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Zeitschrift für Humor und Kunft 43

Einwand „Last es gehört? Einquartierung krie-

gen wir, ein ganzes Regiment kommt."

„Aber so viel san mir doch hier gar
net Madeln."

Vati tommt Eine Kindergeschichte

von Richard Rteß

Kurz bevor der Vati vom kleinen
Anselm ins Feld gezogen war, hatte es
noch einmal eine tüchlige Tracht Prügel
gesetzt, weil der kleine Bengel zum
Räuberspielen auf den Kinderzobten ge-
gangen war, er mit seinen sechs Iahren,
ohne zu fragen, dritthalb Stunden weit.

Llnd nur der Lausmeisterjunge hatte es
ihm erlaubt. Aber der Vati erkannte
diese Autorität nicht an, obwohl der
Klose August schon neun Iahr alt war.

And so wurde der Räuber denn fest
durchgebleut. Er heulte nicht. Nee, da
kennt ihr ihn schlecht. Wegen der Liebe
nicht. Nur, weil er sich aus Wut dar-
über so arg an den langen blonden
Laaren riß, kamen ihm die Tränen.

Doch solche Tränen gelten nicht als
geheult.

Die Tage, die dieser tragischen Be-
gebenheit folgten, waren sanft und still.

And die Mutti, die sich leis und besorgt
um das Wohl des in den Krieg ziehen-
den Vati mühte, hatte auch nicht den
mindesten Grund, über den Räuber zu
klagen. Er saß stumm bei Tische, sprach
nur, wenn er gefragt wurde, aß seine
Suppe und war mit seinem Anreil am
süßen Nachtisch zusrieden, ohne Extra-
wünsche zu äußern; er sagte immer:
bitte, wenn er von seinem Kindermäd-
chen etwas wollte, ging brav zu Bette,
wenn es halb acht geschlagen hatte, und
erwies sich in seinem ganzen Betragen
als Musterjunge.

„Ich geh' beruhigt fort," sagte der
Vati. „Der Anselm wird immer artig sein! . . . Ich hab'
dasür schon ein wenig vorgesorgt. Nicht wahr, Räuber?"
Der Vati lachte.... !1nd fuhr anderntags nach Frankreich
fort.

Das war noch keine zwei Wochen geschehen, als die
Mutti, die nun auch für den Vati mit erziehen mußte, zu
Anselms Lehrerin kam, um einmal Rücksprache zu nehmen.
Denn das Fräulein Maulhaber hatte in Anselms Schreib-
heft die inhaltschweren Worte gesetzt: „Der Schüler Anselm
ist ein unartiges Kind" (Von den Eltern zu unterschreiben!)
Der Anselm hatte das nicht gelesen. Denn einmal waren
es lateinische Buchstaben, und die konnte er noch nicht gut.
And dann erschien ihm sein Schreibheft als kein sehr ver-
gnügliches Ding, und er war froh, wenn es in seinem
Ranzen lag. Aber die Mutti hatte es zu Gesichte be-
kommen. And den Schrecken könnt ihr euch ausmalen!
und als sie dann zu Fräulein Maulhaber kam, aufgeregt
und „um Gottes willen, was ist denn los?" fragend, da
wurde sie nicht sehr liebenswürdig empfangen.

„Er folgt nicht . . .

„Er gibt nicht Obacht . . .

„Er steckt die anderen Kinder an mit seiner Unart.. .

„Er macht Kleckse in seine Lefte . . .

„Er spricht während des Anterrichts und lacht, wenn
man ihn tadel't ... Lam ... ham ... ham ..."

Fräulein Maulhaber gab dieses Sündenregister stoß-
weise von sich. Weit auf sperrte sie den Mund zwijchen

den einzelnen Sünden, als wollte sie damit ausdrücken, daß
eine immer größer sei als die andere.

Die Mutti aber sagte, der Anselm sei doch so artig
und begabt, und sie könne es gar nicht begreifen. Doch da
setzte Fräulein Maulhaber ihrcn Zwicker gerade und sagte:
Was sie sage, stimme, und sie erwarte Verständnis dafür
in den Elternkreisen und die Erziehung ... ham ... ham . ..
ham ... !lnd die Mütter glaubten stets, daß ihre Sprößlinge
Prinzen seien. !lnd dabei wird kaum der hunderttausendste
einmal ein König.

Das brachte Fräulein Maulhaber sehr zornig heraus.
Denn in der Klaffe war es gerade unruhig, und das
ärgerte sie.

Die Muttt ging sehr erregt heim, und sie dachte daran,
es dem Vati zu schreiben, damit der eine Beschwerde ein-
reiche. Denn man brauche die Kinder doch nicht tyranni-
sieren zu lassen! Der Anselm aber war sehr heftig gegen
die Beschwerde, denn er sagte: Das Fräulein sei sehr ulkig,
weil sie immer so grunze, wenn er mal Dummheiten mache.
And dawil hatte er sich verraten. Denn nun stimmte ja,
was d:e gute Maulhaber gesagt hatte.

„Ich bin die unglücklichste Multer," sagte die Mutti.
„Versprichst du mir, von nun an ein artiges Kind zu sein?"

Der Anselm nickte. Aber nur, weil er ins Spielzimmer
wollte, um einem Zinnsoldaten den Kopf abzuhacken. Denn
der Soldat hatte sich drei Tage lang unter dem Kommod-
kasten versteckt, und der Lausmeisterjunge halte gesagt: Der
 
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