Zeitschrift für Humor und Kunst 107
— ,Warum willst du heute keine Klavierstunde?"
— „Erstens hab' ich nicht geübt, und zweitens macht mich das Falschspielen nervös!"
vater nähl
„So, Nutter. Dank' schön! Jetzt mach' ich's allein! —
(Die Naöel aber könnt' gröber wohl sein,"
Spricht er für sich unö betracht' seine Zinger:
„Zu leicht entgleiten so feine Dinger . . .")
„Ach, unö öer Faöen will sich nicht spitzenl"
Duält sich öer Schmieö unter Prusten unö Schwihen:
„Unö öer Iingerhut ist auch, — beim Teufel, — zu klein, —
Das soll 'ne georönete Wirtschaft sein?" . . .
Da springt öie Hausfrau vom Heröe herbei,
Zäöelt öen Zaöen unö zwingt eins, zwei, örei
An öen Aock schnell öen garstigen kleinen Knopf. —
Unö öer Dater öankt ihr mit rotem Kopf.
„Wie flink eine Hausfrau öoch arbeiten kann,"
Denkt er unö küßt ihr öie silbernen Locken. —
Da lächelt öie Gute: „Nun eil' öich, mein Nann,
Die Kirche beginnt. Schon läuten öie Glocken!"
E. hermann
Das Reimlexikon im Frieden und im Krieg
lassen, über das harle Los des bei der Verteilung der
Welt zu kurz gekommenen Poeten zu stöhnen. Ich heiterte
den traurig gewordenen Satiriker aber wieder auf, indem
ich seine Neimfertigkeit bewunderte. Er lächelte auch sofort.
„Nun ja, es geht an," meinte er. „Das waren natürlich
nur ein paar kleine Beispiele, — das ganze Buch steckt voll
solcher Ergänzungen, und täglich kommen neue hinzu. Viel-
leicht habe ich wieder einmal Gelegenheit, Ihnen ein paar
besonders schöne Exemplare solcher glücklich eingefangenen
Neime vorzuweisen. Erinnern Sie mich nur daran."
Das war im Iuli 1914. Vier Wochen später war
eine gewaltige Veränderung mit dem Satiriker Nero vor-
gegangen. Bisher hatte sich die ganze Kraft seiner Satire
immer nur gegen Erscheinungen innerhalb des Neichs-
gebietes gerichtet, und mit welcher Nnerschrockenheit er da-
bei verfahren war, ist schon gesagt worden. Damit war es
jetzt aus, — natürlich nicht ein für allemal aus, das wäre
zu viel gesagt, aber doch für eine geraume, unerwartet lange
Zeit. Nero verleuanete viel von dem, was er früher an
persönlichen Meinungen vorgebracht, indem er mit einer
Behendigkeit, gegen die das doch gewiß gewallige Tempo der
Mobilmachung fast ein Schneckengang war, vor seinen Lesern
ein ganz neues Bekenntnis ablegte: in einem sehr würdig
und ernst zu lesenden Gedicht sprach er mannhaft aus, daß
die kommenden Ereignisse nicht zu fürchten wären, — „Wir
haben Vertrauen!" hieß die Schlußzeile jeder der zehn
Strophen des Gedichts. Nach diesem vortrefflichen Anfang
stürzte er sich auf die Feinde, — mit der Feder natürlich,
aber noch viel unerschrockener, als er es jemals in seinen
innerpolitischen Satiren gewesen war. Warum denn auch
nicht? Willibald Rübesam konnte sehr wohl unerschrocken
gegenüber den Feinden sein, denn zwischen ihm und jenen
— ,Warum willst du heute keine Klavierstunde?"
— „Erstens hab' ich nicht geübt, und zweitens macht mich das Falschspielen nervös!"
vater nähl
„So, Nutter. Dank' schön! Jetzt mach' ich's allein! —
(Die Naöel aber könnt' gröber wohl sein,"
Spricht er für sich unö betracht' seine Zinger:
„Zu leicht entgleiten so feine Dinger . . .")
„Ach, unö öer Faöen will sich nicht spitzenl"
Duält sich öer Schmieö unter Prusten unö Schwihen:
„Unö öer Iingerhut ist auch, — beim Teufel, — zu klein, —
Das soll 'ne georönete Wirtschaft sein?" . . .
Da springt öie Hausfrau vom Heröe herbei,
Zäöelt öen Zaöen unö zwingt eins, zwei, örei
An öen Aock schnell öen garstigen kleinen Knopf. —
Unö öer Dater öankt ihr mit rotem Kopf.
„Wie flink eine Hausfrau öoch arbeiten kann,"
Denkt er unö küßt ihr öie silbernen Locken. —
Da lächelt öie Gute: „Nun eil' öich, mein Nann,
Die Kirche beginnt. Schon läuten öie Glocken!"
E. hermann
Das Reimlexikon im Frieden und im Krieg
lassen, über das harle Los des bei der Verteilung der
Welt zu kurz gekommenen Poeten zu stöhnen. Ich heiterte
den traurig gewordenen Satiriker aber wieder auf, indem
ich seine Neimfertigkeit bewunderte. Er lächelte auch sofort.
„Nun ja, es geht an," meinte er. „Das waren natürlich
nur ein paar kleine Beispiele, — das ganze Buch steckt voll
solcher Ergänzungen, und täglich kommen neue hinzu. Viel-
leicht habe ich wieder einmal Gelegenheit, Ihnen ein paar
besonders schöne Exemplare solcher glücklich eingefangenen
Neime vorzuweisen. Erinnern Sie mich nur daran."
Das war im Iuli 1914. Vier Wochen später war
eine gewaltige Veränderung mit dem Satiriker Nero vor-
gegangen. Bisher hatte sich die ganze Kraft seiner Satire
immer nur gegen Erscheinungen innerhalb des Neichs-
gebietes gerichtet, und mit welcher Nnerschrockenheit er da-
bei verfahren war, ist schon gesagt worden. Damit war es
jetzt aus, — natürlich nicht ein für allemal aus, das wäre
zu viel gesagt, aber doch für eine geraume, unerwartet lange
Zeit. Nero verleuanete viel von dem, was er früher an
persönlichen Meinungen vorgebracht, indem er mit einer
Behendigkeit, gegen die das doch gewiß gewallige Tempo der
Mobilmachung fast ein Schneckengang war, vor seinen Lesern
ein ganz neues Bekenntnis ablegte: in einem sehr würdig
und ernst zu lesenden Gedicht sprach er mannhaft aus, daß
die kommenden Ereignisse nicht zu fürchten wären, — „Wir
haben Vertrauen!" hieß die Schlußzeile jeder der zehn
Strophen des Gedichts. Nach diesem vortrefflichen Anfang
stürzte er sich auf die Feinde, — mit der Feder natürlich,
aber noch viel unerschrockener, als er es jemals in seinen
innerpolitischen Satiren gewesen war. Warum denn auch
nicht? Willibald Rübesam konnte sehr wohl unerschrocken
gegenüber den Feinden sein, denn zwischen ihm und jenen