<x><xx><><>0<^ Zeitschrift für Humor und Kunst c^^XXXXXXXXXXXXXXX) 187
Das Vild des Kriegers
so daß sie die Sachen erst noch einmal brennen lassen muß,
ehe fie sie verschenken kann. Beim Brennen zerspringt
manchmal ein Stück oder trägt sonst einen Schaden davon,
und das ist auch Tante Nosa schon mehrfach widerfahren.
Die Brotplatte aber ist nicht zersprungen. Leute, die sich
auf ihre Aufrichtigkeit etwas einbilden, möchten, wenn sie
die Brotplatte mit den Zwergen sehn würden (oder viel-
leicht genügt ihnen auch schon die Beschreibung), am Ende
sagen, das wäre recht schade gewesen. Eichschmidts aber,
die doch die Platte nun in Besitz haben und auf ihren
Eßtisch legen müssen, immer dann zum mindesten, wenn
Tante Nosa zu Besuch kommt, — Eichschmidts also haben
das noch niemals gesagt. Im Gegenteil, sie haben fich sehr
gefreut, daß die Platte das Feuer so gut überstanden hat,
denn Eichschmidts sind, wie schon zweimal gesagt, nette und
freundliche Leute. Für Tante Nosa wäre es doch ein
Schmerz gewesen, wenn die Platte zu Schaden gekommen
wäre, und Eichschmidts wollen nicht, daß Tante Nosa Kummer
hat. Denn das alte Fräulein, das jetzt an die siebzig
heran ist, hat sich bis zum fünfzigsten Iahre elend genug
als Erzieherin in der Welt herumstoßen lassen müssen, bis
sie durch eine schöne Erbschast unabhängig wurde und sich
in einem hübschen Vorort niederlassen konnte, von wo aus
sie Eichschmidts, die mitten in der Stadt wohnen, alle vier-
zehn Tage einmal besucht. Dort draußen lebt sie nun be-
haglich und hat an ihrer Malerei große Freude, die Eich-
schmidts ihr von Lerzen Zönnen. Freude soll der Mensch
doch haben, selbst wenn er durch solche Art Malerei dazu
kommt. Freude ist dem Menschen so nötig wie das tägliche
Brot, und es ist ein Trost, daß man sie nicht wie dieses
von Obrigkeits wegen rationieren kann. Dann käme elend
wenig auf den einzelnen, denn der Staat tut so schon
genug, die Freude verschwinden zu lassen.-
Diesmal nun hatte Tante Nosa für Eichschmidts ein
ganz besonderes, die Brotplatte noch bei weitem über-
— „Du, Paul, — m^ser Äänschen freut sich sehr über sein
Schiff, aber er möchte gern noch ein Ll-Boot."
— „Nicht nötig, das Schiff wird so wie so bald kaputt gehn."
Einslchtsvvü — „Tknsre Männer schätzen die Arbeit
gar nicht, die an solchen selbstgefer-
tigten Weihnachtsgeschenken hängt."
— „Na, seien wir zufrieden, daß sie
alle unsre Nadelstiche nicht zählen."
treffendes Weihnachtsgeschenk, — sie hatte ihr erstes Porträt
gemalt. Natürlich nicht auf Porzellan, bewahre, auf Lein-
wand. Es war das Bildnis eines Kriegers, eines selbst-
verständlich tapferen feldgrauen Kriegers, und zwar das-
jenige des sehr jungen Äerrn Leutnants Kurt Eichschmidt,
der in der Familie gewöhnlich Kurtchen genannt wurde.
Kriegerbilder sind seit Ausbruch des Krieges in gewaltigen
Mengen verfertigt worden; eine förmliche Industrie hatte
sich sofort auch dieser Möglichkeit zu einem recht lohnenden
Geschäft bemächtigt. Meistens mußten die Bilder in Ab-
wesenheit des Darzustellenden hergestellt werden, denn natür-
lich hatten die meisten Krieger gar keine Zeit, zu einem
Bilde zu sitzen, da sie doch liegen mußten, nämlich im Schützen-
graben. Aber man hatte ja die Photographie als freund-
liche Vermittlerin, und so konnte für Aehnlichkeit garantiert
werden. Meistens sind die Besteller solcher Bilder auch mit
der Aehnlichkeit zufrieden gewesen; die Aniforrn stimmte,
und diese war ja schließlich die Lauptsache.
Tante Nosa war auch auf eine Photographie als Vor-
lage angewiesen, schon, weit das Bild ja eine Ueberraschung
werden sollte. Sie arbeitete mit Freude und Fleiß, und
da dies bei jeder Llnternehmung die beste Förderung ist,
wurde das Bild vortrefflich. Kurtchens Gestcht geriet freilich
ein bißchen eirund und weich; im Felde war es inzwischen
hagerer und härter geworden. Aber darauf kam es nicht
an; Tante Rosa sah ihn eben noch als mehr kindliche Er°
scheinung, und wie der Künstler selbst die Dinge sieht, so
soll er sie doch bekanntlich malen. Besondere Sorgfalt ver-
wendete sie auf den Llniformrock, von dem noch ein gut
Teil — es handelte sich um ein Brustbild — in den Nahmen
hinein mußte. Ia, es wurde ihr gar nicht so leicht, die
richtige feldgraueFarbe zu treffen, und das war kein Wunder,
denn es wird ja auch der maßgebenden militärischen Stelle,
lange ehe der große Krieg begonnen, tüchtige Mühe gemacht
haben, die am besten dem wichtigen Zweck entsprechende
Farbe herauszufinden. Die Wahrheit zu sagen, kleckste
Tante Rosa eigentlich ein bißchen viel an dem Waffenrock
herum, so daß die Geschichte sehr pastos geriet. Aber das
machte sich recht gut, es sah nach Schützengrabendreck aus
und wirkte überzeugend. Gerade war das Bild fertig,
zwei Wochen vor Weihnachten, da kam von Eichschmidts
an Tante Nosa eine schöne Nachricht: Anser Kurtchen hat
das Eiserne Kreuz erster Klasse bekommen.
Das Vild des Kriegers
so daß sie die Sachen erst noch einmal brennen lassen muß,
ehe fie sie verschenken kann. Beim Brennen zerspringt
manchmal ein Stück oder trägt sonst einen Schaden davon,
und das ist auch Tante Nosa schon mehrfach widerfahren.
Die Brotplatte aber ist nicht zersprungen. Leute, die sich
auf ihre Aufrichtigkeit etwas einbilden, möchten, wenn sie
die Brotplatte mit den Zwergen sehn würden (oder viel-
leicht genügt ihnen auch schon die Beschreibung), am Ende
sagen, das wäre recht schade gewesen. Eichschmidts aber,
die doch die Platte nun in Besitz haben und auf ihren
Eßtisch legen müssen, immer dann zum mindesten, wenn
Tante Nosa zu Besuch kommt, — Eichschmidts also haben
das noch niemals gesagt. Im Gegenteil, sie haben fich sehr
gefreut, daß die Platte das Feuer so gut überstanden hat,
denn Eichschmidts sind, wie schon zweimal gesagt, nette und
freundliche Leute. Für Tante Nosa wäre es doch ein
Schmerz gewesen, wenn die Platte zu Schaden gekommen
wäre, und Eichschmidts wollen nicht, daß Tante Nosa Kummer
hat. Denn das alte Fräulein, das jetzt an die siebzig
heran ist, hat sich bis zum fünfzigsten Iahre elend genug
als Erzieherin in der Welt herumstoßen lassen müssen, bis
sie durch eine schöne Erbschast unabhängig wurde und sich
in einem hübschen Vorort niederlassen konnte, von wo aus
sie Eichschmidts, die mitten in der Stadt wohnen, alle vier-
zehn Tage einmal besucht. Dort draußen lebt sie nun be-
haglich und hat an ihrer Malerei große Freude, die Eich-
schmidts ihr von Lerzen Zönnen. Freude soll der Mensch
doch haben, selbst wenn er durch solche Art Malerei dazu
kommt. Freude ist dem Menschen so nötig wie das tägliche
Brot, und es ist ein Trost, daß man sie nicht wie dieses
von Obrigkeits wegen rationieren kann. Dann käme elend
wenig auf den einzelnen, denn der Staat tut so schon
genug, die Freude verschwinden zu lassen.-
Diesmal nun hatte Tante Nosa für Eichschmidts ein
ganz besonderes, die Brotplatte noch bei weitem über-
— „Du, Paul, — m^ser Äänschen freut sich sehr über sein
Schiff, aber er möchte gern noch ein Ll-Boot."
— „Nicht nötig, das Schiff wird so wie so bald kaputt gehn."
Einslchtsvvü — „Tknsre Männer schätzen die Arbeit
gar nicht, die an solchen selbstgefer-
tigten Weihnachtsgeschenken hängt."
— „Na, seien wir zufrieden, daß sie
alle unsre Nadelstiche nicht zählen."
treffendes Weihnachtsgeschenk, — sie hatte ihr erstes Porträt
gemalt. Natürlich nicht auf Porzellan, bewahre, auf Lein-
wand. Es war das Bildnis eines Kriegers, eines selbst-
verständlich tapferen feldgrauen Kriegers, und zwar das-
jenige des sehr jungen Äerrn Leutnants Kurt Eichschmidt,
der in der Familie gewöhnlich Kurtchen genannt wurde.
Kriegerbilder sind seit Ausbruch des Krieges in gewaltigen
Mengen verfertigt worden; eine förmliche Industrie hatte
sich sofort auch dieser Möglichkeit zu einem recht lohnenden
Geschäft bemächtigt. Meistens mußten die Bilder in Ab-
wesenheit des Darzustellenden hergestellt werden, denn natür-
lich hatten die meisten Krieger gar keine Zeit, zu einem
Bilde zu sitzen, da sie doch liegen mußten, nämlich im Schützen-
graben. Aber man hatte ja die Photographie als freund-
liche Vermittlerin, und so konnte für Aehnlichkeit garantiert
werden. Meistens sind die Besteller solcher Bilder auch mit
der Aehnlichkeit zufrieden gewesen; die Aniforrn stimmte,
und diese war ja schließlich die Lauptsache.
Tante Nosa war auch auf eine Photographie als Vor-
lage angewiesen, schon, weit das Bild ja eine Ueberraschung
werden sollte. Sie arbeitete mit Freude und Fleiß, und
da dies bei jeder Llnternehmung die beste Förderung ist,
wurde das Bild vortrefflich. Kurtchens Gestcht geriet freilich
ein bißchen eirund und weich; im Felde war es inzwischen
hagerer und härter geworden. Aber darauf kam es nicht
an; Tante Rosa sah ihn eben noch als mehr kindliche Er°
scheinung, und wie der Künstler selbst die Dinge sieht, so
soll er sie doch bekanntlich malen. Besondere Sorgfalt ver-
wendete sie auf den Llniformrock, von dem noch ein gut
Teil — es handelte sich um ein Brustbild — in den Nahmen
hinein mußte. Ia, es wurde ihr gar nicht so leicht, die
richtige feldgraueFarbe zu treffen, und das war kein Wunder,
denn es wird ja auch der maßgebenden militärischen Stelle,
lange ehe der große Krieg begonnen, tüchtige Mühe gemacht
haben, die am besten dem wichtigen Zweck entsprechende
Farbe herauszufinden. Die Wahrheit zu sagen, kleckste
Tante Rosa eigentlich ein bißchen viel an dem Waffenrock
herum, so daß die Geschichte sehr pastos geriet. Aber das
machte sich recht gut, es sah nach Schützengrabendreck aus
und wirkte überzeugend. Gerade war das Bild fertig,
zwei Wochen vor Weihnachten, da kam von Eichschmidts
an Tante Nosa eine schöne Nachricht: Anser Kurtchen hat
das Eiserne Kreuz erster Klasse bekommen.