Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
24

Meggendorfer-Blätter, München ^

Nollenverteilung

— „Ich bin 's Torpedo, ich
sahr ihm zwischen die Knie."

Konsul Westerwieks Friedrichsdors

Von Peter Robinson

Die Speicher der atten Landelsstadt bilden, auf einer
Insel des Lafens gelegen, einen ganz für fich abgeschlos-
senen Stadtteil. Gegen Abend verläßt eine müde Menge,
die tageüber tüchtig Lärm gemacht hat, diesen Bezirk, und
nur ein paar stille Wächter wandern darin umher, begleitet
von gewaltigen Lunden, die sich auch still verhalten. Diese
Lunde nämlich, eine jener Stadt eigentümliche und dort
seit Zahrhunderten für die nächtliche Sicherheit der Güter-
lager gezüchtete Raffe, haben kaum die Gewohnheit des
Bellens; sie sind mehr für Beißen, was ja auch von ihnen
erwartet wird. Schaut man zu diesen Stunden von der
andern Seite des Waffers nach der Insel hinüber, so scheint
dort unter den riesigen Spitzdächern und krummen Giebeln,
die schwarz gegen den Limmel stehn, in dieser Stille ein
Stückchen einer längst vergangenen Welt zu liegen, als
hätte sich die Stadt, die um diese Zeit in ihren Lauptstraßen
erst recht mit Kinotheatern und Kaffeehäusern lärmt, dort
einen Rest ihrer Vergangenheit, gewiffermaßen als Kurio-
sität, sorglich aufgehoben.

Geht man am Tage zwischen den Speichern hindurch,
dann fieht es freilich anders aus, und Last-
automobile, elektrische Ladekrane, automati
sche Türschließer an Kontortüren und andere
Produkte der unentbehrlichen Technik, dann
aber auch die neuzeitlichen Gesichter der als
Antergebene dieser Technik beschäftigten
Menschen sorgen inmitten des vielen alten
Gemäuers gründlich dafür, daß man sich
nicht im Iahrhundert irrt. Lier und dort
freilich hängt über dem Tor eines Speichers
noch ein Schild aus vergangenen Tagen,
als jedes dieser Lagerhäuser seinen beson-
deren Namen auf einem schönen Wappen-
schilde trug. Da findet stch noch der
„Falk", der „Gewürznelkenbaum", der
„Wackere Bootsmann", der „Mutige Ele-
fant", das „Rote Lerz", der „Ochsen-
kopf", der „Vogel Phoenix", der „Ade-
bar", der auch ein sympathischer Vogel

ist, der „Starke Simson", und auch ein „Totenkopf"
fehlt nicht.

Von vielen Speichern aber sind schon die alten Schilder
verschwunden. Die Firma, wie sie beim Landelsgericht
gebührlich eingetragen ist, steht an dem Speicher, und das
muß genügen. Lachmann L Kompagnie haben auch so ge-
dacht, als sie von dem mittelsten ihrer drei nebeneinander
liegenden Speicher das alte Schild abnehmen und dort die
Firma anschreiben ließen. Anter einem srüheren Besitzer
stand auf dem ersten Speicher „8o11", auf dem zweiten
„vso" und auf dem dritten „Oloria". Ietzt liest man:
Soli Lachmann L Komp. Gloria. — Lachmann L Kom-
pagnte nehmen aber auch den Ruhm für sich in Anspruch,
ganz hervorragende Geschäftsleute zu sein, und schreiben
alles, was sie an sehr beträchtlichen Vorteilen ergattern,
ihrer eigenen Tatkraft und Geriffenheit zu.

Der „König Salomo" ist auch schon lange verschwunden,
nicht nur der Name, auch der Speicher, der ihn einst trug,
und der am Ende der Insel lag, dort, wo die beiden Fluß-
arme wieder zusammen kommen. Das ist natürlich ein
begünstigter Platz, weil die Schiffe an beiden Seiten des
Lagerplatzes anlegen können, und desbalb steht jetzt dort
das größte und mit den besten Einrichtungen ausgestattete
Lagerhaus des ganzen Bezirks. Es gebört einer Aktien-
gesellschaft, die um 1880 herum den Speicher zum „König
Salomo" kaufte und zehn Iahre später abreißen ließ. Das
alte Schild aber, das den König in all seiner Lerrlichkeit
zeigte, wurde gleich nach dem Besihwechsel abgenommen,
die Aktiengesellschaft wollte vom König Salomo nichts
wiffen. Warum denn auch? Der König Salomo hätte
wahrscheinlich seinerseits, wenn er die Aktiengesellschaften
noch erlebt hätte, auch nichls von ihnen wiffen wollen.
Peter Dirksen, der älteste noch übrig gebliebene Arbeiter
des seligen Lerrn Konsul Westerwiek, zu deffen Nachlaß
der Speicher Iahre vorher gehört hatte, nahm damals das
Schild an sich und hängte es an seinem Läuschen draußen
am Wall auf. Dort hing es noch lange Iahre auch unter
Peter Dirksens Sohn, und es gibt Leute, die es mit Wohl-
gefallen gesehen haben und die Erinnerung an seinen Anblick
nicht um manches Gemälde hergeben möchten, für das Ber-
liner Kunsthändler nicht nur sehr viel Geld verlangen, son-
dern auch bekommen. — °

Das Schild aber hatte kein geringerer gemalt als Lerr
Konsul Iohann Gotthold Westerwiek selbst, — zu einer
Zeit freilich, als er noch nicht Konsul und Geschäftsinhaber
war, sondern nur einziger Sohn und dereinstiger Nachfolger,

Kriegspreise

— „Es ist nicht zu glauben, wie be-
soffen mich diese Rechnung gemacht hat!"
 
Annotationen