Zeitschrift für Humor und Kunst 107
Das Mittel des
kletnen Bompard
ließ er den jungen
Mann gehn, der sich
nicht klar darüber war,
ob der Doktor ihn nicht
verstanden hatte oder
nicht hatte verstehen
wollen. Im ersten Fall
war er ein einsacher,
im zweiten aber ein
doppelter Esel.
Lenri sand sein Vor°
haben jeht doch viel
schwieriger, als er ge-
dacht hatte. Er lief in
Montslimar herum und
machte sich an alle Be-
kannten heran, die jenes
kostbare Wisien besitzen
konnten, das ihm wert-
voller schien als der
Stein der Weisen. Mit
manchen konnte er ganz
offen reden, aber helfen
konnte ihm keiner. Ge-
wiß: Gerüchte gingen
um über den und jenen,
der entlaffen worden
war und selbst das seine
dazu beigetragen haben
sollte. Es gab Mittel,
das stand fest. Aberwer
sie kannte, verriet das
Geheimnis und die Be-
zugsquelle nicht.
Lenri verzagte und
dachte schon wieder da-
ran, sich ein Glied ab-
zuhacken. Am letzten
Tage seines Arlaubs
kam er an dem Barbier-
laden des alten Mau-
grabin vorbei, derBom-
pard senior rasierte und Opferwillig
in Lenri einen zukünf-
tigen Kunden respek-
tierte. Da sein Laupt-
haar schon nicht mehr ganz die vorschriftsmäßige Kürze auf-
wies — denn die modernen Soldaten, die durch die Technik
stark sind, müssen im Gegensatz zu Simson, der durch sich selbst
stark war, ganz kurzes Laar tragen — schien es Lenri ange-
zeigt, Maugrabin etwas verdienen zu lassen. Der hatte es
auch verdammt nötig, denn er war doch aus männlicheKunden
angewiesen, und an denen fehlte es jeht. Darum schimpste er
auch entsetzlich über die „große Sauerei", und Lenri stimmte
ein und meinte, er hätte noch viel mehr Arsache zu schimpfen,
denn er stände doch schon halb darin, in der „großen Sauerei"
nämlich, aber Maugrabin könnte niemand mehr etwas an-
haben. — Das sollte ihnen auch schwer fallen, meinte der
Barbier; sie hätten es ja nicht einmal gekonnt, als er ein
junger Kerl gewesen, anno 1878. Sechs Wochen lang wäre
er Soldat gewesen, dann hätten sie ihn laufen laffen. Er
müßte heute noch lachen, wenn er daran dächte, wie schafs-
dumm die Aerzte sich bei ihm aufgeführt hätten.
Verehrer: „Soll ich für dich die drei Mark Strafs auch
bezahlen, Lieb, oder ziehst du vielleicht 'n Tag Last vor?"
Lenri Bompard kaufte sämtliche Flaschen mit Laar-
waffer und alle Pomade, die im Laden war; sein ganzes
Geld ging darauf. Maugrabin wurde sehr vergnügt. And
schließlich kniff er die Augen halb zusammen und erzählte:
„Sie werden's ja nicht weiter sagen, Monsieur Lenri. Tun
können sie mir zwar nichts mehr, weil die Geschichte schon
zu lange her ist. Ich erzähle sie Ihnen auch nur, weil sie
Ihnen Spaß machen wird; ich weiß, Sie werden so etwas
nicht machen, Sie sind ja gern Soldat, und vorhin das mit
der großen Sauerei war ja nicht Ihr Ernst. Aber ich war
damals nicht gern Soldat, und wir hatten auch keinen Krieg.
Am dritten Tage hatte ich die Schinderei im Magen. War
es da ein Wunder, daß ich magenkrank wurde? Nichts
hab' ich bei mir behalten, Monsieur Lenri, aber auch gar
nichts. Die Aerzte wurden rein verrückt, weil sie nicht
'rauskriegen konnten, was mit meinem Magen los war.
Kaum war es ein bißchen besser geworden, und sie hofften
Das Mittel des
kletnen Bompard
ließ er den jungen
Mann gehn, der sich
nicht klar darüber war,
ob der Doktor ihn nicht
verstanden hatte oder
nicht hatte verstehen
wollen. Im ersten Fall
war er ein einsacher,
im zweiten aber ein
doppelter Esel.
Lenri sand sein Vor°
haben jeht doch viel
schwieriger, als er ge-
dacht hatte. Er lief in
Montslimar herum und
machte sich an alle Be-
kannten heran, die jenes
kostbare Wisien besitzen
konnten, das ihm wert-
voller schien als der
Stein der Weisen. Mit
manchen konnte er ganz
offen reden, aber helfen
konnte ihm keiner. Ge-
wiß: Gerüchte gingen
um über den und jenen,
der entlaffen worden
war und selbst das seine
dazu beigetragen haben
sollte. Es gab Mittel,
das stand fest. Aberwer
sie kannte, verriet das
Geheimnis und die Be-
zugsquelle nicht.
Lenri verzagte und
dachte schon wieder da-
ran, sich ein Glied ab-
zuhacken. Am letzten
Tage seines Arlaubs
kam er an dem Barbier-
laden des alten Mau-
grabin vorbei, derBom-
pard senior rasierte und Opferwillig
in Lenri einen zukünf-
tigen Kunden respek-
tierte. Da sein Laupt-
haar schon nicht mehr ganz die vorschriftsmäßige Kürze auf-
wies — denn die modernen Soldaten, die durch die Technik
stark sind, müssen im Gegensatz zu Simson, der durch sich selbst
stark war, ganz kurzes Laar tragen — schien es Lenri ange-
zeigt, Maugrabin etwas verdienen zu lassen. Der hatte es
auch verdammt nötig, denn er war doch aus männlicheKunden
angewiesen, und an denen fehlte es jeht. Darum schimpste er
auch entsetzlich über die „große Sauerei", und Lenri stimmte
ein und meinte, er hätte noch viel mehr Arsache zu schimpfen,
denn er stände doch schon halb darin, in der „großen Sauerei"
nämlich, aber Maugrabin könnte niemand mehr etwas an-
haben. — Das sollte ihnen auch schwer fallen, meinte der
Barbier; sie hätten es ja nicht einmal gekonnt, als er ein
junger Kerl gewesen, anno 1878. Sechs Wochen lang wäre
er Soldat gewesen, dann hätten sie ihn laufen laffen. Er
müßte heute noch lachen, wenn er daran dächte, wie schafs-
dumm die Aerzte sich bei ihm aufgeführt hätten.
Verehrer: „Soll ich für dich die drei Mark Strafs auch
bezahlen, Lieb, oder ziehst du vielleicht 'n Tag Last vor?"
Lenri Bompard kaufte sämtliche Flaschen mit Laar-
waffer und alle Pomade, die im Laden war; sein ganzes
Geld ging darauf. Maugrabin wurde sehr vergnügt. And
schließlich kniff er die Augen halb zusammen und erzählte:
„Sie werden's ja nicht weiter sagen, Monsieur Lenri. Tun
können sie mir zwar nichts mehr, weil die Geschichte schon
zu lange her ist. Ich erzähle sie Ihnen auch nur, weil sie
Ihnen Spaß machen wird; ich weiß, Sie werden so etwas
nicht machen, Sie sind ja gern Soldat, und vorhin das mit
der großen Sauerei war ja nicht Ihr Ernst. Aber ich war
damals nicht gern Soldat, und wir hatten auch keinen Krieg.
Am dritten Tage hatte ich die Schinderei im Magen. War
es da ein Wunder, daß ich magenkrank wurde? Nichts
hab' ich bei mir behalten, Monsieur Lenri, aber auch gar
nichts. Die Aerzte wurden rein verrückt, weil sie nicht
'rauskriegen konnten, was mit meinem Magen los war.
Kaum war es ein bißchen besser geworden, und sie hofften