Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
188 Meggendorfer-Blätter, München

Lnttäuschung

Lr hot sich üorch -ie Zeitung
Gesucht e liewi Fraa;

Sie hot 'm gleich geschriwwe,
Mar heiratsluschtig aa.

Sie hot sich 'n Adonis
Na-ürlich vorgeschtellt, —
Recht schää, un groß, un schtattlich,
Un — Zoll for Zoll e Held.

Un- hot 'm in -em Briefche
Ihr Jugen-bil- geschickt, —

So zart, so schlank, so lieblich, —
Do war 'r ganz entzückt.

Ls hot nit lang ge-auert
s halt so geht, — o mesin),
Do hawwe se verabre--
L kläänes Schtell-ichei(n).

Un wie se sich gesehe,

(Gs war e großer Schreck)

Do rennt er g'schwin- ums ääne
Un sie ums anner Lckl

Lina Sommer

'

Indlskrete Schulaufsätze

gulem Deutsch auszudrücken und klare Darstellungen zu
liefern, aber sie sollten keine peinlich genauen Listoriker
werden. Beinahe schien es mir, als wäre Fräulein Nelke
ein wenig zu neugierig. Daß es ihr nur auf eine Statistik
über die Venuhung der verschiedenen Eisenbahnklafsen an-
kam, war nicht gut denkbar; die liesern überhaupt die Eisen-
bahnen viel genauer als die jungen Besucherinnen der Mäd-
chenschule. And dann: wie Eltern und Kinder bei einem
Ausflug den Bahnhof erreichten, das ging doch Fräulein
Nelke nichts an. Die Eltern erkundigten stch doch auch

nicht, ob Fräulein Nelke schlicht mit der Trambahn oder
großartig mit dem Automobil fuhr.

Wenn ich es nicht ohnehin sür meine Pflicht gehalten
hätte, auf die Schulangelegenheiten meiner Tochter aufzu-
pafsen, — jetzt hätte ich es ganz stcher getan. Der dritte
Aufsatz kam heran: Ein Mittagessen bei uns.

„Labt ihr den Aufsatz schon in der Schule besprochen?"
erkundigte ich mich argwöhnisch, denn dies war zweifellos
-ein Thema, das Fräulein Nelke großartige Gelegenheit bot
zu tiefen Einblicken in die wirtschaftlichen Zustände der
Eltern ihrer Schülerinnen.
 
Annotationen