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Zeitschrift für Humor und Kunst 59

Dte Lenne

nicht ausfanqen können?" Dann ging
fie in die Küche, holte einen Blech-
löffel, mit dem sie das Ei raupenrein
aufkratzte und dann den Fleck mit
Waiser wegspülte. Äerr Bachmair
aber räumte schleunigst den Echauplatz
seines Mißgeschicks und konnte gar
nicht oft genug den Kopf schütteln
darüber, daß er so billigen Kaufes
weggekommen war. Den „unge-
schickten Tölpel" steckte er gerne ein.

Denn das waren gewohnte Sachen.

An der Frau Vachmair konnte
man nun in der Folgezeit eine merk-
würdige Beobachtung macken. Sie,
die ihre Zeit sonst fast ständig in der
Küche zugebracht hatte, hielt fich jetzt
auffallend viel im Wohnzimmer auf.

Dabei stand sie mefft am offenen
Fenster und aß ein Stück trockenes
Brot, so daß der Brotvorrat er°
schreckend schnell abnahm. Oft warf
sie auch ein Stückchen über das Fenster-
brett hinunter und ließ leise Lock-
laute dabei hören. Aber nichts er-
eignete sich, was sie etwa zu erwarten
schien, und ihre Laune wurde infolge-
dessen von sehr übler Beschaffenheit. Auch wurde diese nicht
besser dadurch daß ihrem Tun eine gew sse heim'iche Scheu
anhaftete, was Lerrn Bachmair in wohlverstandener Dls-
kretion davon abhielt, das Wohnzimmer zu betreten, oder
wenn es doch geschah, so tun ließ, als ob er gar nichts
merkte. In der Stille mußte er fich oft den Bauch halten
vor Lachen, aber das mußte sehr, sehr in der Stille
geschehen, sonst wäre ihm das
Lachen wohl vergangen. Was
die noch reftlichen elf Eier im
Bücherschranke betraf, so ließ
er sie einstweilen ruhen. Moch-
ten sie auch schlecht werden, er
hatte bis auf weiteres alle Lust
verloren, mit ihnen in Berüh-
rung zu kommen.

Wenn übrigens Frau Bach-
mair gehofft hatte, daß, von
schönen Brotbrocken verlockt,
wieder einmal eine Äenne ins
Wohnzimmer geflogen kommen
sollte, um hier aus Dankbar-
keit oder Angst ein Ei zu legen
und dieses Manöver in erfreu-
licher Läufigkeit wiederholen
würde, so erwies sich das als
ein betrüblicher Irrtum. Keine
Äenne kam weder zum Fenster
noch sonstwo hereingeflogen.

Wohl aber eines Tages Lerr
Emeran Neusigl. Das heißt,
er kam natürlich durch die Türe,
wie alle anständigen Menschen
und nachdem er vorher ord-
nungsgemäß geläutet hatte. Er
frug nach seinem Freunde Se-
bastian und Sebastian wurde

herbeizitiert. Ihm war zumute
wie etwa einem Angeklagten, der
plötz'ich aufgerufen wird und dessen
Sache sehr ungewiß steht.

„Ich will mich gar nicht lange
aufhalten." erwiderte Äerr Neusigl
auf die Einladung der Äausfrau,
Platz zu nehmen. „Ich möchte nur
ein kleines Geschäftchen mit Wastl
erledigen."

„Ein kleines Geschäft? So, so!"
warf Frau Bachmair ein. „Da störe
ich doch nicht?"

„Nicht im geringsten, werte
Frau Bachmair," entgegnete Äerr
Neusigl. „Ich wollte eigentlich schon
längst kommen, aber die Zeit hat
mir gefehlt. 's ist nur wegen der
Eier von damals.

Frau Bachmair spitzte die Ohren
wie ein altes Militärpferd, wenn es
Musik hört, und ihr Gatte, der sich
immer stärker in die Nolle eines
Angeklagten hinein versetzt fühlte,
machte Augen wie ein Fisch auf dem
Sande.

„Du hast mir nämlich damals,"
fuhr Lerr Neusigl, zu Lerrn Bach-
mair gewendet, fort, „in der Eile und in der Dunkelheit
des Lifts anstatt eines Zweimarkscheines einen Fünfmark-
schein gegeben, und so bringe ich dir heute die drei Mark
wieder. Denn fünf Mark wären doch ein bißchen zuviel
für ein Dutzend Eier, selbst wenn sie geschmuggelt wären."
Und damit überreichte er Äerrn Bachmair lachend drei
einzelne Scheine.

— „Wenn wir uns einmal zanken sollten, Paul, — mindestens im
ersten Iahre müßtest du immer nett sein und gleich nachgeben."

— „And später?" — „O, da bist du dann schon daran gewöhnt."

Wert der Erinnerung

— „Iung müßte man sein, Schulz'n, — da
hielte man die schlechten Zeiten besser aus."

— „Iung sein, — nein, Müller'n, ich bin
froh, daß ich die Zeiten erlebt bab', wo die
Butter noch acht Groschen gekostet hat."
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