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Meggendorfer-Blätter, München

— „Nee, immer kühn aber edel — hier
haben Sie einen Kleiderbezugsschein."

Sein Goldbeitrag

Es ist immer ein Genuß, meinen Freund, den Philo-
sophen und Schachwettspieler Eberhard Gallenbrecher aufzu
suchen. Nicht etwa, als wenn er solch eine schöne Wohnung
hätte. Jm Gegenteil, er haust in einer ganz elenden Bude
in einem alten, abgewohnten Äaus, seiner Studentenbude, in
der er einfach hängengeblieben ist, wie sein ganzes Leben
irgendwie hängen geblieben ist. Aber in dieser elenden Bude
gibt es einen Lichtblick, von dem ein Glanz über das ganze triste
Zimmer ausgeht, und dieser Lichtblick ist — der Schnaps-
schrank. Ein ganzsimpler Schrank
von außen, aber wenn seineTüren
aufgetan werden, gehen einem
die Augen über. Da gibt es
Etiketten, die man in keinem
Bols-Katalog finden würde, Eti.
ketten, die von der Kultur alter
Klöster erzählen und alter, ver
ständnisvoller Zeiten, wo ganze
Generationen an einem Schnaps-
rezept arbeiteten. Ieden seiner
Gäste führt Gallenbrecher vor
seinen Schnapsschrank und läßt
ihn wählen. Wer aber ganz
klug ist, der enthält sich der Wahl
und läßt Gallenbrecher,mixew.

Er mixt wundervoll. Er stellt
Schnäpse zusammen, unter de-
nen sich die Zunge zum Blumen-
garten weitet, Schnäpse, die herb
und dünn beginnen und dann
immer voller und runder werden,
kurz er ist ein Symphoniker der
Schnäpse.

einmal auf. Wie gewohnt stellte er die kurzen Gläser
aüf den Tisch, aber wie war ich enttäuscht, als er,
ohne wie sonst feierlich den Gast zu befragen, einfach
eine Flasche Danziger Goldwafser heranbrachte. Offen-
bar hatte auch hier der Krieg verödend gewirkt.

„Aber Danziger Goldwafser schüttelt man doch,
ehe man einschenkt," fuhr es mir heraus, als er jetzt
eingoß. Ich hatte kein einziges der hübschen Blättchen
ins Glas bekommen, darum sagte ich das.

Aber schon bereute ich meine Rede vor dem mit-
leidigen Blick, mit dem mich Gallenbrecher anschaule.
Natürlich wußte er das selbst. Aber warum tat er
es nicht?

„Sie sind vffenbar doch ein Mensch ohne Pflickt-
gefühl," begann er jeht. „Sehen Sie, als der Krieg
ausbrach und bald darauf der Ruf erscholl ,Tragt
Gold zur Reichsbank', da war mein Gewissen rein.
Wie lange vor dem Krieg hatte ich wohl zum letzten
mal ein Goldstück gesehen! Aber als jener Ruf immer
wieder erscholl, und als jeht gar die Goldankaufsstellen
errichtet wurden, da regte sich mir das Gewissen, daß
ich doch auch etwas beitragen müsse. Ich kann nicht
nach Kalifornien gehen und den Sand seiner Bäche
nach Gold auswaschen. Aber es gibt auch im deutschen
Vaterland Wässer, die ungenutztes Gold mit sich führen.
Schauen Sie her,"und er öffnete erst jetzt sein Leiligtum,
zu dem er fonst immer zuerst, wie zu einer Begrüßung
vor den Äausaltar, den Gast zu führen Pflegte. Aber
welche Aeberraschungl Statt der vielen verschiedenen Fla-
schen mit allen möglichen Formen von Bäuchen, die sonst
im anmutigenDurcheinander dort versammelt waren, standen
da jetzt nur lauter Flaschen von Danziger Lachs, gleichmäßig
in Reih und Glied wie eine Korporalschaft Soldaten. „Meine
ganzen schönen französischen Schnäpse hab' ich drangegeben,
um alles aufzukaufen, was ich an Danziger Goldwaffer
auftreiben konnte. Das ist nur ein kleiner Teil. Es geht
ziemlich mühsam. Jch muß schon manche Flasche noch
leermachen, bis ich soviel Gold herauskriege, wie zu einem

Neulich suchte ich ihn nach lan Echwieriq
ger — recht langer Zeit wieder

— „Wo willst denn dei Brüderl hinfahren — bei dem Wetter?"

— „In d' Sonn!"

Lopyright 1"17 by Z. F. Schrelber
 
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