehmen nach, mein Bataillon, das
nunmehr meine Leimat bildete, lag. Gassen und Markt-
platz waren mit kleinen, runden Kopfsteinen gepflastert,
welche man selbst durch die grobgenagelten Soldatensohlen
hindurch spürte. Eine einzige Trambahnlinie wand sich
mühsam durch die Stadt. Kurz, die Sache sah recht mau
aus bis auf die Auslagen der Gebrüder Veilchenherz,
Stiefelgewichs und Abrahamsohn. Äierin und in den
Ladendamen schien etwas „Schmiß" zu liegen, wovon ich
befriedigt Kenntnis nahm.
Auf dem Marktplatze gingen und standen eine trostlose
Menge rauher Krieger. Wo sich foviel von diesen Mars-
brüdern herumtreiben, wird der Kundige sosort mißtrauisch;
gewöhnlich ist da alles weggesoffen und leer gegessen. End-
lich entdeckte ich auch eine Anzahl Landstürmer, die am
sehr mäßig saubern Rockkragen mächtig, erhaben und groß
die Nummer meines
Bataillons trugen und
mir Bescheid gaben,
nach welcher Limmels-
richtung ich mich zu
wenden hätte.
Ich gleite gerade um
eine Ecke in eine ganz
verdammt windig aus-
sehende Gasse mit aus-
geprägtem Geruch nach
angebranntem Weiß-
kraut,Staub,Geißböcken
und alten Stiefeln, da
steht groß, dick und breit
mein Freund Karl aus
„Lambuch" vor mir, tut
gewaltig den Mund auf
undschreit, daß die ganze
Gasse wackelt: „Ia,
Mö —ö —ö n —sch, wo
kommst du her?" Als-
dann reicht er mir seine
biedereLandsturmunter-
osfizierspratze und sagt
väterlich begütigend:
„Na, denn wulln wi
mal wat eeten. Da is
ne Wirtschast, da habe
ich besondere Protek-
xion, da kriegen wiwat."
Nun, diese Spezialität
meines Freundes Karl
kannte ich schon. Selbst-
redend stak das Ewig
weibliche dahinter, aber
nicht etwa ein mord-
sauberes Dirndel, son-
dern eine weniger hüb-
sche, aber desto wohl-
genährtere Dame in
gemäßigt-liberalem
Alter, deren Zuneigung
sich Karl durch männ-
lich - ritterlichen Ernst
und hinreißende Beredsamkeit, sowie durch liebevolles Ein-
gehen auf Küchenfragen und dito Sorgen erwarb. Ich
durfte also was Grundsolides erwarten, trotz Brot- und
Fleischkarte, trotz dem vielen Militär in der kleinen Stadt
zwischen Rhein und Ostgrenze. „Du hast es fein getroffen,"
vertraute mir übrigens Karl während des in der Tat vor-
trefflichen Effens an, „wir sind hier meistens Lambucher
Iungs in reiseren Iahren, wir werden dir schon wieder
auf die Sprünge helsen!"
Solchermaßen körperlich gestärkt und mit geistlichem
Zuspruch versehen, wurde ich von Karl in die Nähe der Ba-
taillonsschreibstube gebracht und belehrt, wo er auf mich
warten wollte. „Weißt du, der Alte sieht nicht gern, wenn
üch ein Unterosfizier beschästigungslos auf der Straße
herumtreibt!" Das wußte ich schon. Lleberall sind die
„Alten" so merkwürdig aus den Dienst aus.
Der Bataillonsschreiber war ein dicker und dement-
sprechend gemütlicher Lamburger von reizenden ümgangs-
formen. Auch die anderen Lerren und Lilfspersonen waren
immerhin gut bei Wildpret, wie der Iäger sagt. Zwei
CopyriM 1917 bp I. F. Schrribrr
Meggendorfer-Blätter, München
sdgpi«,^
Metallsammlung
— „Sehen S', so muß ma den Kuchelpsanne nachlaufen,
well d' Buben alle M Sturmbauben braucken."
Die Hamburger Filiale
Mit meinem Schein in der Tasche, wonach ich als ent-
laust und zeitig garnisondienstsähig zum Ersatztruppenteil
entlassen setz marschierte ich in das ziemlich verdächtige Nest
ein, in dem, guten Vernehmen nach, mein Bataillon, das
nunmehr meine Leimat bildete, lag. Gassen und Markt-
platz waren mit kleinen, runden Kopfsteinen gepflastert,
welche man selbst durch die grobgenagelten Soldatensohlen
hindurch spürte. Eine einzige Trambahnlinie wand sich
mühsam durch die Stadt. Kurz, die Sache sah recht mau
aus bis auf die Auslagen der Gebrüder Veilchenherz,
Stiefelgewichs und Abrahamsohn. Äierin und in den
Ladendamen schien etwas „Schmiß" zu liegen, wovon ich
befriedigt Kenntnis nahm.
Auf dem Marktplatze gingen und standen eine trostlose
Menge rauher Krieger. Wo sich foviel von diesen Mars-
brüdern herumtreiben, wird der Kundige sosort mißtrauisch;
gewöhnlich ist da alles weggesoffen und leer gegessen. End-
lich entdeckte ich auch eine Anzahl Landstürmer, die am
sehr mäßig saubern Rockkragen mächtig, erhaben und groß
die Nummer meines
Bataillons trugen und
mir Bescheid gaben,
nach welcher Limmels-
richtung ich mich zu
wenden hätte.
Ich gleite gerade um
eine Ecke in eine ganz
verdammt windig aus-
sehende Gasse mit aus-
geprägtem Geruch nach
angebranntem Weiß-
kraut,Staub,Geißböcken
und alten Stiefeln, da
steht groß, dick und breit
mein Freund Karl aus
„Lambuch" vor mir, tut
gewaltig den Mund auf
undschreit, daß die ganze
Gasse wackelt: „Ia,
Mö —ö —ö n —sch, wo
kommst du her?" Als-
dann reicht er mir seine
biedereLandsturmunter-
osfizierspratze und sagt
väterlich begütigend:
„Na, denn wulln wi
mal wat eeten. Da is
ne Wirtschast, da habe
ich besondere Protek-
xion, da kriegen wiwat."
Nun, diese Spezialität
meines Freundes Karl
kannte ich schon. Selbst-
redend stak das Ewig
weibliche dahinter, aber
nicht etwa ein mord-
sauberes Dirndel, son-
dern eine weniger hüb-
sche, aber desto wohl-
genährtere Dame in
gemäßigt-liberalem
Alter, deren Zuneigung
sich Karl durch männ-
lich - ritterlichen Ernst
und hinreißende Beredsamkeit, sowie durch liebevolles Ein-
gehen auf Küchenfragen und dito Sorgen erwarb. Ich
durfte also was Grundsolides erwarten, trotz Brot- und
Fleischkarte, trotz dem vielen Militär in der kleinen Stadt
zwischen Rhein und Ostgrenze. „Du hast es fein getroffen,"
vertraute mir übrigens Karl während des in der Tat vor-
trefflichen Effens an, „wir sind hier meistens Lambucher
Iungs in reiseren Iahren, wir werden dir schon wieder
auf die Sprünge helsen!"
Solchermaßen körperlich gestärkt und mit geistlichem
Zuspruch versehen, wurde ich von Karl in die Nähe der Ba-
taillonsschreibstube gebracht und belehrt, wo er auf mich
warten wollte. „Weißt du, der Alte sieht nicht gern, wenn
üch ein Unterosfizier beschästigungslos auf der Straße
herumtreibt!" Das wußte ich schon. Lleberall sind die
„Alten" so merkwürdig aus den Dienst aus.
Der Bataillonsschreiber war ein dicker und dement-
sprechend gemütlicher Lamburger von reizenden ümgangs-
formen. Auch die anderen Lerren und Lilfspersonen waren
immerhin gut bei Wildpret, wie der Iäger sagt. Zwei
CopyriM 1917 bp I. F. Schrribrr