ZeitschrifL für Humor und Kunst 139
Eine Lasengeschichte
Ich kann mich doch net ganz ruinieren!"
meinte die §)ändlerin Biersack mit der trüb-
seligen Miene eines Bankrottierers, so daß sich
Frau Zollrevisor Lobesang zum Schluß auf-
richtig schämte, diesen für die damaligen Ver-
hältnisse augenscheinlich sehr billigen Äasen
teuer gefunden zu haben. Und so entschloß
sie sich endlich, den Lasen zu erstehen, nachdem
sie ihn dreimal besichtigt und nach jeder Be-
sichtigung einen ein Viertelstündchen dauern-
den Aeberlegungsspaziergang gemacht hatte.
Als Zollrevisor Lobesang des Abends nach
Äause kam, wäre er vor Entzücken fast wahn-
sinnig geworden. Erst als ihm seine Frau
etwas schüchtern den Preis mitteilte, kam er
wieder zur Vernunft. Er legte den Lasen
auf die Wage und berechnete, daß sür den
Fall der Emfuhr aus dem Ausland an Zoll
allein eine Mark und sechzig Pfennig zu ent-
richten gewesen wären. Im Verhältnis dazu
dünkte ihm bei der allgemeinen Teuerung der
Preis nicht gar zu übermäßig, weshalb er
allmählich wieder in srohe Stimmung kam.
Seine Frau hatte ihm gerade das Meffer
in die Land gegeben und war eben im Be-
griff, ihm eine Schürze umzubinden, denn
jeder Lase, den Frau Zollrevisor Lobesang
noch zubereitet hatte, war von ihrem Manne
eigenhändig abgezogen worden. And diesmal
sollte es nicht anders sein.
Da läutete es. Der Briefträger wünschte
„Guten Abend" und gab eine an Frau Led-
wig Lobesang adressierte Karte ab, welche diese
sofort laut vorlas: „Liebe Nichte! Bei uns in
der Großstadt geht es mit den Fleischmarken
etwas knapp her. Und Lasen, die man
beispielsweise ohne Fleischmarken bekommen
könnte, sind hier einfach nicht auszutreiben.
Aber Deines Mannes Tante Emilie, die mich Ausficht
neulich besucht hat, teilte mir mit, daß sie bei
Euch draußen ganz leicht zu bekommen wären.
Sei doch so gut und besorge mir in nächster
Zeit ein solches Tier in geschossenem Zustand.
Womöglich soll es sehr groß sein. Den Preis teile mir per
Postkarte mit, dann werde ich das Geld sofort abschicken.
Vielen Dank im voraus!
Grüße an Dich und Deinen Mann von Tante Kußmaul."
Zollrevisor Lobesang legte sofort das Messer auf den
Tisch. Seine Frau machte es mit der Karte gerade so.
Dann band sie ihm mechanisch die Schürze wieder ab. And
nun schauten beide auf den an der Fensterolive hängenden
Lasen wie etwa zwei Auswanderer auf die in Ferne und
Nebel verschwindenden heimatlichen Gestade.
Tante Kußmaul war nämlich die Besitzerin eines sehr
beträchtlichen Vermögens. And zwar konnte außer einer
angenommenen Pflegetochter nur Frau Zollrevisor Lobe-
sang als Erbin in Betracht kommen. Einer solchen noch
nicht ganz sicheren Erbtante mußte natürlich sofort jeder
Wunsch von den Augen abgelesen, mindestens aber, sobald
er geäußert war, sofort erfüllt werden. Im vorliegenden
Falle blieb also nichts anderes übrig, als den Lasen auf
der Stelle zu verpacken und mit der Post an Tante Kuß-
maul in Rürnberg zu schicken.
Dies geschah denn auch noch am selben Llbend.
— „Wenn erst wieder ein Iahr Frieden gewesen sein
wird, — die Menge dicke Leut', die man da sehn wird!
Da werden sie alle, um's nachzuholen, zu viel effen."
Als Kaufpreis aber verlangte Frau Zollrevisor Lobe-
sang schlauerweise nur acht Mark, denn Tante Kußmaul
war eine sehr sparsame Frau, was sich ganz von selbst ver-
steht, denn wie hätte sie sonst ihr beträchtliches Vermögen
zusammenbringen können. And dieser Sparsamkeit mußte
entgegengekommen werden. Außerdem aber überlegte Frau
Zollrevisor Lobesang, daß sich Tante Kußmaul bei diesem
für die jetzigen Zeiten sicher sehr geringen Preis zweifellos
sagen müsse: „Meine Nichte gibt doch wenigstens ihr Geld
nicht umsonst aus. Bei dieser wäre mein Kapital einmal
in guten Länden!"
Vier Tage später, an Lobesangs Geburtstag, gerade
als er statt des an Tante Kußmaul abgeschickten Lasen
einen von seiner Frau zusammengekneteten verzehrte, läutete
der Postbote wieder:
„Ein Brief von Tante Kußmaul!" rief Frau Zoll-
revisor Lobesang.
„Lies ihn doch gleich vor!" meinte Lerr Zollrevisor Lobe-
sang, der nicht gerne aufhörte, wenn er einmal beim Essen war.
Amsoweniger jetzt, wo er sich schon als halber Llniversalerbe
fühlte. So las Frau Zollrevisor Lobesang den Brief:
Eine Lasengeschichte
Ich kann mich doch net ganz ruinieren!"
meinte die §)ändlerin Biersack mit der trüb-
seligen Miene eines Bankrottierers, so daß sich
Frau Zollrevisor Lobesang zum Schluß auf-
richtig schämte, diesen für die damaligen Ver-
hältnisse augenscheinlich sehr billigen Äasen
teuer gefunden zu haben. Und so entschloß
sie sich endlich, den Lasen zu erstehen, nachdem
sie ihn dreimal besichtigt und nach jeder Be-
sichtigung einen ein Viertelstündchen dauern-
den Aeberlegungsspaziergang gemacht hatte.
Als Zollrevisor Lobesang des Abends nach
Äause kam, wäre er vor Entzücken fast wahn-
sinnig geworden. Erst als ihm seine Frau
etwas schüchtern den Preis mitteilte, kam er
wieder zur Vernunft. Er legte den Lasen
auf die Wage und berechnete, daß sür den
Fall der Emfuhr aus dem Ausland an Zoll
allein eine Mark und sechzig Pfennig zu ent-
richten gewesen wären. Im Verhältnis dazu
dünkte ihm bei der allgemeinen Teuerung der
Preis nicht gar zu übermäßig, weshalb er
allmählich wieder in srohe Stimmung kam.
Seine Frau hatte ihm gerade das Meffer
in die Land gegeben und war eben im Be-
griff, ihm eine Schürze umzubinden, denn
jeder Lase, den Frau Zollrevisor Lobesang
noch zubereitet hatte, war von ihrem Manne
eigenhändig abgezogen worden. And diesmal
sollte es nicht anders sein.
Da läutete es. Der Briefträger wünschte
„Guten Abend" und gab eine an Frau Led-
wig Lobesang adressierte Karte ab, welche diese
sofort laut vorlas: „Liebe Nichte! Bei uns in
der Großstadt geht es mit den Fleischmarken
etwas knapp her. Und Lasen, die man
beispielsweise ohne Fleischmarken bekommen
könnte, sind hier einfach nicht auszutreiben.
Aber Deines Mannes Tante Emilie, die mich Ausficht
neulich besucht hat, teilte mir mit, daß sie bei
Euch draußen ganz leicht zu bekommen wären.
Sei doch so gut und besorge mir in nächster
Zeit ein solches Tier in geschossenem Zustand.
Womöglich soll es sehr groß sein. Den Preis teile mir per
Postkarte mit, dann werde ich das Geld sofort abschicken.
Vielen Dank im voraus!
Grüße an Dich und Deinen Mann von Tante Kußmaul."
Zollrevisor Lobesang legte sofort das Messer auf den
Tisch. Seine Frau machte es mit der Karte gerade so.
Dann band sie ihm mechanisch die Schürze wieder ab. And
nun schauten beide auf den an der Fensterolive hängenden
Lasen wie etwa zwei Auswanderer auf die in Ferne und
Nebel verschwindenden heimatlichen Gestade.
Tante Kußmaul war nämlich die Besitzerin eines sehr
beträchtlichen Vermögens. And zwar konnte außer einer
angenommenen Pflegetochter nur Frau Zollrevisor Lobe-
sang als Erbin in Betracht kommen. Einer solchen noch
nicht ganz sicheren Erbtante mußte natürlich sofort jeder
Wunsch von den Augen abgelesen, mindestens aber, sobald
er geäußert war, sofort erfüllt werden. Im vorliegenden
Falle blieb also nichts anderes übrig, als den Lasen auf
der Stelle zu verpacken und mit der Post an Tante Kuß-
maul in Rürnberg zu schicken.
Dies geschah denn auch noch am selben Llbend.
— „Wenn erst wieder ein Iahr Frieden gewesen sein
wird, — die Menge dicke Leut', die man da sehn wird!
Da werden sie alle, um's nachzuholen, zu viel effen."
Als Kaufpreis aber verlangte Frau Zollrevisor Lobe-
sang schlauerweise nur acht Mark, denn Tante Kußmaul
war eine sehr sparsame Frau, was sich ganz von selbst ver-
steht, denn wie hätte sie sonst ihr beträchtliches Vermögen
zusammenbringen können. And dieser Sparsamkeit mußte
entgegengekommen werden. Außerdem aber überlegte Frau
Zollrevisor Lobesang, daß sich Tante Kußmaul bei diesem
für die jetzigen Zeiten sicher sehr geringen Preis zweifellos
sagen müsse: „Meine Nichte gibt doch wenigstens ihr Geld
nicht umsonst aus. Bei dieser wäre mein Kapital einmal
in guten Länden!"
Vier Tage später, an Lobesangs Geburtstag, gerade
als er statt des an Tante Kußmaul abgeschickten Lasen
einen von seiner Frau zusammengekneteten verzehrte, läutete
der Postbote wieder:
„Ein Brief von Tante Kußmaul!" rief Frau Zoll-
revisor Lobesang.
„Lies ihn doch gleich vor!" meinte Lerr Zollrevisor Lobe-
sang, der nicht gerne aufhörte, wenn er einmal beim Essen war.
Amsoweniger jetzt, wo er sich schon als halber Llniversalerbe
fühlte. So las Frau Zollrevisor Lobesang den Brief: