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Kriegschronik der Meggendorfer-Blätter, München
Die Hilfsaktion — Wir werden dem armen Burschen wohl helfen
müfsen, wenn ich nur wüßte, wie?"
— „Ich denke, wir halten ihm eine schöne Rede."
Die Schneeschippverordnung
Der Lerr Äausbesitzer August Schniffke, 61 Zahre alt
und also nicht mehr hilfsdienstpslichtig, saß mit seiner Gattin
Emilie am Frühstückstisch. Er hatte cben die Zeitung ge-
lesen und rieb sich nun die Äände, — nicht um sie zu wärmen,
das war nicht nötig. Das Laus war zwar im allgemeinen
um diese Morgenstunde durch die Zentralheizung noch nicht
besonders erwärmt, aber bei Schniffkes stand ein nützlicher
eiserner Ofen, in dem sich gut Koks brennen ließ, und Koks
war ja da, — für die Zentralheizung. Nein, Schniffke rieb
stch die Lände, weil er sich freute. „Eine famose Verord-
nung ist jetzt herausgekommen, Emilie," erzählte er. „Bei
Schneefall in Berlin sind jetzt die Mieter verpflichtet, den
Schnee vor dem Lause wegzuschippcn. Wer sich weigert,
wird streng bestraft, — bis zu einem Iahre Gefängnis oder
bis zu zehntausend Mark Geldstrafe."
„Na ja, das ist die gewöhnliche Taxe," meinte Frau
Schniffke.
„Anterbrich mich nicht! Die Mieter müffen also Schnee
schippen. Abwechselnd. !lnd wer herankommen soll, das hat
der Lausbesitzer zu bestimmen. !lnd die Mieter haben zu
gehorchen. Ohne Widerrede. Gott sei Dank, endlich ein-
mal eine vernünftige Verordnung!"
Ietzt rieb sich auch Frau Schniffke die Lände. „Na,
du wirst die Sache schon machen, August."
„Werd' ich, da kannst du dich draus verlaffen. Ieht
sollen gewiffe Leute mal sehn, wie ich mit ihnen umspringen
kann. Die Bande soll mich kennen lernen. Mit
Krause im Parterre will ich's freilich gnädig
machen, weil wir ja ganz gute Freunde sind.
Den dispensiere ich zunächst. Aber wehe ihm,
wenn er mir wieder mal im Skat zu viel ab-
knöpftl Dann muß er schippen, daß er Blasen
an den Fingern kriegt und die Karten nicht
mehr halten kann. Aber zuerst werd' ich mir
mal den Geheimrat aus dem ersten Stock kau-
fen. Wenn der hochnäsige Kerl mich trifft,
sieht er mich an, als sollt' ich zuerst grüßen.
Ich werd' ihm zeigen, wer hier zu komman-
dieren hat."
Frau Schniffke schüttelte den Kopf. „Er
ist ja so kurzsichtig," meinte sie entschuldigend.
„Die Frau Geheimrat ist eine ganz vernünftige
und bescheidene Person. Neulich hat sie mir
ein Kompliment über meinen neuen §>ut ge-
macht. Aber die Sängerin neben Geheimrats,
die Klappsky. Die Person ist einfach nicht
auszustehn. Wie die sich anziehtl Beinahe
jeden Tag was Neues. Istzt hat sie einen
Chinchillakragen, — unsereins kann sich so was
nicht leisten. Die solltest du mal stramm heran-
nehmen, August."
„Wenn's dich freut, Emilie, — man immer-
zu! Soll sie vors L>aus, wenn's recht tüchtig
kalt ist."
„Dann kann sie ja ihren kostbaren Chinchilla-
kragen zum Schippen umnehmen," freute sich
Frau Schniffke.
Lerr Schniffke überlegte weiter. „Mit
Meierfeld ist das so 'ne Sache. Ich will ihm
sowieso die Wohnung kündigen. Mit dem
Mann möchte ich in Ruhe auseinander kom-
men, — wegen der letzten Quartalsmiete. Ich
habe so eine Ahnung, daß der Kunde seine
Möbel bloß auf Leihkontrakt hat. Nachher
zahlt er die Miete nicht, und dann hab' ich
das Nachsehn. Nee, Meierfeld will ich lieber hübsch in
Ruhe laffen. Jch kann ja annehmen, daß der Mann brust-
leidend ist und das Schippen nicht verträgt."
„Ia, sage mal, wie ist das überhaupt, wenn nun einer
krank ist?" fragte Frau Schniffke. „Der Prosessor im zweiten
Stock hat doch Rheumatismus."
Äerr Schniffke lachte. „Rheumatismus, — das kann
jeder sagen. Faule Ausrede. Dem Profefsor werd' ich
kommen! Wie hat der Kerl mich vorigen Winter geärgert,
als wir noch keine Kohlenverordnung hatten. 13 Grad in
seinem Arbeitszimmer wären zu wenig, hat er gesagt, und
eine einstweilige Verfügung wollte er gegen mich erwirken.
Schippen soll mir der Professor, schippen! Da wird ihm
warm werden, wenn der Schnee meterhoch liegt."
Frau Schniffke fiel etwas ein. „Ia, August, wcnn wir
aber in diesem Winter gar keine besonderen Schneefälle
haben?"
„Das müßte ja mit dem Teufel zugehn," brummte Lerr
Schniffke. „Loffen wir, daß der Limmel ein Einsehn hat.
Schneien soll es, jeden Tag wie blödsinnig schneien."
GedanenstS
Bedürftig
Iunge <d>e Rase am Rockärmel abputzend): „Ich möchte einen
Bezugsschein sür Taschentücher habenl"
Beamter: „Iawohl, mein Junge, den kann ich dir mit
gutem Gewiffen ausstellen."
I 17. 1V17.
Kriegschronik der Meggendorfer-Blätter, München
Die Hilfsaktion — Wir werden dem armen Burschen wohl helfen
müfsen, wenn ich nur wüßte, wie?"
— „Ich denke, wir halten ihm eine schöne Rede."
Die Schneeschippverordnung
Der Lerr Äausbesitzer August Schniffke, 61 Zahre alt
und also nicht mehr hilfsdienstpslichtig, saß mit seiner Gattin
Emilie am Frühstückstisch. Er hatte cben die Zeitung ge-
lesen und rieb sich nun die Äände, — nicht um sie zu wärmen,
das war nicht nötig. Das Laus war zwar im allgemeinen
um diese Morgenstunde durch die Zentralheizung noch nicht
besonders erwärmt, aber bei Schniffkes stand ein nützlicher
eiserner Ofen, in dem sich gut Koks brennen ließ, und Koks
war ja da, — für die Zentralheizung. Nein, Schniffke rieb
stch die Lände, weil er sich freute. „Eine famose Verord-
nung ist jetzt herausgekommen, Emilie," erzählte er. „Bei
Schneefall in Berlin sind jetzt die Mieter verpflichtet, den
Schnee vor dem Lause wegzuschippcn. Wer sich weigert,
wird streng bestraft, — bis zu einem Iahre Gefängnis oder
bis zu zehntausend Mark Geldstrafe."
„Na ja, das ist die gewöhnliche Taxe," meinte Frau
Schniffke.
„Anterbrich mich nicht! Die Mieter müffen also Schnee
schippen. Abwechselnd. !lnd wer herankommen soll, das hat
der Lausbesitzer zu bestimmen. !lnd die Mieter haben zu
gehorchen. Ohne Widerrede. Gott sei Dank, endlich ein-
mal eine vernünftige Verordnung!"
Ietzt rieb sich auch Frau Schniffke die Lände. „Na,
du wirst die Sache schon machen, August."
„Werd' ich, da kannst du dich draus verlaffen. Ieht
sollen gewiffe Leute mal sehn, wie ich mit ihnen umspringen
kann. Die Bande soll mich kennen lernen. Mit
Krause im Parterre will ich's freilich gnädig
machen, weil wir ja ganz gute Freunde sind.
Den dispensiere ich zunächst. Aber wehe ihm,
wenn er mir wieder mal im Skat zu viel ab-
knöpftl Dann muß er schippen, daß er Blasen
an den Fingern kriegt und die Karten nicht
mehr halten kann. Aber zuerst werd' ich mir
mal den Geheimrat aus dem ersten Stock kau-
fen. Wenn der hochnäsige Kerl mich trifft,
sieht er mich an, als sollt' ich zuerst grüßen.
Ich werd' ihm zeigen, wer hier zu komman-
dieren hat."
Frau Schniffke schüttelte den Kopf. „Er
ist ja so kurzsichtig," meinte sie entschuldigend.
„Die Frau Geheimrat ist eine ganz vernünftige
und bescheidene Person. Neulich hat sie mir
ein Kompliment über meinen neuen §>ut ge-
macht. Aber die Sängerin neben Geheimrats,
die Klappsky. Die Person ist einfach nicht
auszustehn. Wie die sich anziehtl Beinahe
jeden Tag was Neues. Istzt hat sie einen
Chinchillakragen, — unsereins kann sich so was
nicht leisten. Die solltest du mal stramm heran-
nehmen, August."
„Wenn's dich freut, Emilie, — man immer-
zu! Soll sie vors L>aus, wenn's recht tüchtig
kalt ist."
„Dann kann sie ja ihren kostbaren Chinchilla-
kragen zum Schippen umnehmen," freute sich
Frau Schniffke.
Lerr Schniffke überlegte weiter. „Mit
Meierfeld ist das so 'ne Sache. Ich will ihm
sowieso die Wohnung kündigen. Mit dem
Mann möchte ich in Ruhe auseinander kom-
men, — wegen der letzten Quartalsmiete. Ich
habe so eine Ahnung, daß der Kunde seine
Möbel bloß auf Leihkontrakt hat. Nachher
zahlt er die Miete nicht, und dann hab' ich
das Nachsehn. Nee, Meierfeld will ich lieber hübsch in
Ruhe laffen. Jch kann ja annehmen, daß der Mann brust-
leidend ist und das Schippen nicht verträgt."
„Ia, sage mal, wie ist das überhaupt, wenn nun einer
krank ist?" fragte Frau Schniffke. „Der Prosessor im zweiten
Stock hat doch Rheumatismus."
Äerr Schniffke lachte. „Rheumatismus, — das kann
jeder sagen. Faule Ausrede. Dem Profefsor werd' ich
kommen! Wie hat der Kerl mich vorigen Winter geärgert,
als wir noch keine Kohlenverordnung hatten. 13 Grad in
seinem Arbeitszimmer wären zu wenig, hat er gesagt, und
eine einstweilige Verfügung wollte er gegen mich erwirken.
Schippen soll mir der Professor, schippen! Da wird ihm
warm werden, wenn der Schnee meterhoch liegt."
Frau Schniffke fiel etwas ein. „Ia, August, wcnn wir
aber in diesem Winter gar keine besonderen Schneefälle
haben?"
„Das müßte ja mit dem Teufel zugehn," brummte Lerr
Schniffke. „Loffen wir, daß der Limmel ein Einsehn hat.
Schneien soll es, jeden Tag wie blödsinnig schneien."
GedanenstS
Bedürftig
Iunge <d>e Rase am Rockärmel abputzend): „Ich möchte einen
Bezugsschein sür Taschentücher habenl"
Beamter: „Iawohl, mein Junge, den kann ich dir mit
gutem Gewiffen ausstellen."
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