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T- Zeitschrift für Humor und Kunst

O 171

Lütje Aalsatts Llnglück

„Wieviel sind das,

Timke?"

„Dreizehn Stück. Ich
hab' ihnen doppelt ge-
zählt, und denn hab' ich
ihnen durch zwei durch
difendiert und ein drit-
tes Mal ohne disendie-
ren. Da war kein bei
über und kein zu wenig,
und die Ferken stimmten
genau."

„Da muß ich gleich
hin," meinte Lütje. „Laß
dir man von meine Frau
einen Lelaren einschen-
ken. Beta, gib Timke
einen Klaren, sie muß
ja ganz verklamt sein;
das heißt, wenn noch
einen in' Buddel is."

Die 'letzten Worte be-
gleitete ein Seitenblick
auf die Gemahlin, der
eine willkürliche Ent-

Ich-Iimng di.s.r I.M.N Schauf-nst-r

FragelmnegatwenSm- ^ ' '

neherbeiführte. Lierauf
verschwand der Bauer,
kam aber bald wieder
zurück.

„Timke, du hast sie gut auf die Welt gebracht, die
Ferken, weil du so 'ns sckon oft getan und da den richtigen
Schlag von weg hast. Aber mit das Zählen ist dich das
verglipscht; es sind man zwölf, was aber weiter nichts
schaden tut, weil dreizehn ne Anglückszahl ist. Beta, zwölf
Stück meldst du den Vorsteher!"

Ietzt fühlte sich Timke in ihrer Ehre gekränkt.

„Aber dreizehn hat die Altsche doch gekriegt."

Die Stirn Aalfatts zog sich in zornige Falten.

„Zwölf sind's, du hast bloß nich aufgepaßt, wie die
Sau eins in sich fraß. Das ist das Ganze."

„Ne," entgegnete Timke. „Das kann wohl nich gut
angehen, denn ich habe ihnen erst nach die Altsche ihr
Rausbringen gezählt."

„Das hat da nichs mit zu tun," antwortete Lütje
wütend, „und so 'ne, die das denn noch tun, das sind über-
haupt die Schlimmsten."

Timke wollte erwidern und ihren Glauben an die letzten
Worte Aalfatts in Abrede stellen, zumal der von Beta als
leer ausgegebene Schnapsbuddel ihre heiligsten Gesühle
verletzt hatte. Aber Ian Drangback trat dazwischen.

„Da hat Lütje Bauer ganz recht in, das sind die
Schlimmsten, die so 'ns noch nach ihr Rausbringen tun,
und auch, daß dreizehn 'ne Anglückszahl is, und, was ich
man sagen wollte, der Backoben-Stall, den hab' ich schön
in Schick, und das Karnickel kann da jeden Tag rein."

Die zwölf bis dreizehn Ferkel gediehen prächtig, und
als die Zeit war, wo sie der Mutter Brust allenfalls miffen
konnten, stand Aalfatt eines Abends mit einem leeren Sacke
in dem Schwein-Koben, worauf dort ein mächtiges Geschrei
entstand, nach deffen Verstummen Lütje den nicht mehr ganz
so leeren Sack auf der Schulter in der Richtung des dicken
Busches verschwand.

— „Nicht wahr, Männchen, dieses hübsche Kleid kaufst du mir?"

— „Last du denn eins nötig?"

— „Gewiß, ich habe auch eins nötig . . . das werde ich dir
aber gleich in einem andern Schaufenster zeigen!"

Am folgenden Tage stand er mit nachdenklichster Miene
im Kuhstall.

Ian Drangback saß unter der Veteranin des Stalles,
der ebenso langbeinigen, wie unendlich gutmütigen Liese.
Das alte Tier, das bereits zehn Iahre im Stalle stand,
war derart geduldig und sriedliebend, daß es auf keine
ernstliche Verteidigung gegen das Leer von Fliegen, für
welches besonders das Linterteil Lieses noch erheblichen
Wert zu haben schien, bedacht war und nur gelegentlich,
anscheinend unbewußt, mit dem Schwanz die Defensive auf-
nahm. Die alte, treue Seele gab auch trotz ihres vorge-
schrittenen Alters noch eine recht hübsche Portion Milch,
und es ist aus Grund der niilden Gemütsart Lieses durch-
aus der Schluß erlaubt, daß sie geflissentlich die Nechte
der Natur und des Alters hinter das Interesse ihres Be-
sitzers stellte.

Während die Kuh behaglich und zufrieden wiederkäute,
oblag Ian Drangback in Gemächlichkeit seiner nutzbringenden
Beschäftigung.

„Ia," sagte der Bauer, nachdem er einige Zeit dem
friedlichen Bilde zugeschaut hatte. „Ian, ich trau das alte
Vieh nich mehr. Das glupscht so wild und giftig, daß ich
ihr von nu ab lieber selber melken will, denn es täte mich
in die Seele weh, wenn du zu Schaden kämst, weil daß ich
nich in 'r Anfallverficherung bin."

Liese blickte mit ihren großen Augen, in denen dauernd
ein Ausdruck kälberhafter Anschuld lag, den Bauern an.
Auch Ian Drangbacks Augen schienen einen Moment noch
dümmer als gewöhnlich, doch, wie gesagt, nur einen Moment.

„Komm, nimm dir in acht, gleich denn wichst se aus,"
fuhr Lütje fort, obgleich Liese auch nicht im enlferntesten
dergleichen tat. „Komm raus, Ian, ich melk fertig, mach
du man den Schweinefraß."
 
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