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0^5^^ Meggendorfer-Blätter, München ^ ^ ^^77)


Gemütlich

Die Lenne

Äerr Bachmair war nie in seinem Leben so erschrocken,
wie in diesem verhängnisvollen Augenblick. Er hatte nur
gerade noch die Geistesgegenwart, die Türe des Bücher-
schrankes zuzuschlagen, da trat auch seine Gattin schon zum
Zimmer herein.

„Last du vielleicht 20 Pfennige Kleingeld, Sebastian,"
sagte sie, „die Milchfrau kann-"

Mitten im Satze aber brach sie ab; ihr entsetzter Blick
fiel auf die sonderbare Bescheerung und von da auf den
fassungslosen Gatten.

„Se—bas—ti—an," schrie sie gellend auf, „was ist denn
dieses! Ein Ei! And zerbrochen auf meinem schönen Teppich!"

LerrBachmair erwog
in der Last der auf ihn
einstürmenden Empfin-
dungen bereits den ver-
wegenen Plan, seinen Lut
zu packen und sich auf die
Flucht zu begeben, um
dem Strafgericht seiner
besseren Lälfte zu ent-
gehen, dern in ihrer Wut
war ihr nichts mehr hei-
lig, da kam ihm in dieser
höchsten Not ein retten-
der Gedanke. Es ist dies
oft so im Leben! die Ge-
fahr schärft dieSinne und
die besten Jdeen werden
in Fällen härtester Be
drängnis geboren.

„Ia," stammelte er,
„das ist eine ganz rnerk-
würdige Sache. Ich bin
selber so erschrocken da-
rüber, daß ich an allen
Gliedern zittere. Denke
dir, wie es zuging. Also
ich stehe am offenen Fen-
ster und effe ein Stück
trockenes Brot — da höre
ich auf einmal ein Flügel-
rauschen, und ehe ich noch
recht schauen kann, kommt
eine Lenne durch das Fen-
ster geflogen — eine aus
unseres Nachbars Garten
— und schnappt mir den
lehten Bissen Brot aus
der Land. Ich mache na-
türlich eine heftige Be-
wegung, was die Lenne,
die ja nur ein unvernünf-
tiges Tier ist, so erschreckt
haben mag, daß fie mit
lautem Gegacker ein paar-
mal im Zimmer herum-
fliegt und dabei das Ei
hier fallen läßt. Ich suchte
sie abzufangen, ehe sie
weiteren Schaden anrich-
ten konnte, aber da fand
sie zum Glück das Loch
wieder und huschte hinaus.
Und nun haben wir das Unglück hier auf dem Teppich."

Zu jeder andern Zeit hätte Frau Bachmair diesen
Schwindel nicht geglaubt, denn sie war nach Frauenart über-
aus mißtrauisch, aber die Zeitumstände rechtfertigen ja so
manches: Die Lenne hatte eben Lunger gehabt und darum
diesen außergewöhnlichen Weg nicht gescheut, den sie reizen-
den Biffen zu erschnappen. Außerdem beschäftigte ihr Lirn
bereits eine spekulative Vorstellung, und das verwirrte
momentan ihren klaren Verstand, so daß sie der Erzählung
ihres Mannes vollen Glauben schenkte. And wie hätte sie
auch den wirklichen Zusammenhang ahnen können? Der lag
doch gar zu fern. Sie seufzte daher bloß und sagte vor-
wurfsvoll: „Du ungeschickter Tölpel du, hättest du das Ei



Frau (als ste der austretenden Köchin Buch, Lohn und Zeugnis
gegeben): „Was wollen Sie noch? Auf was warten
Sie r.och?"

— „Na,.... ich wollt nur noch bitten, daß Sie mir
da ins Stammbuch a schön's Versl hineinschreiben!"
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