Zeitschrift für Humor und Kunst <DS22D(DXID(ID(ID(HSS> 171
Die Fruchtschale
„Nun, Lothar," drällgte sie,
„was sagst du dazu?"
„Was ich dazu sage, Liebste?
Ganz hübsch," antwortete er.
„Ganz hübsch," äffte ihn
Frau Agathe ärgerlich nach.
„Du tust ja, als ob es sich um
ein Bartbürstel handelte. Das
Ding gefällt dir wohl nicht?"
„Gewiß, gewiß," lenkte
L>err Schmidt ein, „ausnehmend
sogar. Sehr kunstvoll gearbeitet,
aber-"
„Na, was aber-?"
„Ein äußerst gediegener Ge-
genstand, namentlich bei näherer
Betrachtung. Aber es macht
wenig äußerlichen Effekt."
„So wäre es dir wohl lieber
gewesen, ich hätte einen guß
eisernen Reiter heimgebracht,
oder einen zinnernen Löwen,
der einen Federhalter im Maule
hält, oder gar einen holländischen
Schiffer mit abschraubbarem
Kopf zum Auffüllen von Senf
oder Likör."
„Verstehe mich nicht falsch,
meine liebe Agathe," begütigte
Lerr Schmidt seine gekränkte
Gattin. „Der Einkauf macht
deinem guten Geschmack alle
Ehre, und ich bin kein solcher
Ignorant, daß ich den Wert
dieser schönen Schale nicht zu
schähen verstände; aber ob das
gleiche auch bei Max der Fall
sein wird? Llnd dabei hat das
Ding gewiß seine — seine fünfzehn Mark gekostet."
„Äimmlischer Vater," kreischte Frau Agathe entsetzt
auf, „fünfzehn Mark, sagt die erbarmungswürdige Kreatur!
Fünfundvierzig hat sie gekostet, daß du es weißt!"
Lerr Schmidt wurde um einen Schein blässer.
„Fünf—und—vierzig?" wiederholte er dann gedehnt,
um seine Bestürzung zu verbergen. „Das ist aber viel
Geld! Ich meine: viel im Verhältnis zu dem Gegenstand.
Allerdings, die Schale ist ja sehr kunstvoll, Landarbeit ohne
Zweifel und noch dazu ein Meisterstück.-" Frau
Agathe geriet allmählich in Zorn.
„Du redest daher wie ein Nachtwächter oder ein Leim
sieder mit deinem: sehr schön und sehr kunstvoll," schalt sie.
„And dabei steht dir die Verlegenheit auf dem Gesicht ge-
schrieben. Nimm dir doch kein Blatt vor den Mund und
sage: Das Ding gefällt mir nicht, du hast dich beschummeln
laffen und so weiter."
„Alles das liegt mir sern, meine gute Agathe," ergriff
der in die Enge getriebene Gatte wieder das Wort. „Aber
Äand aufs Äerz und streng objektiv gesprochen: sieht die
Schale aus, als ob ste ein halb hundert Mark gekostet hätte?
Gewiß nicht, und Max wird sie sicher nicht dafür ansehen."
„So wärst du halt mitgegangen," maulte Frau Agathe,
nun selbst im Zweifel darüber, ob nicht ihr Gatte dennoch
recht hätte. Der aber beeilte sich hinzuzusetzen: „Das wäre
auf keinen Fall anders gewesen. Ich hätte ganz sicher so
wie du entschieden. Denn in
ihrer früheren ftilvollen Amge-
bung hat die Schale gewiß einen
viel reicheren Eindruck gemacht,
als nun, da sie so isoliert auf
einem gewöhnlichen Eßtisch
steht."
„Was nutzt das?" warf Frau
Agathe ein. „Wir haben sie
einmal und zurücktragen tu' ich
sie auf keinen Fall. Vielleicht
beweist Max doch mehr Kunst
verständnis, als du denkst."
„Möglich! Aber immerhin: vor-
gebaut ist beffer, wie nachge-
schaut. ^lnd da habe ich eine
Idee.
Wir kleben einfach aufdieNück-
seite recht auffällig einen Zettel
mit dem Preis, dann haben wir
unsern Zweck bei Max erreicht.
Sehr nobel ist das Verfahren
nicht, aber die besondere Lage
muß das rechtfertigen."
„Es wird das beste sein,"
gab seufzend Frau Agathe zu.
„Nichts anderes als die
Wahrheit, Agathe." Dann
schaffte der Nendant a. D. mit
lobenswertem Eifer Papier,
Tinte und Leim herbei, schnitt
kunstgerecht und sauber ein
Papierchen aus und malte mit
dicken und großen Strichen die
Zahl fünfundvierzig darauf.
„Ietzt sind wir aus allen
Verlegenheiten heraus," kicherte
er, bestrich den Zettel mit Leim,
drehte die Schale herum und
klirr — fiel die Glaseinlage heraus und splitterte in un-
gezählte Scherben.
Frau Agathe sank, wie sie stand, in einen Stuhl und
war keines Wortes mächtig. Auch Äerrn Schmidt fuhr
es wie ein Starrkramps in die Glieder, und völlig nieder-
geschmettert sah er auf das Bild der Zerstörung. Einige
Minuten verstrichen so in stummem Grauen, dann drehte
Äerr Schmidt die Schale bedächtig wieder herum.
„Da schau her," sagte er tonlos, „einer von diesen
Satanshaken, die das Glas halten, ist drehbar, und so
mußte das Glas herausfallen. Wer hätte auch daran
gedacht."
„Ein Glück, daß ich es nicht war," replizierte sie mit
dumpfer Stimme.
Äerr Schmidt überhörte das. Dann hielt er plötzlich
die Schale auf Armeslänge von sich und sagte in einem
Tone freudiger Aeberraschung: — „Weißt du, was ich da
eben entdecke? die Schale sieht auch ohne die Glaseinlage
ganz gut aus. Ia direkt pompös. Kein Mensch merkt,
daß da etwas fehlt."
„Allerdings," gab Frau Agathe scharf zur Antwort.
„And jetzt kann man über deren Wert nicht mehr im Zweifel
sein. Fünfzehn Mark, ganz wie du anfangs sagtest."
„Nun ja meinetwegen," pflichtete Lerr Schmidt ver-
drießlich bei, „fünfzehn Mark sind auch schon eine respek-
table Ausgabe für ein Äochzeitsgeschenk, und wenigstens
Auf dem Uebungsplah — „Großartige Wen-
dungen beschreibt der Plotho." — „Na, nachher bei
Tisch wird er fie noch viel großartiger beschreiben."
Die Fruchtschale
„Nun, Lothar," drällgte sie,
„was sagst du dazu?"
„Was ich dazu sage, Liebste?
Ganz hübsch," antwortete er.
„Ganz hübsch," äffte ihn
Frau Agathe ärgerlich nach.
„Du tust ja, als ob es sich um
ein Bartbürstel handelte. Das
Ding gefällt dir wohl nicht?"
„Gewiß, gewiß," lenkte
L>err Schmidt ein, „ausnehmend
sogar. Sehr kunstvoll gearbeitet,
aber-"
„Na, was aber-?"
„Ein äußerst gediegener Ge-
genstand, namentlich bei näherer
Betrachtung. Aber es macht
wenig äußerlichen Effekt."
„So wäre es dir wohl lieber
gewesen, ich hätte einen guß
eisernen Reiter heimgebracht,
oder einen zinnernen Löwen,
der einen Federhalter im Maule
hält, oder gar einen holländischen
Schiffer mit abschraubbarem
Kopf zum Auffüllen von Senf
oder Likör."
„Verstehe mich nicht falsch,
meine liebe Agathe," begütigte
Lerr Schmidt seine gekränkte
Gattin. „Der Einkauf macht
deinem guten Geschmack alle
Ehre, und ich bin kein solcher
Ignorant, daß ich den Wert
dieser schönen Schale nicht zu
schähen verstände; aber ob das
gleiche auch bei Max der Fall
sein wird? Llnd dabei hat das
Ding gewiß seine — seine fünfzehn Mark gekostet."
„Äimmlischer Vater," kreischte Frau Agathe entsetzt
auf, „fünfzehn Mark, sagt die erbarmungswürdige Kreatur!
Fünfundvierzig hat sie gekostet, daß du es weißt!"
Lerr Schmidt wurde um einen Schein blässer.
„Fünf—und—vierzig?" wiederholte er dann gedehnt,
um seine Bestürzung zu verbergen. „Das ist aber viel
Geld! Ich meine: viel im Verhältnis zu dem Gegenstand.
Allerdings, die Schale ist ja sehr kunstvoll, Landarbeit ohne
Zweifel und noch dazu ein Meisterstück.-" Frau
Agathe geriet allmählich in Zorn.
„Du redest daher wie ein Nachtwächter oder ein Leim
sieder mit deinem: sehr schön und sehr kunstvoll," schalt sie.
„And dabei steht dir die Verlegenheit auf dem Gesicht ge-
schrieben. Nimm dir doch kein Blatt vor den Mund und
sage: Das Ding gefällt mir nicht, du hast dich beschummeln
laffen und so weiter."
„Alles das liegt mir sern, meine gute Agathe," ergriff
der in die Enge getriebene Gatte wieder das Wort. „Aber
Äand aufs Äerz und streng objektiv gesprochen: sieht die
Schale aus, als ob ste ein halb hundert Mark gekostet hätte?
Gewiß nicht, und Max wird sie sicher nicht dafür ansehen."
„So wärst du halt mitgegangen," maulte Frau Agathe,
nun selbst im Zweifel darüber, ob nicht ihr Gatte dennoch
recht hätte. Der aber beeilte sich hinzuzusetzen: „Das wäre
auf keinen Fall anders gewesen. Ich hätte ganz sicher so
wie du entschieden. Denn in
ihrer früheren ftilvollen Amge-
bung hat die Schale gewiß einen
viel reicheren Eindruck gemacht,
als nun, da sie so isoliert auf
einem gewöhnlichen Eßtisch
steht."
„Was nutzt das?" warf Frau
Agathe ein. „Wir haben sie
einmal und zurücktragen tu' ich
sie auf keinen Fall. Vielleicht
beweist Max doch mehr Kunst
verständnis, als du denkst."
„Möglich! Aber immerhin: vor-
gebaut ist beffer, wie nachge-
schaut. ^lnd da habe ich eine
Idee.
Wir kleben einfach aufdieNück-
seite recht auffällig einen Zettel
mit dem Preis, dann haben wir
unsern Zweck bei Max erreicht.
Sehr nobel ist das Verfahren
nicht, aber die besondere Lage
muß das rechtfertigen."
„Es wird das beste sein,"
gab seufzend Frau Agathe zu.
„Nichts anderes als die
Wahrheit, Agathe." Dann
schaffte der Nendant a. D. mit
lobenswertem Eifer Papier,
Tinte und Leim herbei, schnitt
kunstgerecht und sauber ein
Papierchen aus und malte mit
dicken und großen Strichen die
Zahl fünfundvierzig darauf.
„Ietzt sind wir aus allen
Verlegenheiten heraus," kicherte
er, bestrich den Zettel mit Leim,
drehte die Schale herum und
klirr — fiel die Glaseinlage heraus und splitterte in un-
gezählte Scherben.
Frau Agathe sank, wie sie stand, in einen Stuhl und
war keines Wortes mächtig. Auch Äerrn Schmidt fuhr
es wie ein Starrkramps in die Glieder, und völlig nieder-
geschmettert sah er auf das Bild der Zerstörung. Einige
Minuten verstrichen so in stummem Grauen, dann drehte
Äerr Schmidt die Schale bedächtig wieder herum.
„Da schau her," sagte er tonlos, „einer von diesen
Satanshaken, die das Glas halten, ist drehbar, und so
mußte das Glas herausfallen. Wer hätte auch daran
gedacht."
„Ein Glück, daß ich es nicht war," replizierte sie mit
dumpfer Stimme.
Äerr Schmidt überhörte das. Dann hielt er plötzlich
die Schale auf Armeslänge von sich und sagte in einem
Tone freudiger Aeberraschung: — „Weißt du, was ich da
eben entdecke? die Schale sieht auch ohne die Glaseinlage
ganz gut aus. Ia direkt pompös. Kein Mensch merkt,
daß da etwas fehlt."
„Allerdings," gab Frau Agathe scharf zur Antwort.
„And jetzt kann man über deren Wert nicht mehr im Zweifel
sein. Fünfzehn Mark, ganz wie du anfangs sagtest."
„Nun ja meinetwegen," pflichtete Lerr Schmidt ver-
drießlich bei, „fünfzehn Mark sind auch schon eine respek-
table Ausgabe für ein Äochzeitsgeschenk, und wenigstens
Auf dem Uebungsplah — „Großartige Wen-
dungen beschreibt der Plotho." — „Na, nachher bei
Tisch wird er fie noch viel großartiger beschreiben."