26 Meggendorfer-Blätter, München
besonders mehren, aber auch nicht durch Torheiten und
übermütige Sprünge zu Gefahr und Schaden bringen würde.
Lenricus Westerwiek hatte recht gehabt. Der Nach°
folger wußte genau, daß ihm zu einem rechten Kaufmann
viel fehlte, und daß, wenn er einen solchen würbe nach-
machen wollen, nur Anheil daraus entstehen würde. So
sehen ja manchmal — aber nicht oft — auch Fürsten ein,
daß sie nicht dazu Passen, ein Volk besonders schwierige
und neue Wege zu führen, aber da sie nun einmal auf
ihren Posten gestellt sind, verhalten sie stch — immer nur
jene natürlich, die es eingesehen haben — wenigstens zurück-
haltend, unterdrücken eioene Einfälle und suchen das Äeil
in der Wahl tüchtiger Lelfer. Gerade so verfuhr der neue
Konsul Westerwiek. Die tüchtigen Lelfer waren zu seinem
Glück noch vom Vater her da; weil ja aber schließlich alles
sich abnutzt und auch der Tod keine Rücksichten nimmt,
sorgte Iohann Gotthold dafür, daß junge Leute an der
Treff ichkeit der alten sich heranbilden konnten, ehe diese
abgetreten waren. So ging, bei kluger Beschränkung auf
die alten Verbindungen, das Geschäft einen stillen, aber
sicheren Gang. Konsul Westerwiek hatte nicht viel in seinem
Kontor zu tun, was ihm auch recht war. Gern aber hielt
er sich auf dem Lagerplatz und im Speicher auf, wo präch°
tiges Korn, das auf den Lastkähnen den Fluß herunter-
gekommen war, ausgeladen und aufgespeichert und immer
wieder umgeschaurelt und durchlüftet wurde, ebe es zu ge°
legener Zeit auf die Seeschiffe kam. Die Arbeiter dort
waren schon lange im Dienste des Äauses, und während
die Leute im Kontor sür den Lerrn der Fnma Mitarbeiter
waren, die vieles geschickter tun konnten als er, und Nat-
schläge vorbringen durften, ja soqar sollten, standen die
Männer des Speichers in einem Verhältnis zu ihm, wie
etwa wacker ergebene Soldaten zu ihrem Fürsten. !lnd
Konful Wefterwieks Friedrichsdors
Zorn war einer großen Sorge gewicken. Er hatte seinen
Sohn nun schon lange nicht gelehn; am Ende hatte der sich so
gründlich geändert, daß er sich überhaupt nicht würde zu-
reden laffen, — ach Golt, und was sollte dann aus der
alten Firma werden! Deshalb trat er fast kleinlaut bei
seinem Sohne ein, und als er ihn richtig — es war gerade
Sonmag — vor einer Staffelei fand, brachte er ibm statt
Drohungen und Forderungen nur Klagen und Wünsche
mit. Nun war aber Iohann Gotthold, der ohnehin keine
streitbare Natur war, gegen alles andere nicht so wehilos
wie gegen fremde Traurigkeit, und deshalb warf er, nach-
dem er ergeben zugehört hatte, sofort seinen Pknsel in die
Ecke und sagte: „Lieber Vater, ich bin ja ganz zu Ihren
Wünschen! Und ich will auch gern gleich mit Zhnen nach
Äause und auf der Stelle ins Geschäft hinein."
Als ste zu Äause waren, sagte der alte Lerr: „So,
mein Iunge, jetzt besinnst du dich eine Woche lang, und
dann kommst du ins Kontor." Iobann Gotthold aber
wandte die acht Tage in besonderer Weise an, — er malte
den König Salomo, als ein Präsent für den Äerrn Vater
und einen Abschied von der schönen Kunst. Äenricus Wester-
wiek war sehr zufrieden. Daß sein Speicher jetzt das präch°
tigste von allen Schrldern trug, behagte ihm natürlich, und
er fand, daß der kleine Auöflug seines Sohnes in die Kunst
doch einen Zweck gehabt hätte. Aus dieser Zufriedenheit
heraus hatte er auch Geduld mit ihm, als es in den erften
Wochen im Kontor nicht recht nach Erfordernis gehn wollte,
und wie immer belohnte sich die Geduld, — Iohann Gott-
hold arbeitete stch ein, und als der alte Westerwiek zehn
Iahre später starb, ging er mit der Zuverfiebt von dannen,
einen Nachfolger zu hinterlassen, der sein Neich zwar nicht
Herr und Frau Marer
besonders mehren, aber auch nicht durch Torheiten und
übermütige Sprünge zu Gefahr und Schaden bringen würde.
Lenricus Westerwiek hatte recht gehabt. Der Nach°
folger wußte genau, daß ihm zu einem rechten Kaufmann
viel fehlte, und daß, wenn er einen solchen würbe nach-
machen wollen, nur Anheil daraus entstehen würde. So
sehen ja manchmal — aber nicht oft — auch Fürsten ein,
daß sie nicht dazu Passen, ein Volk besonders schwierige
und neue Wege zu führen, aber da sie nun einmal auf
ihren Posten gestellt sind, verhalten sie stch — immer nur
jene natürlich, die es eingesehen haben — wenigstens zurück-
haltend, unterdrücken eioene Einfälle und suchen das Äeil
in der Wahl tüchtiger Lelfer. Gerade so verfuhr der neue
Konsul Westerwiek. Die tüchtigen Lelfer waren zu seinem
Glück noch vom Vater her da; weil ja aber schließlich alles
sich abnutzt und auch der Tod keine Rücksichten nimmt,
sorgte Iohann Gotthold dafür, daß junge Leute an der
Treff ichkeit der alten sich heranbilden konnten, ehe diese
abgetreten waren. So ging, bei kluger Beschränkung auf
die alten Verbindungen, das Geschäft einen stillen, aber
sicheren Gang. Konsul Westerwiek hatte nicht viel in seinem
Kontor zu tun, was ihm auch recht war. Gern aber hielt
er sich auf dem Lagerplatz und im Speicher auf, wo präch°
tiges Korn, das auf den Lastkähnen den Fluß herunter-
gekommen war, ausgeladen und aufgespeichert und immer
wieder umgeschaurelt und durchlüftet wurde, ebe es zu ge°
legener Zeit auf die Seeschiffe kam. Die Arbeiter dort
waren schon lange im Dienste des Äauses, und während
die Leute im Kontor sür den Lerrn der Fnma Mitarbeiter
waren, die vieles geschickter tun konnten als er, und Nat-
schläge vorbringen durften, ja soqar sollten, standen die
Männer des Speichers in einem Verhältnis zu ihm, wie
etwa wacker ergebene Soldaten zu ihrem Fürsten. !lnd
Konful Wefterwieks Friedrichsdors
Zorn war einer großen Sorge gewicken. Er hatte seinen
Sohn nun schon lange nicht gelehn; am Ende hatte der sich so
gründlich geändert, daß er sich überhaupt nicht würde zu-
reden laffen, — ach Golt, und was sollte dann aus der
alten Firma werden! Deshalb trat er fast kleinlaut bei
seinem Sohne ein, und als er ihn richtig — es war gerade
Sonmag — vor einer Staffelei fand, brachte er ibm statt
Drohungen und Forderungen nur Klagen und Wünsche
mit. Nun war aber Iohann Gotthold, der ohnehin keine
streitbare Natur war, gegen alles andere nicht so wehilos
wie gegen fremde Traurigkeit, und deshalb warf er, nach-
dem er ergeben zugehört hatte, sofort seinen Pknsel in die
Ecke und sagte: „Lieber Vater, ich bin ja ganz zu Ihren
Wünschen! Und ich will auch gern gleich mit Zhnen nach
Äause und auf der Stelle ins Geschäft hinein."
Als ste zu Äause waren, sagte der alte Lerr: „So,
mein Iunge, jetzt besinnst du dich eine Woche lang, und
dann kommst du ins Kontor." Iobann Gotthold aber
wandte die acht Tage in besonderer Weise an, — er malte
den König Salomo, als ein Präsent für den Äerrn Vater
und einen Abschied von der schönen Kunst. Äenricus Wester-
wiek war sehr zufrieden. Daß sein Speicher jetzt das präch°
tigste von allen Schrldern trug, behagte ihm natürlich, und
er fand, daß der kleine Auöflug seines Sohnes in die Kunst
doch einen Zweck gehabt hätte. Aus dieser Zufriedenheit
heraus hatte er auch Geduld mit ihm, als es in den erften
Wochen im Kontor nicht recht nach Erfordernis gehn wollte,
und wie immer belohnte sich die Geduld, — Iohann Gott-
hold arbeitete stch ein, und als der alte Westerwiek zehn
Iahre später starb, ging er mit der Zuverfiebt von dannen,
einen Nachfolger zu hinterlassen, der sein Neich zwar nicht
Herr und Frau Marer