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Z Zeitschrift für Humor und Kunst

r 25

Konsul Wefterwieks Friedrichsdors
im Grunde aber wenig mehr
als ein nicht sehr sich auszeich-
nender Kontorarbeiter des alten
Lerrn Lenricus Westerwiek,
der ein sehr tüchtiger Kaufmann
war und das Bestehen der Fir-
ma womöglich „bis ans Ende
aller Dinge" wünschte. Da
Iohann Gotthold zunächst der
einzige war, der für die Erfül-
lung dieses Wunsches in Be-
tracht kam, wurde er nach schlecht
und recht beendeter Lehrzeit
zuerst nach England geschickt
und dann zu Antwerpen im
Kontor eines Geschäftsfreundes
untergebracht, der mit der Fir-
ma Wefterwiek in reger und
ersprießlicker Landelsbeziehung
stand. Der Geschäftsfreund war
ein gutmütiger Mann; er mochte
Westerwiek senior nicht enttäu-
schen, und deshalb wartete er
drei Iahre lang ab und schrieb
nichts Nachteiliges über Iohann
Gotthold. Er war aber auch
ein redlicher Mann, und darum
raffte er sich nach Verlauf dieser
Zeit auf und ließ an Lenricus
Westerwiek die diesem nickt er-
freuliche Mitteilung ergehen,
der Lerr Sohn zeige eigentlich
doch nicht jene kommerzielle Be-
flissenheit, die man von dem
einstigen Inhaber eines so be-
deutenden Lauses erwarten
dürfe. Der Lerr Sohn habe
schon lange den in Antwerpen
so zahlreich anzutreffenden,gewiß
sehr schätzbaren Erzeugnissen der
Malkunst ein Intereffe entgegen-
gebracht, das weit über die Er-
forderniffe des sicher auch bei
einem einmal sehr bemittelten
Landelsberrn wohl angebrach-
ten Fördersinnes den schönen
Künsten gegenüber hinausgehe.

Nun aber habe selbiger seit
einiger Zeit sogar selbst begon-

nen, sich mit Farben und Pinsel zu beschäftigen, ja sogar
verstohlen angedeutet, daß solches wohl sein eigentlicher
Beruf sein dürfte. Da diese betrübliche Wendung ihn
aber zum Glück noch auf keinen enlschiedenen Weg geführt,
er vielmehr seinen Kontorpflichten immer noch nachkomme,
sei wohl zu hoffen, daß bei vernünftigen Vorstellungen und
tüchtigem Zureden seines Lerrn Vaters der junge Lerr
solchen unbegreiflichen Einfall sich aus dem sonst doch so
fügsamen Sinne schlagen werde.

Lenrieus Westerwiek nahm Extrapost und fuhr nach
Antwerpen. Er sparte die Trinkgelder nicht, die Postillone
anzufeuern, aber es ging ihm noch immer nicht schnell genug.
Wenn es schon Eisenbahnen gegeben hätte, wäre es ihm
auch nicht schnell genug gegangen. Das ist nun einmal so;
manchmal geht es manchen Menschen auf keme Weise schnell

Entschwundene Möglichkeit — „Der Schulmeister hat erzählt, früher haben
sie für die Kanonen auch mal Steinkugeln gehabt." — „Schad, daß sie das jetzt
nicht mehr machen, — da hätt' doch auch der Stemmetz was vom Krieg profitiert."

genug. Wenn die reisende Menschheit erst allgemein des
Flugzeugs sich bedienen wird, dann wird sie gar nicht
begretfen können, wie ihre Ahnen mit den langsamen Eisen-
bahnen haben auskommen können, aber auch dann wird es
Leute geben, denen das Flugzeug noch nicht schnell genug
ist. !lnd wenn einmal ein noch viel schnellerer Transport-
apparat erfunden sein, und man vielleicht in einer Stunde
von Berlin nach Lonolulu wird rasen können, — ja, dann
werden auch Leute sein, die selbst damit nicht zufrieden
sind und in einer halben Stunde von Berlin nach Lonolulu
wollen, um dort eine Geschäftsofferte zu machen, oder was
sie sonst, der Teufel mag's wiffen, dort zu tun haben.

Aber die langsame Beförderung hat auch ihr Gutes.
Lenrieus Westerwiek, der zuerst seinen Sohn am liebsten
verprügelt hätte, kam abgekühlt in Antwerpen an. Sein
 
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