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Meggendorfer-Blätter, München
— „Das ist unrecht von euch. Weil ihr euch ein interessanles Buch mitgenommen habt,
muß ich auf euch warten und mich langweilen."
— „Du hättest dir ja auch eins mitnehmen können, Käthe."
— „Aber kein intereffantes, — ich darf nur mit langweiligen öffentlich spazieren gehn."
Die Blitz- und Donnerkuh Von e. A. Lennig
Wenn man auf dem Lande lebt, so ist es ganz unver-
meidlich, daß man in innige Fühlung auch mit der Tierwelt
kommt. Manche Leute ziehen sogar deswegen hinaus, um
z. B. den schnatternden Salon für einen schnatternden
Gänsestall einzutauschen und sind so ungalant, dem letzteren
seiner herzersrischenden Natürlichkeit wegen sogar den
Borrang einzuräumen. Manche wieder bescheiden sich mit
gelegentlichen Berllhrungen, wie sie der Zusall oft genug
herbeiführt, und haben ihre genügsame Freude daran. Zu
dieser Gattung gehörten auch wir. Wir brauchten uns
nicht die Mühe zu machen, zur Erhöhung unserer Geselligkeit
einen Tierpark in eigener Negie zu halten; wir hatten
gerade genug an dem, was uns sreiwillig zulief.
Angezählt ist die Schar der jungen und alten, molligen
und siruppigen Katzen, die sich eine Zeitlang bei uns in
Kost gaben und dann, je nach Laune, wieder davon liefen
oder uns treu blieben. Sträunende Lunde aller Raffen
hielten Einkehr bei uns, sremde Tauben und Lühner be-
völkerten unsern §>of, hier und da slog uns ein Kanarien-
vogel zu und einmal hatte uns eine ruchlose Land sogar
einen toten Krebs über den Zaun geworsen. Wir waren
also an diese Art von Gesellschaft gewöhnt und hattcn
unsern Spaß daran.
Wer beschreibt nun unsre Aeberraschung, als wir an einem
Sommerab end aus dem Äause traten und im kleinen Vorgarten
eine dunkle Masse erblickten, die auf den ersten Blick den Ein-
druck eines unsreiwillig niedergegangenen Luftschiffs machte.
„Nein, das ist aber stark, jeyt fliegen uns sogar schon
-" wollte ich eben sagen, als das vermeintliche Luft-
schiff ein langgedehntes, gemütliches „Muh" ausstieß.
„Mein Limmel, eine Kuh!" rief meine Frau.
„Wahrhaftig," erwiderte ich, „eine Kuh!"
„!lnd mitten aus unserm schönen Rosenbeet liegt sie,
das Angeheuer! Meine armen Rosen!"
Das stimmte leider. Lnsres Gartens stolzeste Zier,
unsre beständige Augenweide, der Gegenstand unsrer sorg."
samsten Pflege diente jetzt einer profanen Stallkuh als be-
hagliche Anterlage und was sie nicht mit ihrem wampigen
Bauch erdrückte, zerkaute sie gemütlich in ihrem breiten Maul.
„Jag sie doch fort," trieb meine Frau.
„Ia, da hast du leicht reden," wandte ich ein. „So
eine Kuh ist doch keine Fliege, die man mit einem ,gsckfl in
die Flucht treiben kann."
Meggendorfer-Blätter, München
— „Das ist unrecht von euch. Weil ihr euch ein interessanles Buch mitgenommen habt,
muß ich auf euch warten und mich langweilen."
— „Du hättest dir ja auch eins mitnehmen können, Käthe."
— „Aber kein intereffantes, — ich darf nur mit langweiligen öffentlich spazieren gehn."
Die Blitz- und Donnerkuh Von e. A. Lennig
Wenn man auf dem Lande lebt, so ist es ganz unver-
meidlich, daß man in innige Fühlung auch mit der Tierwelt
kommt. Manche Leute ziehen sogar deswegen hinaus, um
z. B. den schnatternden Salon für einen schnatternden
Gänsestall einzutauschen und sind so ungalant, dem letzteren
seiner herzersrischenden Natürlichkeit wegen sogar den
Borrang einzuräumen. Manche wieder bescheiden sich mit
gelegentlichen Berllhrungen, wie sie der Zusall oft genug
herbeiführt, und haben ihre genügsame Freude daran. Zu
dieser Gattung gehörten auch wir. Wir brauchten uns
nicht die Mühe zu machen, zur Erhöhung unserer Geselligkeit
einen Tierpark in eigener Negie zu halten; wir hatten
gerade genug an dem, was uns sreiwillig zulief.
Angezählt ist die Schar der jungen und alten, molligen
und siruppigen Katzen, die sich eine Zeitlang bei uns in
Kost gaben und dann, je nach Laune, wieder davon liefen
oder uns treu blieben. Sträunende Lunde aller Raffen
hielten Einkehr bei uns, sremde Tauben und Lühner be-
völkerten unsern §>of, hier und da slog uns ein Kanarien-
vogel zu und einmal hatte uns eine ruchlose Land sogar
einen toten Krebs über den Zaun geworsen. Wir waren
also an diese Art von Gesellschaft gewöhnt und hattcn
unsern Spaß daran.
Wer beschreibt nun unsre Aeberraschung, als wir an einem
Sommerab end aus dem Äause traten und im kleinen Vorgarten
eine dunkle Masse erblickten, die auf den ersten Blick den Ein-
druck eines unsreiwillig niedergegangenen Luftschiffs machte.
„Nein, das ist aber stark, jeyt fliegen uns sogar schon
-" wollte ich eben sagen, als das vermeintliche Luft-
schiff ein langgedehntes, gemütliches „Muh" ausstieß.
„Mein Limmel, eine Kuh!" rief meine Frau.
„Wahrhaftig," erwiderte ich, „eine Kuh!"
„!lnd mitten aus unserm schönen Rosenbeet liegt sie,
das Angeheuer! Meine armen Rosen!"
Das stimmte leider. Lnsres Gartens stolzeste Zier,
unsre beständige Augenweide, der Gegenstand unsrer sorg."
samsten Pflege diente jetzt einer profanen Stallkuh als be-
hagliche Anterlage und was sie nicht mit ihrem wampigen
Bauch erdrückte, zerkaute sie gemütlich in ihrem breiten Maul.
„Jag sie doch fort," trieb meine Frau.
„Ia, da hast du leicht reden," wandte ich ein. „So
eine Kuh ist doch keine Fliege, die man mit einem ,gsckfl in
die Flucht treiben kann."