Kriegschronik der Meggendorfer-Blätter, München
3
Der aute Haushalter Nno Legend-
Jn der Nacht, während wir schlafen, gewinnt bekanntlich
unsere Seele die Fähigkeit, den Menschenleib zu verlassen
und im Weltenraum berumzuspazieren. Da treibt sie dann
allerhand Schabernack, wovon sie im Wachen nicht das
geringste verantworten könnte, katzbalgt sich mit ihren besten
Freunden und unterhält sich aufs sriedlichste mit ihren Tod-
seinden, und wenn dann am nächsten Morgen beim Erwachen
ein Erinnern kommt an dieses unqualisizierbare Benehmen
und der moralische Kater sie packen sollte, dann beschwichtigt
sie sich mit der billigen Ausrede: ich hab'ja „nur" geträumt.
So ist die Seele.
Während einer solchen Traumnacht trennte sich auch
die Seele Iohn Bulls, der in der letzten Zeit gar nicht gut
zu träumen Pflegt, von ihrem irdischen Iohn Bull-Leib
und ging im Weltenraum promenieren. Wen sie da traf?
Llusgerechnet die Seele unseres guten deutschen Michel, die
ebenfalls einen kleinen Nachtspaziergang unternommen hatte,
und die beiden unterhielten sich — so sind die Seelen —
als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen.
Wovon sie sprachen? Da die Iohn Bull-Seele die
Anterhaltung angab, natürlich vom Geld. Wovon sollte
eine Iohn Bull-Seele sonst sprechen!
„Sag mir nur, liebe Michel-Seele, wo nimmst du nur
immer das viele, viele Geld her. Ich habe bei meinen paar
kümmerlichen Anleihen immer wieder den Zinsfuß hinauf-
setzen müssen, um nur etwas zu bekommen, und was ist die
Folge? Die Leute bringen die alte Anleihe und tauschen
sie gegen die neue um. Bringen mir meinen eigenen Dreck
wieder. Aber bar Geld hab' ich bei meiner lehten Anleihe
herzlich wenig zu sehen bekommen. Ich muß mich mit
kurzfristigen Schatzwechseln durchpumpen, daß es ein Elend
ist, und diese Wechsel werden immer teurer. Ich muß mich
wahrhaftig von der Äand in den Mund pumpen. Du hast
immer Geld, und so langfristig, bis in die halbe Ewigkeit.
Wie machst du das bloß?"
„Schau, das kommt daher, liebe Iohn Bull-Seele, weil
du solch ein schlechter Laushalter bist. Wenn du etwas
brauchst, wie zum Beispiel Granaten, um auf mir herum
zu schießen, dann bestellst du es bei den Bazi den Ameri-
kanern, welche ganz genau wiffen, wieviel ihnen ihre
Freundschaft zu dir wert ist, und gibst ihnen dein gutes
Geld dafür, und dann ist das Geld natürlich sutsch. Das
kommt nicht wieder. Da bin ich viel klüger. Schau her,
ich hab' mir da eine Weste mit zwei Taschen bauen lassen.
Wenn ich Geld ausgeben muß, für Schießzeug oder so, da
stecke ich das Geld nur aus einer Tasche in die andere. And
wenn ich dann wieder Geld brauche,
da stecke ich das Geld einfach wieder
aus der andern Tasche in die erste.
Ausgeben tue ich nichts. Auf diese
Weise habe ich immer Geld."
„Das ist aber einfach," staunte
die Iohn Bull-Seele, und ihr großes
Maul wurde vor lauter Staunen
noch viel größer. „Solch eine Weste
will ich mir nur auch gleich bauen
lassen. Da hab' ich dann auch immer
Geld, und da können wir dann noch
recht viele Zahre miteinander Krieg
führen."
„Soll mir recht sein," antwortete
lachend die Michel-Seele. „Rur ver-
giß nicht, die beiden Taschen richtig
anbringen zu laffen. Die eine Tasche
heißt: Kredit beim eigenen Volke, die
An der Somme
- „Mit diesem sürchterlichen Äiebe
werde ich den Deutschen vernichten l
5wppla — ja wo ist denn der Kerl?"
andere heißt: die tüchtige deutsche Kriegsindustrie. Mach'e
nack, wenn du kannst." Murr
Krlegsglossen
Bei der französischen Revolution wurden die Grand-
seigneurs mit Nesseln geschlagen, bei der russischen hat sich
Iohn Bull freiwillig hineingesetzt.
Lluf dem neuzeitlichen Kriegstheater spielen die Ver-
senkungen eine Äauptrolle.
Die Italiener fürchten einen Einfall Lindenburgs, weil
dieser noch immer die besten Einfälle gehabt hat.
Die Armee Sarrails ist in Auflösung begriffen, wodurch
deren rätselhaftes Dasein endlich ge-
klärt ist.
Die Offensive der Entente ist ins
Wasser gefallen, was Englands Vor-
herrschaft zur See aufs neue dartut.
Jn Amerika nimmt das Kriegs-
fieber beständig zu,da sich die Waffer-
behandlung hiergegen als ungünstig
erweist.
Die russischen Großiursten habcn
erklärt, mit Vorliebe in einer Repu-
blik zu leben, wenn möglich in der
französischen.
In Deutschland endlich wird ss»i-
ßig Kriegsanleihe gezeichnet, womit
der Gegner nicht nur im Felde, son-
dern auch aus dem Felde geschlagen
wird. Linz Lein»
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Der aute Haushalter Nno Legend-
Jn der Nacht, während wir schlafen, gewinnt bekanntlich
unsere Seele die Fähigkeit, den Menschenleib zu verlassen
und im Weltenraum berumzuspazieren. Da treibt sie dann
allerhand Schabernack, wovon sie im Wachen nicht das
geringste verantworten könnte, katzbalgt sich mit ihren besten
Freunden und unterhält sich aufs sriedlichste mit ihren Tod-
seinden, und wenn dann am nächsten Morgen beim Erwachen
ein Erinnern kommt an dieses unqualisizierbare Benehmen
und der moralische Kater sie packen sollte, dann beschwichtigt
sie sich mit der billigen Ausrede: ich hab'ja „nur" geträumt.
So ist die Seele.
Während einer solchen Traumnacht trennte sich auch
die Seele Iohn Bulls, der in der letzten Zeit gar nicht gut
zu träumen Pflegt, von ihrem irdischen Iohn Bull-Leib
und ging im Weltenraum promenieren. Wen sie da traf?
Llusgerechnet die Seele unseres guten deutschen Michel, die
ebenfalls einen kleinen Nachtspaziergang unternommen hatte,
und die beiden unterhielten sich — so sind die Seelen —
als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen.
Wovon sie sprachen? Da die Iohn Bull-Seele die
Anterhaltung angab, natürlich vom Geld. Wovon sollte
eine Iohn Bull-Seele sonst sprechen!
„Sag mir nur, liebe Michel-Seele, wo nimmst du nur
immer das viele, viele Geld her. Ich habe bei meinen paar
kümmerlichen Anleihen immer wieder den Zinsfuß hinauf-
setzen müssen, um nur etwas zu bekommen, und was ist die
Folge? Die Leute bringen die alte Anleihe und tauschen
sie gegen die neue um. Bringen mir meinen eigenen Dreck
wieder. Aber bar Geld hab' ich bei meiner lehten Anleihe
herzlich wenig zu sehen bekommen. Ich muß mich mit
kurzfristigen Schatzwechseln durchpumpen, daß es ein Elend
ist, und diese Wechsel werden immer teurer. Ich muß mich
wahrhaftig von der Äand in den Mund pumpen. Du hast
immer Geld, und so langfristig, bis in die halbe Ewigkeit.
Wie machst du das bloß?"
„Schau, das kommt daher, liebe Iohn Bull-Seele, weil
du solch ein schlechter Laushalter bist. Wenn du etwas
brauchst, wie zum Beispiel Granaten, um auf mir herum
zu schießen, dann bestellst du es bei den Bazi den Ameri-
kanern, welche ganz genau wiffen, wieviel ihnen ihre
Freundschaft zu dir wert ist, und gibst ihnen dein gutes
Geld dafür, und dann ist das Geld natürlich sutsch. Das
kommt nicht wieder. Da bin ich viel klüger. Schau her,
ich hab' mir da eine Weste mit zwei Taschen bauen lassen.
Wenn ich Geld ausgeben muß, für Schießzeug oder so, da
stecke ich das Geld nur aus einer Tasche in die andere. And
wenn ich dann wieder Geld brauche,
da stecke ich das Geld einfach wieder
aus der andern Tasche in die erste.
Ausgeben tue ich nichts. Auf diese
Weise habe ich immer Geld."
„Das ist aber einfach," staunte
die Iohn Bull-Seele, und ihr großes
Maul wurde vor lauter Staunen
noch viel größer. „Solch eine Weste
will ich mir nur auch gleich bauen
lassen. Da hab' ich dann auch immer
Geld, und da können wir dann noch
recht viele Zahre miteinander Krieg
führen."
„Soll mir recht sein," antwortete
lachend die Michel-Seele. „Rur ver-
giß nicht, die beiden Taschen richtig
anbringen zu laffen. Die eine Tasche
heißt: Kredit beim eigenen Volke, die
An der Somme
- „Mit diesem sürchterlichen Äiebe
werde ich den Deutschen vernichten l
5wppla — ja wo ist denn der Kerl?"
andere heißt: die tüchtige deutsche Kriegsindustrie. Mach'e
nack, wenn du kannst." Murr
Krlegsglossen
Bei der französischen Revolution wurden die Grand-
seigneurs mit Nesseln geschlagen, bei der russischen hat sich
Iohn Bull freiwillig hineingesetzt.
Lluf dem neuzeitlichen Kriegstheater spielen die Ver-
senkungen eine Äauptrolle.
Die Italiener fürchten einen Einfall Lindenburgs, weil
dieser noch immer die besten Einfälle gehabt hat.
Die Armee Sarrails ist in Auflösung begriffen, wodurch
deren rätselhaftes Dasein endlich ge-
klärt ist.
Die Offensive der Entente ist ins
Wasser gefallen, was Englands Vor-
herrschaft zur See aufs neue dartut.
Jn Amerika nimmt das Kriegs-
fieber beständig zu,da sich die Waffer-
behandlung hiergegen als ungünstig
erweist.
Die russischen Großiursten habcn
erklärt, mit Vorliebe in einer Repu-
blik zu leben, wenn möglich in der
französischen.
In Deutschland endlich wird ss»i-
ßig Kriegsanleihe gezeichnet, womit
der Gegner nicht nur im Felde, son-
dern auch aus dem Felde geschlagen
wird. Linz Lein»