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Kricgschronik der Meggendorfer-Blättcr, München
— „Dös glaub' i, agrad wia da
Lindenburg!"
Meine persönlichen Erlebnisse mit Zeppelin
Zunächst möchte ich gestehen, daß ich ihn persönlich
überhaupt nicht gekannt habe, denn er verkehrte nicht in
meinen Gesellschaftskreisen, was absolut kein schlechtes Licht
auf seine Kreise wirft, aber auch sür meine Bekannten keine
Beleidigung sein soll. Gesehen habe ich ihn auch nie, denn
ich bin schwächlich und von ängstlicher Natur und hafse
deshalb Volksaufläufe und Verkehrsstockungen, bei denen
man zertreten und erdrückt werden kann. Meine Geschichten
beziehen sich aber doch direkt auf ihn und erlebt wenigstens
habe ich sie persönlich.
Die erste Geschichte spielt im Sommer 1908, als das
Zeppelinluftschiff in Echterdingen zugrunde ging.
Zch war in einer noch ziemlich unentdeckten bayrischen
Sommersrische, die so unbekannt war, daß man sich dort
erholen konnte und so langweilig, daß einem gar nichts
anderes übrig blieb.
Ienes Ereignis aber brachte Leben in die Bude. !lnd
als gar für ein neues Luftschiff gesammelt wurde, da war
auch schon ein Komitee gebildet, das eine Festvorstellung
veranstaltete, zu der Eintrittskarten zu kaufen Anstand und
Patriotismus unbedingt geboten. Ich hatte als Vorstand
des Ausschusses für das Fest ein Lustpiel geschrieben, dessen
Titel „Das Lustschiff" oder „Die Limmelsstürmer" ebenso
deutlich wie witzig auf den Inhalt des Stückes schließen
läßt. Der Erlös des Festes wurde dem Zeppelinluftschiffbau-
fondsunterstützungsverein überwiesen uud ich erhielt als
Komiteevorstand von Graf Zeppelin eine Karte mit per-
sönlicher Llnterschrift. Diese Karte hat heute für mich
höchsten Wert, während mein Lustpiel bestimmt ein
großer Mist war.
Zwei Iahre darauf saß ich in Erlangen und
studierte aufs Examen. Studierte tatsächlich so eifrig,
daß es mir wochenlang nicht eingefallen war aus
dem Fenster zu gucken und zu bemerken, daß vis-a-
vis ein reizendes blondes Mädel am Fenster saß und
nähte. Bis der Ruf durch die Straßen eilte: Der
Zeppelin kommt!
Nun aber rasch ans Fenster und auf die Straße
geschaut. And gegenüber schaute die blonde Eva heraus.
Graf Zeppelin kam gar nicht an jenem Tage.
Aber nach zwei Stunden, als alle andern Leute das
Warten schon aufgegeben hatten und die Straße
wieder leer war, da guckte ich immer noch aus dem
Fenster — und die blonde Eva auch und wir heuchel-
ten immer noch Loffnung, daß der berühmte Mann
doch noch vorbeikommen würde — wenn wir uns
auch schon geraume Zeit nur noch in die Augen
schauten und nicht mehr aus die Straße.
And daß es in jenem Semester nichts mehr war
mit dem Studieren und däß ich das Examen — zum
mindesten das erste Mal — nicht bestand, daran ist
nicht die blonde Eva schuld, sondern — wie sich aus
obigen Erklärungen zweifellos ergibt — im Grunde
genommen der Graf Zeppelin.
Die letzte Geschichte war die mit dem Onkel Peppi.
Der hatte nach zehn Zahren den Mut gefunden,
seine Laushälterin, die ihn ebensolange tyrannisiert
hatte, zu entlassen und stand eben nach dem letzten
Krach in Napoleonspose vor ihr und donnerte ihr
die Worte entgegen: Aus meinen Augen — ich will
Sie nie mehr sehen — nie mehr!
Da schrie es von allen Seiten: Ein Zeppelin!
Ein Zeppelin! Alles andere war sofort vergessen
und jeder hatte den gleichen sür diesen Fall seit
Wochen vorbereiteten Gedanken: Auss Dach — auf
die Waschveranda!
Auch der Onkel Peppi.
Erhaktenoch geistcsgegenwärtig denPhotographenappa-
rat von der Wand und stürzte speicherwärts. Auf der
Altane wimmelte es schon von sämtlichen Lausbewohnern
und schräg über ihr ralterte eben das Luftschiff vorbei. Onkel
Peppi hatte gerade noch Zeit mit aufgeregt zitternden
Länden abzuknipsen.
Drei Tage darauf aß ich bei Onkel Peppi. Er lobte
die neue Köchin und sagte eben: Ich bin ja so froh, daß ich
das freche Gesicht der alten Kathrin nicht mehr zu sehen
brauche, — als der Ausgeher eines Photographenutensilien-
geschäftes die beim Zcppelinbesuch aufgenommene entwickelte
Platte samt Kopie brachte.
Onkel Peppi öffnete freudig erregt das Kuvert, fuhr
aber sofort entsetzt in die Löhe und warf das Bild weit
von sich. Das Anglück war tatsächlich tragisch. Der Onkel
Peppi hatte in der Aufregung den Apparat nicht schief
genug gehalten und statt des Luftschiffes die eben über die
Altane rennende Kathrin aufgenommen, deren freches Gc-
sicht ihn nun aus dem Bilde angrinste, höhnisch — wie seit
zehn Iahren.
Der Onkel Peppi konnte nie mehr ein so recht begeister-
ter Anhänger des großen Zeppelin werden. F. K.
Einschränkung
„Ihr Mann hat ja jeht das Eiserne Kreuz gekriegt."
„Ia, wegen Tapferkeit vor'm Feind. Mir gegenüber
wollt ich's ihm nicht raten."
Kricgschronik der Meggendorfer-Blättcr, München
— „Dös glaub' i, agrad wia da
Lindenburg!"
Meine persönlichen Erlebnisse mit Zeppelin
Zunächst möchte ich gestehen, daß ich ihn persönlich
überhaupt nicht gekannt habe, denn er verkehrte nicht in
meinen Gesellschaftskreisen, was absolut kein schlechtes Licht
auf seine Kreise wirft, aber auch sür meine Bekannten keine
Beleidigung sein soll. Gesehen habe ich ihn auch nie, denn
ich bin schwächlich und von ängstlicher Natur und hafse
deshalb Volksaufläufe und Verkehrsstockungen, bei denen
man zertreten und erdrückt werden kann. Meine Geschichten
beziehen sich aber doch direkt auf ihn und erlebt wenigstens
habe ich sie persönlich.
Die erste Geschichte spielt im Sommer 1908, als das
Zeppelinluftschiff in Echterdingen zugrunde ging.
Zch war in einer noch ziemlich unentdeckten bayrischen
Sommersrische, die so unbekannt war, daß man sich dort
erholen konnte und so langweilig, daß einem gar nichts
anderes übrig blieb.
Ienes Ereignis aber brachte Leben in die Bude. !lnd
als gar für ein neues Luftschiff gesammelt wurde, da war
auch schon ein Komitee gebildet, das eine Festvorstellung
veranstaltete, zu der Eintrittskarten zu kaufen Anstand und
Patriotismus unbedingt geboten. Ich hatte als Vorstand
des Ausschusses für das Fest ein Lustpiel geschrieben, dessen
Titel „Das Lustschiff" oder „Die Limmelsstürmer" ebenso
deutlich wie witzig auf den Inhalt des Stückes schließen
läßt. Der Erlös des Festes wurde dem Zeppelinluftschiffbau-
fondsunterstützungsverein überwiesen uud ich erhielt als
Komiteevorstand von Graf Zeppelin eine Karte mit per-
sönlicher Llnterschrift. Diese Karte hat heute für mich
höchsten Wert, während mein Lustpiel bestimmt ein
großer Mist war.
Zwei Iahre darauf saß ich in Erlangen und
studierte aufs Examen. Studierte tatsächlich so eifrig,
daß es mir wochenlang nicht eingefallen war aus
dem Fenster zu gucken und zu bemerken, daß vis-a-
vis ein reizendes blondes Mädel am Fenster saß und
nähte. Bis der Ruf durch die Straßen eilte: Der
Zeppelin kommt!
Nun aber rasch ans Fenster und auf die Straße
geschaut. And gegenüber schaute die blonde Eva heraus.
Graf Zeppelin kam gar nicht an jenem Tage.
Aber nach zwei Stunden, als alle andern Leute das
Warten schon aufgegeben hatten und die Straße
wieder leer war, da guckte ich immer noch aus dem
Fenster — und die blonde Eva auch und wir heuchel-
ten immer noch Loffnung, daß der berühmte Mann
doch noch vorbeikommen würde — wenn wir uns
auch schon geraume Zeit nur noch in die Augen
schauten und nicht mehr aus die Straße.
And daß es in jenem Semester nichts mehr war
mit dem Studieren und däß ich das Examen — zum
mindesten das erste Mal — nicht bestand, daran ist
nicht die blonde Eva schuld, sondern — wie sich aus
obigen Erklärungen zweifellos ergibt — im Grunde
genommen der Graf Zeppelin.
Die letzte Geschichte war die mit dem Onkel Peppi.
Der hatte nach zehn Zahren den Mut gefunden,
seine Laushälterin, die ihn ebensolange tyrannisiert
hatte, zu entlassen und stand eben nach dem letzten
Krach in Napoleonspose vor ihr und donnerte ihr
die Worte entgegen: Aus meinen Augen — ich will
Sie nie mehr sehen — nie mehr!
Da schrie es von allen Seiten: Ein Zeppelin!
Ein Zeppelin! Alles andere war sofort vergessen
und jeder hatte den gleichen sür diesen Fall seit
Wochen vorbereiteten Gedanken: Auss Dach — auf
die Waschveranda!
Auch der Onkel Peppi.
Erhaktenoch geistcsgegenwärtig denPhotographenappa-
rat von der Wand und stürzte speicherwärts. Auf der
Altane wimmelte es schon von sämtlichen Lausbewohnern
und schräg über ihr ralterte eben das Luftschiff vorbei. Onkel
Peppi hatte gerade noch Zeit mit aufgeregt zitternden
Länden abzuknipsen.
Drei Tage darauf aß ich bei Onkel Peppi. Er lobte
die neue Köchin und sagte eben: Ich bin ja so froh, daß ich
das freche Gesicht der alten Kathrin nicht mehr zu sehen
brauche, — als der Ausgeher eines Photographenutensilien-
geschäftes die beim Zcppelinbesuch aufgenommene entwickelte
Platte samt Kopie brachte.
Onkel Peppi öffnete freudig erregt das Kuvert, fuhr
aber sofort entsetzt in die Löhe und warf das Bild weit
von sich. Das Anglück war tatsächlich tragisch. Der Onkel
Peppi hatte in der Aufregung den Apparat nicht schief
genug gehalten und statt des Luftschiffes die eben über die
Altane rennende Kathrin aufgenommen, deren freches Gc-
sicht ihn nun aus dem Bilde angrinste, höhnisch — wie seit
zehn Iahren.
Der Onkel Peppi konnte nie mehr ein so recht begeister-
ter Anhänger des großen Zeppelin werden. F. K.
Einschränkung
„Ihr Mann hat ja jeht das Eiserne Kreuz gekriegt."
„Ia, wegen Tapferkeit vor'm Feind. Mir gegenüber
wollt ich's ihm nicht raten."