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98

Kricgschronik der Ä?eggendorfer-Blätter, Äs!ünchen

Der Märchenerzähler Gerard


Münchhausen: „Muß ich mir von dem win-
digen Amerikaner uoch was vorlügen lassen."

Kontrolle

Mister Kennedy Ione-, der Generaldirektor der Nah-
rungsmittelersparnis in England, hat erklärt: Wenn jeder-
mann mittut, sind Lebensmittelkarten nicht notwendig.
Niemand braucht zu verhungern, weun jeder sein eigener
Nahrungskontrolleur ifi. —

Man sieht, daß Mister Iones die Schwierigkeiten der
Lebensmittelversorgung in Blockadezeiten noch nicht richtig
beurteilt. Er schlägt einen ganz falschen Weg der Kon-
trolle vor. Richtig ist schon, daß derjenige, der kontrolliert,
nicht hungert; aber dann hungert gewöhnlich irgend ein
anderer, und das ist ungerecht, denn der Mangel soll alle
gleichmäßig treffen. Wer sich selbst kontrolliert, wird sich
selbst auch zu viel durchgehen laffen. Es muß uicht heißen:
Ieder soll sein eigener Nah-
rungskontrolleur sein! Die
beste Verordnung ist: Ieder
soll der Nahrungskontrolleur
seines Nächsten seinl Dann
wird ganz erstaunlich an den
Lebensmitteln gespart werden.

—orr.

April 1917

Vornehm

— „Ihr Sohn ist ja jetzt auch
eingezogen, Frau Kugelmüller,
wo dient er denn?"

— «Beim Terrain."

Aehnliche Form

Professor: „Rate, was ich
hier aufgestöbert habe? Nun,
an der Form mußt du es doch
erkennen — eine Geige — eine
echte Amati!"

Gattin (enttäuscht): „Ach, und
ich dachte, es sei . . .. ein
Schinken I"

— „Sechs Töchter habe ich nun verheiratet; aber so
billig ist mir die Aussteuer noch nie gekommen."

Republikanisches Gefängniswesen

Die Zeitung „Birschewija Wjedomosti" teilt mit: Die
im Gefängnis zu Odeffa internierten Sträflinge haben die
Selbstverwaltung eingeführt. Die Wächter sind entfernt
worden, und die Strafgefangenen haben aus ihren Reihen
eigene Vorgesetzte gewählt; diese haben das Necht, nach
Belieben in der Stadt zu verkehren. Die Zellen werden
jetzt nicht mehr verschlossen, da die Gefangenen ihr Ehren-
wort gegeben haben, sich den Anordnungen der selbstge-
wählten Verwaltung zu fügen. Auf einer Versammlung
der Gefangenen wurde einstimmig beschlossen, die neue
Negierung anzuerkennen.-

Da kann sich die neue Negierung aber tüchtig sreuen,
daß die Sträflinge fie anerkannt haben. Es wäre für sie
ein schwerer Schlag gewesen, wenn die Gefangenen sich-
für das alte Regiment erklärt und den Zaren wieder auf
den Thron hätten haben wollen. Daß sie das nicht getan
haben, ist freilich sehr unkollegial von ihnen. Denn der
Zar ist doch jetzt auch ein Gefangener.

Vortrefflich dagegen scheint die neue Organisation, die
von den Lerren in ihrem Gefängnis eingeführt worden ist.
Ieder häßliche äußere Zwang durch Direktor, Schließer,
Wächter, Niegel, Gitter usw., der bisher den Aufenthalt
in Gefängniffen so unangenehm machte, fällt nun fort. Da
dies Prinzip jedenfalls ganz streng durchgeführt werden
wird, ist auch anzunehmen, daß künftig ein frisch Verurteilter
nicht mehr durch Schub mit dem Gendarmen nach dem Ge-
fängnis gebracht wird. Er wird sich vielmehr freiwillig
und allein dorthin begeben. Dies hat den großen Vorteil,
daß nun die Sträflinge auch immer bestimmt im Gefängnis
anlangen; es wird nicht mehr vorkommen, daß einer unter-
wegs ausreißt. Denn man rückt wohl einem Gendarmen
aus, aber doch nicht sich selbst.

Zu Vorgesetzten werden die Gefangenen natürlich die
angesehenstenKollegen wählen, nicht etwa armseligeSchächer,
die wegen einer Kleinigkeit ein paar Monate abzumachen
haben, sondern Leute, die etwas Ordentliches begangen und
viele Iahre zudiktiert bekommen haben, — schon damit bei
diesen so wichtigen Posten nicht zu häufig ein Wechsel eintritt.
Deshalb wären am meisten geeignet diejenigen, die lebens-
länglich sihen sollen, also Raubmörder und ähnliche Ver-

brecher, an denen, da die neue
Republik die Todesstrafe ab-
geschafft hat, künstig in den
Gefängniffen kaum Mangel
sein wird.

Solche Vorgesetzte werden
sich auch am besten bei den
übrigen Gefangenen in Re-
spekt zu setzen wissen. Wenn
aber nun einmal ein Gefange-
ner doch nicht gehorchen will?
Wenn er gar sein Ehrenwort
bricht und das Gefängnis un-
befugt verläßt?

Dann gibt es ein ganz ein-
faches Mittel: Solch ein Ge-
fangenerwird eben eingesperrt

Plro

Großartig

Freundin: „Du willst deine
Lerrschaft verlaffen?"
Dienstmädchen:„Ia! Mor-
gen schon werde ich meine
Päffe sordern."
 
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