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5g Meggendorfer-Blätter, München

— „Das Wetter ist zu gut, — bei Negen beißen die Fische beffer."

— „Mensch, was muß da Cadorna für Glück beim Angeln haben."

Die Henne Von C. A. Lennig

Als Äerr Sebastian Bachmair über den Bahnhosplatz
ging, begegnete er dort seinem Freunde, Äerrn Emeran
Neusigl. Lerr Neusigl war ein guter Staatsbürger und
ehrsamer Geschäftsmann, trug aber dennoch einen mächtigen
Rucksack auf dem Buckel.

„Ah," machte Lerr Bachmair in einem vielsagenden
Tonfall. Und: „Ah" machte auch Lerr Neusigl mit einem
ganz nach Belieben zu deutenden Ausdruck in Stimme
und Gesicht.

„Woaus denn, Emeran?" forschte Lerr Bachmair
listig weiter.

„Irnmer übers Eck' rüber und dann geradeaus," gab
Lerr Neusigl ebenso listig zurück.

Da zog Äerr Bachmair seine Stirne kraus, und, ein
wenig gereizt, zugleich aber auch wärmer werdend, sagte
er: „Geh, alter Freund, sei doch nicht so zugeknöpft, wir
kennen uns doch nicht erst seit gestern." „Last recht, Wastl,"
lenkte jetzt auch Äerr Neusigl ein, „ich sollt' wohl meinen,
daß wir uns kennen. Ich war
halt wieder einmal „draußen",
bei einem Schwestersohn von
meiner Frau."

„So, so, bei einem Schwester-
sohn von deiner Frau? Last
was erwischt?" „Das will ich
hoffen," schmunzelte Neusigl.

„Glaubst du vielleicht, ich hab'
um diese Zeit Maikäfer geschüt-
telt? Lundertfünfzig Eier sind
rausgesprungen."

„Lundertfünfzig Eier?" rief
Lerr Bachmair erregt. Aber
da trat ihn Äerr Neusigl kräftig
auf den Fuß.

„Äimbeerseiten noch ein-
mal/ knurrte er mit gedämpfter
Stimme, „schrei doch nicht so!

Nicht nur die Wände haben
Ohren, sondern auch die Schutz-
leute."

„Ia. ja, nichts für ungut," entschuldigte
sich Lerr Bachmair. Dann fuhr er seufzend
fort: „Äundertfünfzig Eierl Wer doch auch
so einen Schlveftersohn hättel Trad einmal
möchte ich mich wieder an einer Portion
Spiegeleier satt effen. Zch glaube, 's halbe
Leben gäb' ich dafür."

In Lerrn Neusigl schlug der Freund durch.
„Ra," erwiderte er gutmütig, „wenn du sonst
keine Schmerzen hast, da kann dir geholfen
werden. Ein Dutzend will ich dir meinetwegen
abtreten. Zum Selbstkostenpreis. Ohne Fracht
und Spesen."

„Das wolltest du wirklich, Emeran? O,
du Goldmenschl Dafür schind' ich dir gewiß
meiner Lebtag niemals mehr den Zehner raus
beim Tarocken. Aber wie machen wir das
jetzt am besten? Äier auf dem Bahnhof-
platz-"

„Gehen wir halt in das Kontorhaus,"
schlug Äerr Neusigl vor.

„Da fährt ein immerwährender Lift, und
in den setzen wir uns hinein und du nimmst
dir von obenauf deine zwöls Stück."

„Eine glänzende Idee," jubelte Bachmair, „du hättest
Feldherr werden sollen!"

Dann zogen die beiden pfiffigen Burschen ab, und als
sie kurz darauf wieder aus dem Kontorhaus traten, da hatte
Äerr Bachmair in jeder Rocktasche sechs Eier, auf die er
ängstlich schützend seine Lände hielt.

Auf dem Wege nach seiner Wohnunq dachte 'er an
nichts als an den bevorstehenden Genuß, und wenn das
Waffer, das ihm dabei im Munde zusammen lief, etliche
Wochen früher gekommen wäre, so hätte er der trockenen
Natur damit ergibig aushelfen können. Ie mehr er sich
nun abcr bei diesen üppigen Bildern aufhielt, defto heftiger
begannen unangenehme Schatten deren hellstrahlenden Glanz
zu verdunkeln. Würde sich seine Frau überhaupt dazu
verstehen, das kostbare Gut an ein Frühstück des genuß-
süchtigen Eheherrn zu verschwenden? And wenn ste es
wirklich tat, würde sie nicht ihren ehrlichen Anteil daran
beanspruchen? Das verkürzte ihn selbst um die Lälste, und

in dieser Zeit ist der Mensch
Egoist. Viel wahrscheinlicher
war es indessen, daß der erste
Fall eintrat und seine Frau
das sauer erworbene Dutzend
Eier einfach für die Küche kon-
fiszierte. Nein, und xmal nein,
dazu verstand stch Lerr Bach-
mair unter keinen Llmständen;
die Eier waren sein und er
wollte sie allein verzehren.

Mit diesem seften, wenn auch
wenig schönem Vorsatz gelangte
er zu Lause an und begab sich
sofort in das Wohnzimmer,
wo er die Eier im Bücherschrank
versteckte und den Schlüssel ab-
zog. Das würde seiner Frau
nicht weiter ausfallen, denn sie
hatte nie Begehr nach dessen
Znhalt. Es würde schon ein-
mal eine Gelegenheit kommen.

wie man sein Land beschützt."
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