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Meggendorfer-Blätter, München
Hindernis - „Nun, ist es dir gelungen, dich der
jungen Dame einmal zu nähern?"
— „Noch nicht. Sie ist fortwährend
von starken Schutzmächten umgeben."
ve vagels, äe lo frök aU Ungt —
Kum wör äe Irin mit't eene Seen
Morrns fröb rut ut'n Sett,
5üng mit äe vrool'l'el buten le
?lll luäbals üm äe wett.
Ix)ör 5e 5o luttig, weil 5e woll
ve Naält barr ärömt 5o söt?
Nielicbt von'n Lllernbuscb wör'n Nus
Un Naälber5 7an? bOer weet!
6enog, 5e süng. vocb Moäer lcbüllt
Un sä^ „brin, mark äi äat:
ve Uagel5, äe lo srök all lingt,
ve krigt naker äe Katt."
Ock wat, äackt vrin, so'n äummen 5nack!
Un güng kenäal na'r UUlck.
5e woll mal sekn, ob woll äat Nau
Nu all balä äröge i5.
Upp eenmal bleef se stakn'. Mein 6ott,
wat i5 äat ackter'n Knick?!
tkr 7an äar 6esck äe vacken strakt,
ve wörn lo runä un äick!
Nu liggt äe arme veern in'n 6ra5
Un snuckt un weent sick satt. —
ve Uagel5, äe lo frök all singt,
ve krigt naker äe Katt!
Ueinrick Ueifers
Verwunderung
Ein gestürzter und besinnungslos liegen-
gebliebener Sonntagsreiter wird von einem
mitleidigen Spaziergänger, der ihn zu dem
nahen Arzt bringen will, auf die Schulter
geladen. Unterwegs schlägt er Plötzlich die
Augen auf und ruft verwundert: „Nanu, ich
reite ja noch immer!"
Zivil, Feldgrau und Adamskostüm xudwigEngel
Kleider machen Leute.
Kleider entstellen aber auch Leute.
Kleider machen unkenntlich. —
Ich saß an einem schönen Iuniabend vorm Lamburger
Alsterpavillon, freute mich des großartigen Bildes, das
der Iungfernstieg auch zur Kriegszeit bietet, und fühlte
mich unter den Topfpalmen an die Niviera des Friedens,
nach Nizza oder Monte Carlo, versetzt. Ein Lerr spazierte
auf und ab; unschlüssig, wohin er sich setzen solle, musterte
er die weiblichen Gäste — wohl willens, die holde Nähe
einer sorgfältig auserwählten Schönheit zu genießen.
Ich überlegte: wo hast du den Mann schon einmal
gesehen — gesprochen? Ich quälte mein Äirn ab. Ich
kam nicht drauf. —
Allerdings. Er hatte ein Alltagsgesicht. Keine beson-
deren Merkmale. Seine Kleidung war elegant, nicht gecken-
haft. — Vielleicht täuschte ich mich doch.
Da spürte ich, daß auch er mich beobachtete.
Ec blieb vor mir stehn und lüftete den 5)ut: „Verzeihen
Sie — wir kennen uns doch!"
„Sicher!" antwortete ich, „aber woher?"
„Wir haben mal irgendwo etwas ganz Eigenartiges
zusammen erlebt!"
„Ia — aber wo? And — was?"
„Laben Sie nicht in Lorn auf der Rennbahn neulich
den Außenseiter mit 209:10 gehabt und nachher Ihr Ticket
verloren?"
„Nein!" sagte ich und grübelte scharf nach.
„Sind Sie nicht der drollige Fremdenführer vom Wiener
Wurstlprater, damals an dem verregneten Pfingsten?"
„Leider auch nicht!" mußte ich eingestehen.
„Aber wir kennen uns doch!" beharrte er.
„Totsicher!" erwiderte ich.
„Leureka!" rief er und schlug sich an die Stirn. —
„Sie sind der Lerr, der mich in Bayreuth auf dem Fest-
spielhügel mit aller Gewalt in die Lagelversicherung auf°
nehmen wollte!"
Ich schüttelte energisch den Kopf.
Nan kam ihm ein neuer Einfall. Er sprach: „München
- Deutsches Theater!" und sah mich lauernd an.
„Nun?" horchte ich, „was ist's mit München?"
„Lkkl xare!" rief er triumphierend. „Sie entsinnen sich:
Ihr fescher Domino - das heißt: mein fescher Domino mit
den giftgrünen Strümpfen! — Nachher beim Donisl!"
„Nicht doch, nicht doch!" lenkte ich ein — Sie sind
auf der falschen Fährte!"
„Ja, ja, Sie sind der Lerr vom Deutschen Theater!"
beharrte er eigensinnig, „der den Ausdruck ,G'scherter
NammL für ein Kompliment hielt — Sie sind's!"
Copyright 1917 by I. F. Schreiber
Meggendorfer-Blätter, München
Hindernis - „Nun, ist es dir gelungen, dich der
jungen Dame einmal zu nähern?"
— „Noch nicht. Sie ist fortwährend
von starken Schutzmächten umgeben."
ve vagels, äe lo frök aU Ungt —
Kum wör äe Irin mit't eene Seen
Morrns fröb rut ut'n Sett,
5üng mit äe vrool'l'el buten le
?lll luäbals üm äe wett.
Ix)ör 5e 5o luttig, weil 5e woll
ve Naält barr ärömt 5o söt?
Nielicbt von'n Lllernbuscb wör'n Nus
Un Naälber5 7an? bOer weet!
6enog, 5e süng. vocb Moäer lcbüllt
Un sä^ „brin, mark äi äat:
ve Uagel5, äe lo srök all lingt,
ve krigt naker äe Katt."
Ock wat, äackt vrin, so'n äummen 5nack!
Un güng kenäal na'r UUlck.
5e woll mal sekn, ob woll äat Nau
Nu all balä äröge i5.
Upp eenmal bleef se stakn'. Mein 6ott,
wat i5 äat ackter'n Knick?!
tkr 7an äar 6esck äe vacken strakt,
ve wörn lo runä un äick!
Nu liggt äe arme veern in'n 6ra5
Un snuckt un weent sick satt. —
ve Uagel5, äe lo frök all singt,
ve krigt naker äe Katt!
Ueinrick Ueifers
Verwunderung
Ein gestürzter und besinnungslos liegen-
gebliebener Sonntagsreiter wird von einem
mitleidigen Spaziergänger, der ihn zu dem
nahen Arzt bringen will, auf die Schulter
geladen. Unterwegs schlägt er Plötzlich die
Augen auf und ruft verwundert: „Nanu, ich
reite ja noch immer!"
Zivil, Feldgrau und Adamskostüm xudwigEngel
Kleider machen Leute.
Kleider entstellen aber auch Leute.
Kleider machen unkenntlich. —
Ich saß an einem schönen Iuniabend vorm Lamburger
Alsterpavillon, freute mich des großartigen Bildes, das
der Iungfernstieg auch zur Kriegszeit bietet, und fühlte
mich unter den Topfpalmen an die Niviera des Friedens,
nach Nizza oder Monte Carlo, versetzt. Ein Lerr spazierte
auf und ab; unschlüssig, wohin er sich setzen solle, musterte
er die weiblichen Gäste — wohl willens, die holde Nähe
einer sorgfältig auserwählten Schönheit zu genießen.
Ich überlegte: wo hast du den Mann schon einmal
gesehen — gesprochen? Ich quälte mein Äirn ab. Ich
kam nicht drauf. —
Allerdings. Er hatte ein Alltagsgesicht. Keine beson-
deren Merkmale. Seine Kleidung war elegant, nicht gecken-
haft. — Vielleicht täuschte ich mich doch.
Da spürte ich, daß auch er mich beobachtete.
Ec blieb vor mir stehn und lüftete den 5)ut: „Verzeihen
Sie — wir kennen uns doch!"
„Sicher!" antwortete ich, „aber woher?"
„Wir haben mal irgendwo etwas ganz Eigenartiges
zusammen erlebt!"
„Ia — aber wo? And — was?"
„Laben Sie nicht in Lorn auf der Rennbahn neulich
den Außenseiter mit 209:10 gehabt und nachher Ihr Ticket
verloren?"
„Nein!" sagte ich und grübelte scharf nach.
„Sind Sie nicht der drollige Fremdenführer vom Wiener
Wurstlprater, damals an dem verregneten Pfingsten?"
„Leider auch nicht!" mußte ich eingestehen.
„Aber wir kennen uns doch!" beharrte er.
„Totsicher!" erwiderte ich.
„Leureka!" rief er und schlug sich an die Stirn. —
„Sie sind der Lerr, der mich in Bayreuth auf dem Fest-
spielhügel mit aller Gewalt in die Lagelversicherung auf°
nehmen wollte!"
Ich schüttelte energisch den Kopf.
Nan kam ihm ein neuer Einfall. Er sprach: „München
- Deutsches Theater!" und sah mich lauernd an.
„Nun?" horchte ich, „was ist's mit München?"
„Lkkl xare!" rief er triumphierend. „Sie entsinnen sich:
Ihr fescher Domino - das heißt: mein fescher Domino mit
den giftgrünen Strümpfen! — Nachher beim Donisl!"
„Nicht doch, nicht doch!" lenkte ich ein — Sie sind
auf der falschen Fährte!"
„Ja, ja, Sie sind der Lerr vom Deutschen Theater!"
beharrte er eigensinnig, „der den Ausdruck ,G'scherter
NammL für ein Kompliment hielt — Sie sind's!"
Copyright 1917 by I. F. Schreiber