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56 Meggendorfer-Blätter, München

. :

Verdächtige Empfehlung - „Strengste Ehrlichkeit ift bei

mir die Lauptsache, gute Frau."
— „O, da können Sie unbesorgt sein, Lerr. Mein Sohn war bereits in
zehn Geschäften, und überall hat er die Portokasse unter sich gehabt."

Äre derden Areiloerder Ane vergnugte Verwundeten-

geschichte aus der Schwalm (Lessen) von Theodor von Rommel

Es ist gewiß etwas Schönes um die Liebe.

Aber, wenn man den Gegenstand seiner Sehnsucht nicht
von Zeit zu Zeit recht deutlich und — in Gestalt von Feld-
postpäckchen — greifbar vor Augen gerückt bekommt, dann
verblaßt allmählich das schönste Bild.

So erinnerte sich der Lips Wagener wohl noch dunkel,
daß das blonde Aennlieschen in seinem Leimatort ein
hübsches Mädel war, das gut zu küssen verstand und ihm
während der ersten Monate im Feld seine Anhänglichkeit
durch manch leckeres Paket mit hausschlachtener Wurst,
Speck und Tabak (der nur wenig nach dem beigepackten
und ausgelaufenen Zwetschgenwasser schmeckte) bewiesen
hatte.

Aber da diese Erinnerung in der letzten Zeit nicht
mehr aufgefrischt worden war, zerfloß das Bild des
blonden Aennlieschens mehr und mehr im Nebel der
Vergangenheit und machte dem einer brünetten rundlichen
Kathrin Platz.

Die war geheimrätliche Köchin in der Stadt, wo der
Lips als Verwundeter gelegen hatte und als Genesender

spazieren ging — letzteres meist in Begleitung
besagter Kathrin. Die bezeigte ganz offen ihr
Wohlgefallen an dem schmucken Feldgrauen
mit dem steifen rechten Arm und tröstete ihn
über sein Gebrechen, indem sie ihn ermun-
ternde Einblicke in ihr warmes Lerz und ihr
wohlgefülltes Sparbuch tun ließ.

So war es kein Wunder, daß der Lips
sich eingehend nach den Bestimmungen einer
Kriegstrauung erkundigte und gar nicht er-
baut war, als sein seit Wochen festgesetzter
Leimaturlaub herannahte. Am liebsten hätte
er sich davon gedrückt, aber seine Mutter
wußte davon und schrieb ihm: „Liber Lips.
indem daß dein Verleuf kompt. Teil mer
mit, wann daß du kommen tust. Wegen dem
Brot und dem Spek. Denn es gipt Karten
drauf. Aber ich weis one Karte. Auch ein
Luhn von dem Aennlieschen seine Großmuder.
Es sint mer da auch der Lanhenner, der wo
ein Bein ab hat auf der see. Doch geht es
ihm gutt, ist aber furchbar. Was ich auch von
dier hofe. Wier grüßen alle. Deine Muder."

Der Lips kratzte sich mit der linken Land
hinter dem rechten Ohr, versicherte sich, daß
die Kathrin auch gut küssen konnte, und fuhr
auf Arlaub.

Ie näher er der Leimat kam, desto besser
wurde sein Gedächtnis. Das blonde Aenn-
lieschen tauchte darin auf mit seinem kurzen
saltigen Rock, den weißen Strümpfen, dem
steifen Mieder und runden Lessenhäubchen. —
And er hatte den Geschmack der thymian-
gewürzten hausschlachtenen Leberwurst auf
der Zunge ...

Dann fiel ihm der Lanhenner ein. Der
war einmal sein bester Freund gewesen. —
Aber dann hatten sie sich kurz vor dem
Krieg verzankt, ja, einmal auch mörderlich
verprügelt — wegen dem Aennlieschen näm-
lich. Auf die hatte der Lanhenner auch ein
Auge geworfen, und er sah so schmuck aus
mit seiner Matrosenjacke und dem braunen Seemanns-
hals! Das Aennlieschen hatte ihnen beiden zugelacht —
das lachte immer, jeder konnte das auf sich beziehen. And
tat es auch, denn sieben Geißen und zwei bis drei Schweine
sind doch was recht Angenehmes, besonders wenn man das
Läuschen und das Feld dazu rechnete. —

Lm — der Lips grunzte vor sich hin. Schöner als
die Geißen und all das war doch ein Sparbuch! So ein

Sparbuch! Der Lanhenner konnte ja-. Aber ihn, den

Lips, hatte das Aennlieschen doch geküßt, ihm hatte es
Wurst geschickt!

Der Lips suchte den Gedanken, der ihm plötzlich auf-
gestiegen war, zu Ende zu denken, aber der Bummelzug
war fixer als er, der setzte ihn ab, ehe er halb fertig war.
— And am nächsten Tag kam er überhaupt nicht zum
Denken, denn des Begrüßens und Fragens und Erzählens
war kein Aufhören, und saß er mal ruhig bei der Mutter,
so mußte er essen und effen, bis er fast platzte. Das Aenn-
lieschen sah er nur den ersten Abend ganz flüchtig bei der
Begrüßung — hübsch war es noch immer und blond auch,
aber dem Lips war der Geschmack an den Blonden ab-
handen gekommen, und keine hausschlachtene Wurst frischte
ihn auf.
 
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