Zeitschrift für Humor und Kunst 169
Die Kompanie-Kundschaft
zerspalten. Die Existenzfrage der
nach dem Friedensschluß heim-
flutenden Massen, hier ist sie ge-
löstl Ieder findet Arbeit bei seinen
Kameraden, ob er nun Ahrmacher,
Lausierer, Dentist, Tanzlehrer,
Scherenschleifer, Fleischbeschauer,
Börsenmakler,Architekt,Antiquar,
Detektiv, Maronibrater, Kammer-
jäger, Graphologe, Vogelhändler,
Sanitäter oder Sprachlehrer ist!
!lnd wo steht denn das geschrieben,
-aß man sich in seinem Kundenkreis
auf die Kompanie beschränkt?
Es schadet nichts, wenn man seinen
Bekanntenkreis erweitert, wenn
man im Bataillon, im Regiment,
in der Brigade, ja, in der ganzen
Division eine gewisse Berühmt-
heit erreicht!"
Berühmtheit? Ich wurde
mißtrauisch und forschte: „Loffst
du auch auf Förderung durch die
Kriegskameraden?"
„And ob!" rief er, „und wie^
Ich kann doch in Zukunft meinem
Verleger den Mindestabsatz einer
Auflage garantieren!"
Ich sperrte Mund und Augen
auf.
„Die Kameradschaft ist doch
kein leerer Wahn!" sprach er mehr
fttr sich und lächelte fein — „ich bin
lyrischer Dichter!" LudwigEngel
Zeitgemäßer Vergleich
Ch ef(zudemneuen Reisenden): „Daß
Sie keine Aufträge bekommen,
wundert mich gar nicht — Sie
haben keine Ausdauer, Sie wollen
sich nicht hinauswerfen lassen. Da
war Ihr Vorgänger anders — der
sah immer aus, als ob er g'rade aus
'm Schützengraben zurückkäme."
Zn l>rr!loöorrnfchung Dienstmädchen (mit dem Abstauben der Porträts be-
schäftigt, als ein Verwandter der Familis eintritt): „Ach, der
Lerr Negierungsrat, gerade bin ick Ihnen am reinigen!"
Äer Ägont Eine MUnchner Geschichte
von Richard Rieß
Diese Geschichte hat mir Freund Ferdinand erzählt.
!ind wenn sie nicht wahr ist, so komme auf fein Äaupt
euer Zorn. Ich wage immerhin, sie niederzuschreiben. !lnd
wer sie nicht glaubt, der möge wenigstens sagen: „Wenn
sie auch nicht wahr ist, so ist sie doch gut erfunden."
Vor dem Kriege gab es im Münchner Cafs Luitpold
einmal einen lebhaften Stammtisch. Dort saßen an allen
Nachmittagen von zwei bis fünf Ahr acht bis zehn junge,
lustige Lerren, Kunstmaler, Dichter, Nechtspraktikanten und
Lektor Maria Meier, der künftige Opernsänger. Gerade
der war an dem denkwürdigen 2. April 1909, an dem der
immer vergnügte Lyriker Waldemar Metig mit ganz un-
natürlich ernster Amtsmiene in der Korona erschien, nicht
zugegen. !lnd so hörte er denn auch nicht Metigs Ge-
ständnis. Der begann:
„Bitte, entsernt zunächst mal alle Wurfgeschoffe.und
Stöcke aus Eurer Nähe. Komm her, Fannerl, nimm auch
die Streichholzständer in deine ungefährliche Obhut. So,
und nun muß ich euch etwas erzählen."
Er drückte erst ein wenig und dann kam es heraus:
Ein Weinreisender sei bei ihm gewesen. Gerade am ersten,
gestern gegen abend, am ersten, wo ein halbwegs anstän-
diger Mensch doch überhaupt kein Geld mehr hat. Der
Wechsel kommt mit der ersten Post, und die Gläubiger
vom vorigen Monat beherrschen während des Vormittags
das Antichambre. Am Nachmittag muß man bei den edleren
Menschen abladen, um den Weg zu neuen Pumpen offen-
zuhalten. Wieviel bleibt einem da noch übrig, wenn die
Dämmerung graut? Kaum so viel, daß man den Zweiten
anständig und schuldenfrei zu überleben vermag! Ihr
könnt euch also mein Gesicht denken! „Weinreisender,"
sagte ich. „Wenn du nicht das Bedürfnis verspürst, der
deutschen Kunst gratis jenes Naß zu spenden, von dem die
Dichter sagen, daß es sie zu Dichter mache, dann kannst