Zeitschrift für Humor und Kunst 0<>O-0-2-O-r-2^^ 185
Das Preisausschreiben
kasten darüber. Der Besitzer all
der verblichenen Pracht saß auf
der Ofenbank. Er war in Lemd-
ärmeln und trug über der grünen
Plüschweste eine saubere weiße
Schürze, aus deren Latz der Zipfel
eines blaugewürfelten Taschen-
tucheslugte. Wahrscheinlich wollte
es das Lerkommen in Neihberg
so, denn Reitzberg war sehr kon-
servativ. Da es noch früh am
Morgen war und keine Gäste in
der Stube waren, so vertrieb sich
der Klausenwirt die Zeit damit,
daß er sich den Buckel wärmte
und die Daumen umeinander dreh-
te. Kaum aber trat Peter Kloiber
ein, so sprang er dienstfertig auf,
machte einen vulgären Bückling
und nahm die Wünsche seines
Gastes mit einem breiten Lächeln
enkgegen.
Dieser setzte sich inzwischen,
da ihm ja die Wahl frei stand
an eines der Fenster, von dem
man einen bequemen Blick auf
das hübsche, spitzgiebelige Laus
gegenüber genoß, und weidete sich
an deffen Anblick. Dann kam der
Klausenwirt wieder zurück und
stellte mit einem, wie rückständig,
freundlichen „Prosit" das be-
gehrte Viertel Roten vor Peter
Kloiber hin.
„Wohl fremd hier, Lerr
Nachbar?" eröffnete er das in
Reitzberg und auch sonflwo üb-
liche Examen, dem sich kein zu-
gereister Gast entziehen kann.
„Jawohl," erwiderte Peter
Kloiber kurz.
„In Geschäften?"
„Wenn sich's macht."
„Kommt darauf an, was für
ein Geschäft."
„Je nachdem."
„Schlechte Zeiten für Ge-
schäfte, Lerr. Wohl von einer Versicherung?"
„Neinl"
„Lm!"
Die Einsilbigkeit des Gastes schien nicht recht nach dem
Geschmack des Klausenwirtes zu sein, denn er zog sich nach
etlichen: „Ia, ja" und „So ist's" wieder auf seine Ofenbank
zurück und begann das unterhaltliche Spiel des Daumen-
drehens von neuem.
So abhold Peter Kloiber Zwiegesprächen zu sein schien,
so sehr gesiel er sich anscheinend in Selbstgesprächen, aller-
dings in heimlichgeführten.
„'s ist ein Lohn auf allen Geschmack und alle neuzeit-
lichen Errungenschaften," sagte er zu sich selbst, „was das
für eine Bruchbude hier ist. Finster wie ein Keller und
dumpfig wie ein Verließ. And nicht die elementarste Spur
von modernem Komfort. Ein Eisenbahnwagen vierter 'Klasse
ist eleganter. And statt einer sauberen anwutigen Bedie-
Schlechtes Gewissen
— „Ich muß dir ein Bekenntnis machen, du bist nicht
mein erster Bräutigaml"
— „Da haben wir uns also gegenseitig nichts vorzuwerfen,
ich war auch verlobt!" — „Gott sei Dank ... wie oft?"
nung dicser Klotz in Stalltracht. Es ist nur ein Wunder,
daß sich die hiesige Einwohnerfchaft das gefallen läßt. Frei-
lich, sie wiffen es nicht besser, und wenn sie es beffer wüßten,
so können sie doch nichts dagegen machen, weil es eben nichts
anderes gibt. Aber stellt ihnen nur 'mal was vor Augen,
was Land und Fuß hat, und sie fallen darauf wie die
Fltegen. Lähähäl"
Llnd wieder schickte er einen liebkosenden Blick auf das
hübsche, spitzgiebelige Laus gegenüber.
Am zweiten Tage darauf brachte der „Bote sür Reitz-
berg und Llmgebung" folgende Notiz:
Schneller als man dachte, hat das Spitzerhaus einen
Liebhaber gefunden. Ein Lerr von auswärts hat es an
sich gebracht, doch verlautet nichts näheres darüber, welcher
Bestimmung es zugeführt werden wird.
Das war sreilich wenig genug sür die Neugier der
Reitzberger Bürger und öffnete einem Strom von Ver-