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Zeitschrift für Humor und Kunst
Der „verrechnete" Arlaub V°n Tb. vo» Rommel

5)auptmann Wiesner hatte grade drei Tage Arlaub
und saß am zweiten Tag so recht bequem in seinem molligen
Lehnstuhl zu Lause, die Zigarre im Mund, die Zeitung
vor sich, während seine Gattin freudestrahlend in der Küche
allerlei verborgene Schätze ans Tageslicht und Lerdfeuer
brachte.

Da sprang sein Junge, der Kohlenferien hatte, aber
zum Aufgabenholen nach der Schule gegangen war, ver-
gnügt ins Zimmer.

„Ist das fein, ist das fein, daß du da bist, Vati!"
jubelte er. „Sogar der Lehrer hat sich drüber gefreut
und hat mir extra bloß eine einzige Nechenaufgabe ge-
geben, weiter gar nichts, damit ich meinen Vater recht
genießen könne! Jst das nicht nett? Die andern Iungen
haben sich nicht schlecht geärgert, die müssen eine Menge
schreiben und rechnen!"

„Ja, das ist famos von eurem Lehrer," sagte der Ar-
lauber anerkennend. „Wie lange Zeit hast du für die
Aufgabe?"

„Drei ganze Tage. Jch brauche erst am Tag deiner
Abreise wieder in die Schule." — And Paul tanzte mit
Freudengeheul um den Vater herum.

„So mach dich gleich an die Arbeit," mahnte die
Mutter, die zur Tür hereinschaute, um den Grund der
lauten Freude zu erforschen.

„Dann bist du die übrige Zeit frei!"

„Iawohl, nach dem Effen geh' ich dran — Lurra!
Nur eine einzige Aufgabe!"

Aus der Sommerfrische - „unser diesjähriger
Lerr schwimmt den ganzen Tag im Wasser herum. Neulich
kam ein eingeschriebener Bries für ihn, und da mußte der
Postbote ein Boot nehmen und auf den See hinausrudern!"

Nach dem gemütlichen Mittagessen ruhten die
Eltern ein bißchen, und Paul setzte sich an sein Pult.

Beim Kaffeetrinken fiel der Mutter sein ver-
störtes Gesicht auf.

„Na, fertig mit der Aufgabe?" fragte sie.

Paul schüttelte den Kopf. „Nein — es ist so
viel Vorarbeit dabei —"

„Na, na, du hast wohl inzwischen in den Kriegs-
büchern gestöbert? Ich werde dir noch alles Lesbare
fortschließen müssen!"

„Aber nein — ich hab' wirklich nicht gelesen!"
sagte Paul gekränkt. „Ietzt, wo Vater da ist, brauch'
ich kein Buch übern Krieg!"

Aber am Abend saß er noch am Pult, und bei
der Mutter Tadel brach er in Tränen aus: „Ich
verstehe nicht, wie ich das machen soll." — „Zeig
mal her," meinte die Mutter mißbilligend. „Wie
kann man so dumm sein!" Sie begann zu lesen:
„Wenn ein Löwe ..."

Paul sah mit bedenklicher Miene, wie die Mutter
sich Notizen machte und zu rechnen versuchte. In
seinen Zügen drückte sich ein entschiedenes Mißtrauen
aus.

„So geht das ja nicht, Mutter! Das muß ganz
anders gemacht werden!"

„Warum machst du es nicht, wenn du 's beffer
weißt?" versetzte sie ärgerlich. „Also: wenn der
Löwe . .."

„Nein, mit dem Löwen kann man nicht anfangen,"
sagte Paul. „Es kommt auf die Zeit an. — Wenn
ich nur den Ansatz fände! Der Lehrer meinte, die
Aufgabe würde mich sicher nicht lange aufhalten!"

„Gott, so ein Lehrer" — murrte Frau Wiesner.
„Der denkt, jeder käme mit einem mathematischen
Gehirn auf die Welt!"


— „Was hören denn die Leute?"

— „Nix!"

— „Warum lauschen sie dann so angestrengt?"

— „Weil's nix hör'n!"
 
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