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Zeitschrift für Humor und Kunst 107

Die Geprüfte

' Sie hatte arge Angst vor dem ersten
Examen. Es war eine Vorprüfnng für an-
gehende Lehrerinnen. In einem alten Saal
fand sie statt, dessen trübgerauhte Wände schon
an die tausend Examen in sich hineingeschwitzt
hatten. And dann stand sie da mit angst-
geöffnetem Mund, um das Ergebnis zu ver-
nehmen. . .

„Elsa Graf hat mit Auszeichnung be-
standen," scholl es im Widerhall von den trüb-
gerauhten Wänden. Ein Wandkalksplitterchen
löste sich und wurde mit einem großen Atem-
zuge der „Bestandnen" durch die Nase ins
Gehirn hinaufgezogen. Dort rann es ein ins
Vlut und zeugte den Examenskoller. Elsa
Gras konnte von jetzt ab nicht genug Examen
kriegen.

Sie machte das zweite Vorexamen mit
voller Ruhe, das erste Lauptexamen mit Ver-
gnügen und das zweiteLauptexamenmit Wonne.

Damit war sie fix und sertig ausgebildet. Aber
sie war nicht zufrieden. Laut Schuldienstplan
ausgebildet wurden schließlich alle Lehrerinnen.

Sie aber wollte was besondres.

Also machte sie noch ein Spezialexamen
für Französisch. Dann ein Spezialexamen für
Englisch. Dann ein Rigorosum für Französisch
und Englisch zusammen. Dann ein Extra-
examen für künftige Lochschullehrerinnen.

Dann schaute sie sich um — es war kein Examen
mehr da auf weiter Flur, das sie noch hätte
machen können. Darüber war sie traurig.

Sie ging zum Ministerialreferenten und
fragte, ob nicht die Einsührung neuer Examen
in Aussicht stände.

„Ia, vom nächsten Ostern ab werden die
Bedingungen fürdieSpezialexamenverschärft,"
hieß es. Also machte sie die verschärften Spe-
zialexamen nach.

Darüber war sie alt geworden. Alt aber nicht examens-
satt. „Man hat doch jetzt eine ganz andre Grundlage,"
pflegte sie nach jeder Prüfung zu sagen und spähte examens-
hungrig schon nach dcr nächsten Grundlage aus.

Ihr Examensruhm ging weit im Lande um. Die
Mütter ermahnten ihre Töchter: „Seht ihr, da ist eine, die
mehr Examen hat, als ihr Finger habt an euren Äänden."

„And sonst?" fragte eine blutjunge Lehramtskandidatin.

„Sonst? Sonst nichts, du dummes Ding."

„Jch bin nicht so dumm, Mutter, als sie armselig ist."

„Armselig? Mit elf Examen armselig?"

„Du sagtest doch, sie hätte weiter nichts . . ."

Am diese Zeit ging die Elsa Graf zum zweitenmal zum
Ministerialreferenten und fragte, ob sie nicht noch ein für
sie besonders konstruiertes Examen ablegen dürse, sie habe
das Gefühl, als ob ihr das noch fehle. Der Reserent sah
sie lange an und sagte:

„Ia, Fräulein Graf, das Gefühl habe ich auch — Ihnen
fehlt die lebendige Anwendung Ihrer Examen, die Mädchen-
klasse."

„Ach so, darauf vergaß ich . . ."

Elsa Gras unterrichtete seit einem halben Iahre. Sie
war der Stolz des Instituts. „And denken Sie,"' erzählte
die Vorsteherin, „ich habe eine mit elf Examen . . ."

„Lörst du, Mama, wie es in dem Laus summt;
ist gewiß ein französischer Flieger gefangen."

Aber als die Prüfungen an dieser Anstalt stattfanden,
schnitt Elsa Grafs Klasse am schlechtesten ab. Erstaunen.
Schreiberei. Besuch ihrer Klasse durch den, obersten Schul-
rat. Verkündigung des Ergebniffes durch den Schulrat
im Beratungszimmer:

„Ich dachte es mir — sie weiß zu viel."

Elsa Graf verließ den Schuldienst. Zerfallen mit dem
Leben, griesgrämig und gebeugt geht sie durch die Straßen.
Manchmal bleibt jemand stehen und sieht ihr nach:

„Ia ja, eine Schwergeprüfte . . ." F. M. Z.

Der schuldige Wirt

G ast (dessen Frau eben wie eine Furie hereingestürzt koinmt, entrüstet):
„Äerr Wirt, vor einer halben Stunde wollten Sie mich
schon hinauswerfenl"

Kontrolleur der Vizinalbahn: „War das nicht zu ver-
meiden? Sie haben ja gestern in Blunzenhausen den Mops
der Schulzin überfahren?"

Maschinenführer: „Ach, was sie dort allcs mit unserer
Bahn die letzte Zeit getrieben haben, es war höchste Zeit,
daß wir uns wieder a mal a bisserl Nespekt verschafft haben!"

da
 
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