50
KriegSchronik der Meggendorfer-Blätter, München
Ein teurer Spaß
Der Lehrer hat den Kindern
erzählt, daß Lindenburg am
2. Oktober 70 Zahre alt wird.
Der achtjährige Paul kommt
freudestrahlend aus der Schule
nach Lause: „Morgen wird
Lindenburg 70 Zahre alt, da
bekommt er nun auch 1 Liter
Vollmilch."
Schon geraume Zeit ist es her,
als ich mich mit Lerrn Kahle
über unsere Lebensmittelver-
sorgung unterhielt. Er sagte
mir, daß er durchaus kein Lam-
ster sei, das Gebaren solcher
Leute sogar scharf verurteile,
aber einige Vorräte habe er
doch auch angeschafft. In der
jetzigen Zett sei es jeder Mensch
sich und seiner Familie schuldig,
wenigstens über den nächsten
Tag hinaus vorzusorgen. Bei
unserm Gespräch war Lerr
Kahle warm geworden. In
dieser Stimmung verriet er
mir, daß er seinen Bestand an
vorrätigen Nahrungsmitteln,
um vor überraschenden polizei-
lichen Nachforschungen gesichert
zu sein, im Klavier berge. Wenn
ich ihm dann später einmal mit
einem Paketchen begegnete,
flüsterte ich ihm wohl heimlich zu „Immer piano" und er
nickte verständnisinnig. Neulich trafen wir wieder einmal
bei einem Dämmerschoppen zusammen. Ich erkundigte
mich:
„Was haben Sie denn jetzt in Ihrem Klavier?"
Voll Wehmut entgegnete er kurz:
„Mäusel" C- F. G.
Die Verteuerung des Negiertwerdens
Der „Figaro" hat voll Kummer festgestellt, daß in Frank-
reich die Ministerkabinette immer teurer werden. Das
Ministerium, das Monsieur Painlevo gebildet hat, kommt
die französischen Steuerzahler auf 1 Million 470 000 Franken
zu stehen. Vor zwanzig Iahren aber war ein Kabinett
noch für 660 000 bis 690 000 Franken im Iahr zu haben.
Ia, es ist eben in den letzten Iahrzehnten alles teuer
geworden, und vollends imKriege sind die Preise ganz schreck-
lich gestiegen. Warum soll das Regiertwerden eine Aus-
nahme machen? Es ist doch ebenso notwendig wie ernährt
zu werden, und das kostet jetzt auch viel mehr als ftüher.
Während aber im Ernährungsfall oft Mangel an Ware
die Schuld an der Preiserhöhung trägt, ist das Merk-
würdige, daß beim Negiertwerden die Preise gestiegen sind,
trotzdem das Angebot an Leuten, die regieren wollen, ganz
ungeheuer zugenommen hat. Eigentlich müßten sie beinahe
umsonst zu haben sein. And dennoch sind sie so viel teurer
geworden.
Was soll man dagegen machen? Löchstpreise einzu-
führen, ist natürlich nicht rätlich, denn bei solchen verschwindet
die Ware meist völlig. Wollte man Löchstpreise für Ka-
binette festsetzen, dann würde es eben bald keine Kabinette
Der Landwehrmann Krause hat
stch draußen im Felde ange-
wöhnt, Tabakpfeife zu rauchen.
Dieser Gewohnheit huldigt er
mit Eifer bei einem Leimats-
urlaube. Frau Krause ist hier-
über durchaus nicht erbaut. Sie
spricht: „Du schaust doch zu
häßlich aus, wenn du Pfeife
rauchst. Wie ein alter Bettel-
lumprich."
„Schadet nichts," entgegnet
er gelaffen. „Pfeifenrauchen
ist gesund."
„Aber du verbreitest auch
noch einen schauderhaften Ge-
ruch."
„Das ist egal! Beim Pfeifen-
rauchen kann man hundert Iahr
alt werden."
„Du lieber Limmel! Auch
das noch!" C. F. G.
Wie's geht!
— „So ein Pech! Erst konnte
ich den Bezugöschein für die
Stiefel nicht kriegen — dann
konnte ich's nötige Geld nicht
kriegen — und jetzt kann ich
keine Stiefel mehr kriegen!"
mehr geben, und das Volk könnte nicht mehr regiert werden,
woraus natürlich greuliches Anheil entstehen würde.
Eine Preisprüfungsstelle zu schaffen, ginge in diesem
Fall auch nicht an. Beim Regiertwerden sind bezüglich
der Güte des Gebotenen die Meinungen gar zu geteilt; die
Entscheidungen der Preisprüfungsstelle würden allzu viele
Beanstandungen erfahren.
Der „Figaro" wird sich eben damit trösten müffen,
daß an dem beklagten Teuerungszustand nicht viel zu ändern
ist. Schließlich schadet ein hoher Preis ja nichts, wenn nur
das, was man dafür bekommt, auch wirklich gut ist. Im
Fall des Regiertwerdens kann man das freilich leider
immer erst nachher beurteilen. -on.
Stiefelsohlen
Nachricht aus Berlin: Das Kriegswucheramt hat dcm
Kaufmann Leopold Dukelsky den Landel mit Gegenständen
des täglichen Bedarfs und des Kriegsbedarfs untersagt
weil er untaugliche Stiefelfohlen mit übermäßigem Gewinn
verkauft hatte.
Dem Dukelsky ist natürlich ganz recht geschehn. Trotz-
dem muß man sich über den Spruch des Kriegswucheramts
in diesem Fall wundern. Wenn das Kriegswucheramt
wirklich so denkt, wie es spricht - was man allerdings
nicht wiffen kann — dann meint es also: Untaugliche
Stiefelsohlen darf man nicht mit übermäßigem, sondern
nur mit mäßigem Gewinn verkaufen. Es dürsen also un-
taugliche Stiefelsohlcn verkauft werden. Durch den Spruch
des Kriegswucheramts werden sich jetzt viele Bürger die
sich Stiefelsohlen haben anmachen laffen, sehr verschnupft
fühlen. Gerade so wie durch die Stiefelsohlen. P,„
KriegSchronik der Meggendorfer-Blätter, München
Ein teurer Spaß
Der Lehrer hat den Kindern
erzählt, daß Lindenburg am
2. Oktober 70 Zahre alt wird.
Der achtjährige Paul kommt
freudestrahlend aus der Schule
nach Lause: „Morgen wird
Lindenburg 70 Zahre alt, da
bekommt er nun auch 1 Liter
Vollmilch."
Schon geraume Zeit ist es her,
als ich mich mit Lerrn Kahle
über unsere Lebensmittelver-
sorgung unterhielt. Er sagte
mir, daß er durchaus kein Lam-
ster sei, das Gebaren solcher
Leute sogar scharf verurteile,
aber einige Vorräte habe er
doch auch angeschafft. In der
jetzigen Zett sei es jeder Mensch
sich und seiner Familie schuldig,
wenigstens über den nächsten
Tag hinaus vorzusorgen. Bei
unserm Gespräch war Lerr
Kahle warm geworden. In
dieser Stimmung verriet er
mir, daß er seinen Bestand an
vorrätigen Nahrungsmitteln,
um vor überraschenden polizei-
lichen Nachforschungen gesichert
zu sein, im Klavier berge. Wenn
ich ihm dann später einmal mit
einem Paketchen begegnete,
flüsterte ich ihm wohl heimlich zu „Immer piano" und er
nickte verständnisinnig. Neulich trafen wir wieder einmal
bei einem Dämmerschoppen zusammen. Ich erkundigte
mich:
„Was haben Sie denn jetzt in Ihrem Klavier?"
Voll Wehmut entgegnete er kurz:
„Mäusel" C- F. G.
Die Verteuerung des Negiertwerdens
Der „Figaro" hat voll Kummer festgestellt, daß in Frank-
reich die Ministerkabinette immer teurer werden. Das
Ministerium, das Monsieur Painlevo gebildet hat, kommt
die französischen Steuerzahler auf 1 Million 470 000 Franken
zu stehen. Vor zwanzig Iahren aber war ein Kabinett
noch für 660 000 bis 690 000 Franken im Iahr zu haben.
Ia, es ist eben in den letzten Iahrzehnten alles teuer
geworden, und vollends imKriege sind die Preise ganz schreck-
lich gestiegen. Warum soll das Regiertwerden eine Aus-
nahme machen? Es ist doch ebenso notwendig wie ernährt
zu werden, und das kostet jetzt auch viel mehr als ftüher.
Während aber im Ernährungsfall oft Mangel an Ware
die Schuld an der Preiserhöhung trägt, ist das Merk-
würdige, daß beim Negiertwerden die Preise gestiegen sind,
trotzdem das Angebot an Leuten, die regieren wollen, ganz
ungeheuer zugenommen hat. Eigentlich müßten sie beinahe
umsonst zu haben sein. And dennoch sind sie so viel teurer
geworden.
Was soll man dagegen machen? Löchstpreise einzu-
führen, ist natürlich nicht rätlich, denn bei solchen verschwindet
die Ware meist völlig. Wollte man Löchstpreise für Ka-
binette festsetzen, dann würde es eben bald keine Kabinette
Der Landwehrmann Krause hat
stch draußen im Felde ange-
wöhnt, Tabakpfeife zu rauchen.
Dieser Gewohnheit huldigt er
mit Eifer bei einem Leimats-
urlaube. Frau Krause ist hier-
über durchaus nicht erbaut. Sie
spricht: „Du schaust doch zu
häßlich aus, wenn du Pfeife
rauchst. Wie ein alter Bettel-
lumprich."
„Schadet nichts," entgegnet
er gelaffen. „Pfeifenrauchen
ist gesund."
„Aber du verbreitest auch
noch einen schauderhaften Ge-
ruch."
„Das ist egal! Beim Pfeifen-
rauchen kann man hundert Iahr
alt werden."
„Du lieber Limmel! Auch
das noch!" C. F. G.
Wie's geht!
— „So ein Pech! Erst konnte
ich den Bezugöschein für die
Stiefel nicht kriegen — dann
konnte ich's nötige Geld nicht
kriegen — und jetzt kann ich
keine Stiefel mehr kriegen!"
mehr geben, und das Volk könnte nicht mehr regiert werden,
woraus natürlich greuliches Anheil entstehen würde.
Eine Preisprüfungsstelle zu schaffen, ginge in diesem
Fall auch nicht an. Beim Regiertwerden sind bezüglich
der Güte des Gebotenen die Meinungen gar zu geteilt; die
Entscheidungen der Preisprüfungsstelle würden allzu viele
Beanstandungen erfahren.
Der „Figaro" wird sich eben damit trösten müffen,
daß an dem beklagten Teuerungszustand nicht viel zu ändern
ist. Schließlich schadet ein hoher Preis ja nichts, wenn nur
das, was man dafür bekommt, auch wirklich gut ist. Im
Fall des Regiertwerdens kann man das freilich leider
immer erst nachher beurteilen. -on.
Stiefelsohlen
Nachricht aus Berlin: Das Kriegswucheramt hat dcm
Kaufmann Leopold Dukelsky den Landel mit Gegenständen
des täglichen Bedarfs und des Kriegsbedarfs untersagt
weil er untaugliche Stiefelfohlen mit übermäßigem Gewinn
verkauft hatte.
Dem Dukelsky ist natürlich ganz recht geschehn. Trotz-
dem muß man sich über den Spruch des Kriegswucheramts
in diesem Fall wundern. Wenn das Kriegswucheramt
wirklich so denkt, wie es spricht - was man allerdings
nicht wiffen kann — dann meint es also: Untaugliche
Stiefelsohlen darf man nicht mit übermäßigem, sondern
nur mit mäßigem Gewinn verkaufen. Es dürsen also un-
taugliche Stiefelsohlcn verkauft werden. Durch den Spruch
des Kriegswucheramts werden sich jetzt viele Bürger die
sich Stiefelsohlen haben anmachen laffen, sehr verschnupft
fühlen. Gerade so wie durch die Stiefelsohlen. P,„