Zeitschrift für Humor und Kunst 89
Dte Kriegsbriketts
hatte, mit der die anderen nicht immer recht
mitkonnten, und dem es offenbar impertinent
gut ging. Er erklärte, jetzt in Europa bleiben
zu wollen, mietete sich eine nach den Begriffen
der Frau Baurat für einen Iunggesellen viel
zu große Wohnung und ließ alsbald an seinem
Laustor ein Schild anbringen mit seinem
Namen und dem Zusatz Agentur. Du lieber
Limmel, was nennt sich nicht alles „Agentur".
Das war wieder einmal so eine geheimnisvolle
Sache, mit der man sich nicht recht auskannte.
Offenbar keine ganz saubere Sache, denn Onkel
Christian arbeitete im Grunde wohl überhaupt
nicht, und so viel Geld, wie er immerhin aus°
gab. kann man nur mit einer Sache verdienen,
die nicht ganz sauber ist. Onkel Christian ge-
hörte eben zu den Menschen — bei dieser
Formel hatte Frau Baurat längst resigniert —
die „nie hart Äolz bohren und immer weich
gebettet sind". Wie hatte ihr armer Gustel
sich dagegen abplagen müffen! Erst mit dreißig
Iahren, als sie bereits verheiratet waren, hatte
er es sich ermöglichen können, die Lochschule
noch nachzuholen — denn die Familie war
nicht reich, und ursprünglich hatte er nur die
mittlere Baukarriere einschlagen können. Dann
die lange Wartezekt im städtischen Dienst.
Inzwischen waren die drei Mädels gekommen,
Lili, Mimi und Zizi. Davon hieß übrigens
nur die erste wirklich so; als das Zweite unter-
wegs war, wünschte sich der Lerr des Lauses
brennend gern einen Sohn, und nur für einen
Sohn hatte er den schönsten Namen parat —
die Möglichkeit einer zweiten Tochter durfte
gar nicht erwogen werden. Als es dann doch
ein Mädchen war und das Kind da war und
seinen Namen haben wollte, da sagte der Vater
mit bitterem Äumor: „ich fahre im Alphabet fort" und
nannte sie Mimi. Im Geburtsregister aber wurde sie ein-
getragen als Mathilde. And als dann das Dritte kam und
wieder ein Mädchen war, da schrie der Äerr Baurat schon
recht wütend: „Schluß des Alphabets l" So ergab sich mit
mathematischer Logik der Name Zizi. Dem Standesbeamten
aber wurde der schöne Name diktiert: Caecilie. — Nun ja,
die Mädels waren da und alles war schön und gut, wenn
sie nur nicht so schrecklich viel Geld gekostet hätten. Onkel
Christian, dieser feige Egoist, der jeder Last auswich, der
hatte natürlich nicht geheiratet. (Die Frau Baurat merkte
gar nicbt, wieviel Selbstkritik ihres eigenen Geschlechts
in solchem Urteil enthalten war.) Dies war ja auch der
Grund, weshalb man dem Lerrn Schwager gegenüber
immer schön tun und ihm als „Onkel" schmeicheln mußte,
und weshalb die Frau Baurat alle diese Dinge, die wir
hier berichten, jedem anderen Menschen erzähste, nur dem
Schwager selbst nicht, dem sie sie doch am liebsten ins Ge-
sicht gesaqt hätte: weil er immerhin als Erbonkel der Fa-
milie in Betracht kam. Ob da wirklich etwas zu erben war,
wer wußte denn Bescheid? Llnd wer stand denn dafür, daß
der alte Äagestolz nicht eines Tages sich noch selbst auf
die Freierfüße aafmachen würde? Aber übr'gens, warum
sollte der ledige Onkel nicht in der Verwandrschaft Llmschau
halten? Ihre Aclteste, die Lili, war nun schon beinah hei-
ratsfähig und war, wie alle drei, sehr häuslich und ordentlich
erzvgen. Ehen zwischen Onkel und Richten waren ja jetzt
„Möchten Sie nicht einen von denen herauf-
schicken — weil mein Peterl gar so schreit."
gestattet und sollen sich recht gut bewährt haben. Aber
das waren so Gedanken — wer weiß, ob Onkcl Christian
je an etwas Aehnliches auch nur von ferne gedachr hatte.
Immerhin, man durfte es mit dem Lerrn Schwager jeden-
falls nicht verderben.
Nein, verderben durfte man es nicht mit ihm, aber man
durfte ihm schon gelegentlich nahelegen, wie gut es ihm ging,
und wie schwer die andern es dagegen hatten. Namentlich
wer Familie hat jetzt im Kriegel Als der Krieg ausbrach
war Onkel Christian fünfundvierzig, und Frau Vaurat
hätte es ihrem Schwager voll gegönnt, daß er jetzt noch die
verspätete Quittung für das nicht erlangte Einjährige be-
kommen hätte und als ganz gewöhnlicher Landfturmmann
eingezogen worden wäre. Aber dieser Mensch hatte eben
immer Glück im Leben. Es stellte sich heraus, daß er eigentlich
sechsundvierzig war und genau am 31. Dezember 68 ge-
boren war. Gerade, ehe es geschnappt hatte! So brauchte
er also nicht einzurücken, sondern blieb auf dem Sofa liegen
und las den Krieg in der Zeitung. Tat überhaupt, als
wenn der Krieg ihn gar nicht berührte. Während andere
sich plagen mußten, um durchzukommen, namentlich wenn
man Familie hat. Aber ab und zu sollte der feige Egoist
doch zu sehen bekommen, wie es anderen zumute ist, die
nicht so weich gebettet sind. Frau Baurat hielt es direkt
für ihre sittliche Pflicht, ihm zu zeigen, wie schwer es jetzt
eine Familie hat. Ihm, der natürlich im Restaurant aß und
fich nichts abgehen ließ.
Dte Kriegsbriketts
hatte, mit der die anderen nicht immer recht
mitkonnten, und dem es offenbar impertinent
gut ging. Er erklärte, jetzt in Europa bleiben
zu wollen, mietete sich eine nach den Begriffen
der Frau Baurat für einen Iunggesellen viel
zu große Wohnung und ließ alsbald an seinem
Laustor ein Schild anbringen mit seinem
Namen und dem Zusatz Agentur. Du lieber
Limmel, was nennt sich nicht alles „Agentur".
Das war wieder einmal so eine geheimnisvolle
Sache, mit der man sich nicht recht auskannte.
Offenbar keine ganz saubere Sache, denn Onkel
Christian arbeitete im Grunde wohl überhaupt
nicht, und so viel Geld, wie er immerhin aus°
gab. kann man nur mit einer Sache verdienen,
die nicht ganz sauber ist. Onkel Christian ge-
hörte eben zu den Menschen — bei dieser
Formel hatte Frau Baurat längst resigniert —
die „nie hart Äolz bohren und immer weich
gebettet sind". Wie hatte ihr armer Gustel
sich dagegen abplagen müffen! Erst mit dreißig
Iahren, als sie bereits verheiratet waren, hatte
er es sich ermöglichen können, die Lochschule
noch nachzuholen — denn die Familie war
nicht reich, und ursprünglich hatte er nur die
mittlere Baukarriere einschlagen können. Dann
die lange Wartezekt im städtischen Dienst.
Inzwischen waren die drei Mädels gekommen,
Lili, Mimi und Zizi. Davon hieß übrigens
nur die erste wirklich so; als das Zweite unter-
wegs war, wünschte sich der Lerr des Lauses
brennend gern einen Sohn, und nur für einen
Sohn hatte er den schönsten Namen parat —
die Möglichkeit einer zweiten Tochter durfte
gar nicht erwogen werden. Als es dann doch
ein Mädchen war und das Kind da war und
seinen Namen haben wollte, da sagte der Vater
mit bitterem Äumor: „ich fahre im Alphabet fort" und
nannte sie Mimi. Im Geburtsregister aber wurde sie ein-
getragen als Mathilde. And als dann das Dritte kam und
wieder ein Mädchen war, da schrie der Äerr Baurat schon
recht wütend: „Schluß des Alphabets l" So ergab sich mit
mathematischer Logik der Name Zizi. Dem Standesbeamten
aber wurde der schöne Name diktiert: Caecilie. — Nun ja,
die Mädels waren da und alles war schön und gut, wenn
sie nur nicht so schrecklich viel Geld gekostet hätten. Onkel
Christian, dieser feige Egoist, der jeder Last auswich, der
hatte natürlich nicht geheiratet. (Die Frau Baurat merkte
gar nicbt, wieviel Selbstkritik ihres eigenen Geschlechts
in solchem Urteil enthalten war.) Dies war ja auch der
Grund, weshalb man dem Lerrn Schwager gegenüber
immer schön tun und ihm als „Onkel" schmeicheln mußte,
und weshalb die Frau Baurat alle diese Dinge, die wir
hier berichten, jedem anderen Menschen erzähste, nur dem
Schwager selbst nicht, dem sie sie doch am liebsten ins Ge-
sicht gesaqt hätte: weil er immerhin als Erbonkel der Fa-
milie in Betracht kam. Ob da wirklich etwas zu erben war,
wer wußte denn Bescheid? Llnd wer stand denn dafür, daß
der alte Äagestolz nicht eines Tages sich noch selbst auf
die Freierfüße aafmachen würde? Aber übr'gens, warum
sollte der ledige Onkel nicht in der Verwandrschaft Llmschau
halten? Ihre Aclteste, die Lili, war nun schon beinah hei-
ratsfähig und war, wie alle drei, sehr häuslich und ordentlich
erzvgen. Ehen zwischen Onkel und Richten waren ja jetzt
„Möchten Sie nicht einen von denen herauf-
schicken — weil mein Peterl gar so schreit."
gestattet und sollen sich recht gut bewährt haben. Aber
das waren so Gedanken — wer weiß, ob Onkcl Christian
je an etwas Aehnliches auch nur von ferne gedachr hatte.
Immerhin, man durfte es mit dem Lerrn Schwager jeden-
falls nicht verderben.
Nein, verderben durfte man es nicht mit ihm, aber man
durfte ihm schon gelegentlich nahelegen, wie gut es ihm ging,
und wie schwer die andern es dagegen hatten. Namentlich
wer Familie hat jetzt im Kriegel Als der Krieg ausbrach
war Onkel Christian fünfundvierzig, und Frau Vaurat
hätte es ihrem Schwager voll gegönnt, daß er jetzt noch die
verspätete Quittung für das nicht erlangte Einjährige be-
kommen hätte und als ganz gewöhnlicher Landfturmmann
eingezogen worden wäre. Aber dieser Mensch hatte eben
immer Glück im Leben. Es stellte sich heraus, daß er eigentlich
sechsundvierzig war und genau am 31. Dezember 68 ge-
boren war. Gerade, ehe es geschnappt hatte! So brauchte
er also nicht einzurücken, sondern blieb auf dem Sofa liegen
und las den Krieg in der Zeitung. Tat überhaupt, als
wenn der Krieg ihn gar nicht berührte. Während andere
sich plagen mußten, um durchzukommen, namentlich wenn
man Familie hat. Aber ab und zu sollte der feige Egoist
doch zu sehen bekommen, wie es anderen zumute ist, die
nicht so weich gebettet sind. Frau Baurat hielt es direkt
für ihre sittliche Pflicht, ihm zu zeigen, wie schwer es jetzt
eine Familie hat. Ihm, der natürlich im Restaurant aß und
fich nichts abgehen ließ.