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184 <>(X)<XX>22Meggendorser-Blätter, München <>>(>(>OX<X>>(^

Das Preisausschreiben V°n e. A. Lenn.g

Es war an einem schönen Frühlingstage, als in Neitz-
berg, erner kleinen Stadt im Bayrischen, ein Mann auf-
tauchte, der, vom Bahnhos kommend, mit gemächlichen
Schritten die Lauplstraße entlang ging und seine Blicke
forschend auf der ihm neuen Llmgebung ruhen ließ. Es
war kein gewöhnlicher Mann, denn aus seinen Augen,
wenn er sie aufschlug, leuchtete jene überlegene Intelligenz
und pfisfige Klugheit, welche den Erfolg im Leben verbürgen.

Der Name des Fremden war Peter Kloiber; einen
bestimmten Beruf verriet sein Aeußeres zwar nicht, aber
desto mehr machte er den Eindruck eines Menschen, der

Der Konditor und das Kriegsmehl

sprungbereit jede Gelegenhett zu erfassen bereit ist, sofern
sie ihm günstige Gewinnmöglichkeiten versprach. Solche
Leute sind eine große Gefahr für den soliden Geschäfts-
mann, denn sie wachsen ihm urplötzlich als rührige Kon-
kurrenz riesengroß vor der Nase empor und werfen ihn,
schwupp, aus dem behaglich ausgefahrenen Geleise. And
das rein und allein durch ihre überlegene Intelligenz und
ihre Pfiffige Klugheit. Kommt dazu noch eine bestimmte
vorgefaßte Absicht, so können sie zu wahren Totengräbern
alteingesessener Privilegien und Existenzen werden.

Daß Peter Kloiber eine solche Absicht hatte, ließ sich
nicht verkennen. Der Blick, mit welchem er die Läuser
zu beiden Seiten der Straße musterte, galt weniger ihren
architektonischen und malerischen Vorzügen, als vielmehr
einer kühlen Berechnung, was sich etwa geschäftlich aus
ihnen herausschlagen ließ.

So war er bis auf den Marktplatz gelangt. Lier
lenkte er seinen Blick zunächst nach einem hübschen, spitz-
giebeligen Lause, dessen Erdgeschoß einen, jetzt verschlossenen
Laden zeigte. Es war dies das sogenannte „Spitzerhaus",
dessen bisheriger Besitzer, ein Schnittwarenhändler, bank-
rott gemacht hatte, und das deswegen dem Verkaufe unter-
stellt war. Es war eines der stattlichsten Läuser des
Marktplatzes, und sast wie liebkosend glitten Peter Kloibers
Augen darüber hin. Dann wandte er sich nach rechts.
Lier war es ebenfalls ein Laus, welches das besondere
Interesse Kloibers erregte. Es war im Stile der Romantik
crbaut und machte einen schon etwas hinfälligen Eindruck.
Aeber seiner Tür prangte ein Schild: „Weinstube zur
Stillen Klause", und die bleigefaßten Fenster trugen dem
Schilde entsprechend Rechnung.

„Ia, ja," murmelte Kloiber mit einer schadenfrohe.»
Miene. „Du stille Klause! Bald genug sollst du den Namen
einer stillen mit vollem Rechte tragen. Es wird nicht lange
dauern und der Strom deiner Gäste soll sich in das Laus
gegenüber crgießen und mit ihm ein Strom schönen, blanken
Geldes. Lähähä!"

Dann schlug er seine Augenlider nieder, um die daraus
leuchtende überlegene Jntelligenz und Pfiffige Klugheit zu
verschleiern, und trat in die „Stille Klause" ein.

Die „Klause" war eine Weinstube ältesten Schlages.
Ihre Lolzvertäfelung war schon ticf gebräunt, und ein großer
plumper Kachelofen sprang Protzig breitspurig aus der
Mauer heraus. In dem verschiedenen Winkelwerk der
Stube standen tiefsatte Nußbaumtische vor breiten Bänken,
und in der hintersten Ecke befand sich sogar, wie altmodisch,
ein zersessenes Ledersofa mit einem umfangreichen Pfeifen-
 
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