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Kriegschronik der Meggendorfer-Blätter, München

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AmerikanischeS

Das ist eine hübsche Zahl. Wenn diese Chirurgen nur
für amerikanische Soldaten tätig sein wollen, wird aus jeden
von all den Soldaten, die in absehbarer Zeit nach Europa
geschickt werden können, mindestens ein Chirurg kommen.
Vielleicht werden es sogar zwei Chirurgen für jeden Sol-
daten, und dann werden die Pankees mit Stolz sagen können,
daß ihre Kämpfer in sanitärer Linsicht die am besten ver-
sorgten der ganzen Welt sind.

Es ist aber anzunehmen, daß die amerikanischen Chirur-
gen ihre Dienste auch den Ententetruppen widmen werden,
besonders den Engländern. So wäre dann Wilsons Laupt-
zweck erreicht: er will ja mit seinem Kriegszustande englische
Wunden heilen, und die Engländer sollen sich durch seine

Äilse verbunden fühlen.

* *

*

Wilson äußerte sich zu einem vertrauten Freunde über
die Nüstungen der Vereinigten Staaten. „Oho," sagte er
energisch, „wir werden zeigen, was wir können. Ein
gewaltiges Leer werden wir schaffen. Mindestens eine
Million Mann will ich auf die Beine bringen."

Aber der andere war skeptisch. „Ausgeschlossen," sagte
er; „die bringen Sie nicht auf die Beine, — und wenn
Sie sich auf den Kopf stellen."

-i-

-i-

Zu der entscheidenden Sitzung des Kongresses wurden
auf die Tribünen für das Publikum nur ganz sichere Leute
zugelassen, von denen man genau wußte, daß sie tüchtig
jubeln würden. Sonst wäre der Präsident womöglich bei
seiner bedeutsamen Botschaft durch unerfreuliche Zwischen-
fälle gestört worden. Ieder, der hineinwollte, hatte sich erst
eine Legitimationskarte besorgen müssen.

Da aber kam ein §>err an, der dem Pförtner keine
Karte zeigen konnte. „Ich habe sie zu Lause liegen lassen,"
erklärte er; „ich bin der Fabrikant Fitzblack aus Pittsburg."

„Tut mir leid," sagte der Pförtner, „aber ohne ge-
nügende Legitimation kann ich Sie nicht hinein lassen."

Der Lerr besann stch einen Augenblick. Dann holte
er aus der Brusttasche ein Schriftstück. „Bitte, sehn Sie
einmal her, — da habe ich einen Lieserungsvertrag mit der
englischen Regierung: zwei Millionen Granaten."

Da verbeugte fich der Pförtner. „Das genügt, mein
Lerr, — Sie dürfen selbstverständlich hinein."

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*

Neulich sah Frau Wilson in einer ZeitschrifL ein Bild,
auf dem der deutsche Reichskanzler unter anderen Personen
zu sehen war. „Ist der Mann aber groß," sagte sie zu
ihrem Gatten; „er überragt ja die andern alle. Aebrigens,
lieber Woodrow, du hast ja auch eine recht hübsche Länge.
Ich möchte wiffen, wer von euch beiden größer ist."

Da lächelte Wilson. „Ia, jetzt werden wir uns ja
messen."

Zwischen New Pork und Baltimore saßen im Schnell-
zuge drei Pankees zusammen. Der erste zeigte dem zweiten
eine Zeitschrift, während der dritte schlief. In der Zeitschrist
waren Abbildungen von amerikanischen Schiffskanonen.
„Gewaltiges Kaliber," sagte der erste zum zweiten. „Was
meinen Sie: werden die jetzt im Kriege mitreden?"

„Glaube ich nicht," sagte der zweite. „Die Lauptsache
ist, daß unser Mund beim Friedensschluß mitredet."

Da wachte der dritte auf. „Er hatte nur das letzte
Wort des zweiten gehört, sah die Abbildungen in der Zeit-
schrift und meinte: „Sie haben recht; wir werden mit dem
größten Kaliber mitreden."

-i- -t-

-s-

Mister Gerard, der ehemalige amerikanische Botschafter
in Berlin, hat seit seiner Ankunft in den Vereinigten
Staaten nichts anderes zu tun gehabt, als Ansprachen zu
halten und dabei auf Deutschland zu schimpfen. Aeberall
fährt er umher und hält Ansprachen, immer Ansprachen.

Mister Gerard scheint plötzlich ein neues Talent in sich
entdeckt zu haben. Die ganze Zeit, die er bei uns war,
hat er sich jedenfalls nie ansprechend benommen. -on.
 
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