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Meggendorfer-Blätter, München
Das Geheimnis
Frau Käseborn tritt ins Zimmer und spricht:
„Mein Schatz!" Doch Äerr Käseborn antwortet nicht,
Denn Käseborn geht mit stoischer Nuh
Im Zimmer entlang und raucht Pfeife dazu.
„Lieb Schatzerl," Frau Käseborn wiederum spricht;
Doch wiederum antwortet Käseborn nicht.
Nur schneller noch schreitet und qualmt er dazu,
Schon decken die Schwaden die Gattin fast zu.
Schon sieht man vor Qualm in der Wohnung nichts mehr,
Doch ärger nur qualmt er und schreitet einher.
„Mein Mannerl, mein gutes," Frau Käseborn weint;
Lerr Käseborn ist, ach, verrückt, wie ste meint.
„O, Käseborn," fleht sie, „o Käseborn mein,
Ach sprich nur ein Wörtchen und ende die Pein!"
Der Blutegel Von Peter Robinson
Meine kleine Tochter hat neulich einen Aufsatz
aufgehabt: „Llnsere Laustiere," wobei es in das Be-
lieben der Schülerinnen gestellt war, statt des Plurals
den Singular zu nehmen und nur „llnjer Laustier"
zu beschreiben. Denn es sollte bei dieser Arbeit nicht
um einen ökonomischen oder naturwifsenschaftlichen
oder um einen aus beidem gemischten Artikel nch
handeln, der etwa die sämtlichen, von der europmschen
Menschheit zu gemeinem Nutzen gezüchteten Tiere
einer Betrachtung unlerzog, — nein, der Aufsatz
sollte sich auf das engere Familienleben beschränken
und darin aus eigener Erfahrung von irgend welchen
zum Vergnügen geyaltenen Lebewesen berichtet wer-
den, gewissermaßen von den tierischen Familienmit-
gliedern, wie Lunden, Katzen, Papageien und so wei-
ter. Diesen Aussatz ohne Schwindelei liefern zu
können, setzte also das Vorhandensein eines solchen
Lausgenossen voraus. Daran aber fehlt es uns:
wir haben kein Laustier. Meine Tochter war, als
strebsame Schülerin, unqlücklich darüber und geneigt,
mir einen Vorwurf daraus zu machen, daß ich nicht
schon längft irgend ein Tier angeschafft hatte. Fast
hätte ich mich entschlossen — denn es ist ja meine
Pflicht, meinem Kinde nicht nur die Schulbücher,
sondern auch alles andere nötige Lernmaterial zu
halten — noch schleunigst einen Lund zu kaufen. Aber
die Bedenken überwogen: das Tier, das natürlich
jung hätte sein müssen, denn ein älterer Lund ge-
wöhnt sich schlecht ein, hätte am ersten Tage sich wohl
nicht besonders angenehm aufgeführt; am Ende
wäre es noch gar nicht stubenrein, für einen Töchter-
schulaufsatz also kein genügend liebenswürdiger Ge-
genstand gewesen.
Ein solcher fand sich aber doch noch in letzter
Stunde. Ich hatte ein paar Tage vorher aus einem
Tümvel etwa ein Dutzend Froscheier geschöpft, zur
Belehrung meiner Tochter, die sie in einem mit Kräu-
tern ausgestatteten Glase wohnlich untergebracht hatte.
!lnd siehe da: gerade als mit dem Aufsatz nicht länger
gezögert werden durfte, fand es sich, daß aus dreien
der Eier bereits Kaulquappen geschlüpft waren, die
der Freude an ihrer eben begonnenen Existenz durch
hurtige aber zierliche Bewegungen Ausdruck gaben.
Meine Tochter beschrieb also die Kaulquappen, ihre
Wohnung, ihre vermutliche Nahrung (die Kräuter
im Glase), ihr Benehmen und das Vergnügen, das
sie dem Beschauer bereiteten, — und da es drei
Kaulquappen waren, konnte sie sogar über diesen
gut geratenen Aufsatz den Plural fchreiben: Ansere
Laustiere.
Was aber hat die Lehrerin getan? Kühl und
verständnislos hat sie unter den Aufsatz geschriebenn
Kaulquappen sind keine Laustiere! Dies kränkte
micb fast mehr als meine Tochter, denn ich war es
gewesen, der zuerst die Kaulquappen der schullitera
rischen Behandlung sür würdig erachtet hatte. Warum
sollten Kaulquappen nicht Laustiere sein können?
Eine Spinne wird im allgemeinen auch nicht geschätzt
werden, und doch kann ste im besonderen Fall zu
einem zärtlich geliebten Kameraden werden, wie wir
aus der bekannten rührenden Geschichte von dem
armen Gefangenen wiffen — meistens wird er als
unschuldiges Opfer politischer Ränke bezeichnet, —
dem in seiner schrecklichen Einsamkeit eine Spinne-
Meggendorfer-Blätter, München
Das Geheimnis
Frau Käseborn tritt ins Zimmer und spricht:
„Mein Schatz!" Doch Äerr Käseborn antwortet nicht,
Denn Käseborn geht mit stoischer Nuh
Im Zimmer entlang und raucht Pfeife dazu.
„Lieb Schatzerl," Frau Käseborn wiederum spricht;
Doch wiederum antwortet Käseborn nicht.
Nur schneller noch schreitet und qualmt er dazu,
Schon decken die Schwaden die Gattin fast zu.
Schon sieht man vor Qualm in der Wohnung nichts mehr,
Doch ärger nur qualmt er und schreitet einher.
„Mein Mannerl, mein gutes," Frau Käseborn weint;
Lerr Käseborn ist, ach, verrückt, wie ste meint.
„O, Käseborn," fleht sie, „o Käseborn mein,
Ach sprich nur ein Wörtchen und ende die Pein!"
Der Blutegel Von Peter Robinson
Meine kleine Tochter hat neulich einen Aufsatz
aufgehabt: „Llnsere Laustiere," wobei es in das Be-
lieben der Schülerinnen gestellt war, statt des Plurals
den Singular zu nehmen und nur „llnjer Laustier"
zu beschreiben. Denn es sollte bei dieser Arbeit nicht
um einen ökonomischen oder naturwifsenschaftlichen
oder um einen aus beidem gemischten Artikel nch
handeln, der etwa die sämtlichen, von der europmschen
Menschheit zu gemeinem Nutzen gezüchteten Tiere
einer Betrachtung unlerzog, — nein, der Aufsatz
sollte sich auf das engere Familienleben beschränken
und darin aus eigener Erfahrung von irgend welchen
zum Vergnügen geyaltenen Lebewesen berichtet wer-
den, gewissermaßen von den tierischen Familienmit-
gliedern, wie Lunden, Katzen, Papageien und so wei-
ter. Diesen Aussatz ohne Schwindelei liefern zu
können, setzte also das Vorhandensein eines solchen
Lausgenossen voraus. Daran aber fehlt es uns:
wir haben kein Laustier. Meine Tochter war, als
strebsame Schülerin, unqlücklich darüber und geneigt,
mir einen Vorwurf daraus zu machen, daß ich nicht
schon längft irgend ein Tier angeschafft hatte. Fast
hätte ich mich entschlossen — denn es ist ja meine
Pflicht, meinem Kinde nicht nur die Schulbücher,
sondern auch alles andere nötige Lernmaterial zu
halten — noch schleunigst einen Lund zu kaufen. Aber
die Bedenken überwogen: das Tier, das natürlich
jung hätte sein müssen, denn ein älterer Lund ge-
wöhnt sich schlecht ein, hätte am ersten Tage sich wohl
nicht besonders angenehm aufgeführt; am Ende
wäre es noch gar nicht stubenrein, für einen Töchter-
schulaufsatz also kein genügend liebenswürdiger Ge-
genstand gewesen.
Ein solcher fand sich aber doch noch in letzter
Stunde. Ich hatte ein paar Tage vorher aus einem
Tümvel etwa ein Dutzend Froscheier geschöpft, zur
Belehrung meiner Tochter, die sie in einem mit Kräu-
tern ausgestatteten Glase wohnlich untergebracht hatte.
!lnd siehe da: gerade als mit dem Aufsatz nicht länger
gezögert werden durfte, fand es sich, daß aus dreien
der Eier bereits Kaulquappen geschlüpft waren, die
der Freude an ihrer eben begonnenen Existenz durch
hurtige aber zierliche Bewegungen Ausdruck gaben.
Meine Tochter beschrieb also die Kaulquappen, ihre
Wohnung, ihre vermutliche Nahrung (die Kräuter
im Glase), ihr Benehmen und das Vergnügen, das
sie dem Beschauer bereiteten, — und da es drei
Kaulquappen waren, konnte sie sogar über diesen
gut geratenen Aufsatz den Plural fchreiben: Ansere
Laustiere.
Was aber hat die Lehrerin getan? Kühl und
verständnislos hat sie unter den Aufsatz geschriebenn
Kaulquappen sind keine Laustiere! Dies kränkte
micb fast mehr als meine Tochter, denn ich war es
gewesen, der zuerst die Kaulquappen der schullitera
rischen Behandlung sür würdig erachtet hatte. Warum
sollten Kaulquappen nicht Laustiere sein können?
Eine Spinne wird im allgemeinen auch nicht geschätzt
werden, und doch kann ste im besonderen Fall zu
einem zärtlich geliebten Kameraden werden, wie wir
aus der bekannten rührenden Geschichte von dem
armen Gefangenen wiffen — meistens wird er als
unschuldiges Opfer politischer Ränke bezeichnet, —
dem in seiner schrecklichen Einsamkeit eine Spinne-