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Zeitschrist für Humor und Kunst ^

'L' V V

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— „Eine Kriegskarte, die du dir anlegst, Schatz?"
Braut: „Ach nein, die Lochzeitsreisekarte!"

Der Kieselstein Von C. A. Lennig

Es war einmal ein Gelehrter, ein sehr berühmter Mann,
der ging eines Tages in den Wald und war so in Gedanken
vertiest, daß er gar nicht auf den Weg achtete, bis er sich
Plötzlich mitten in dem ärgsten Dickicht befand und nicht
mehr vor- und rückwärts wußte. Im selben Moment trat
aber auch schon eine Gestalt aus den Büschen, die niemand
anders als der Teufel war.

„Was tust du hier in meinem Wald?" brauste er den
Gelehrten an.

„Ist das dein Wald?" entgegnete fragend der letztere.

„Natürlich," fuhr der Teufel zornig fort. „Da draußen
unter den lichten Bäumen, da mögt ihr herumschnüffeln und
alles zertrampeln und mit der Wurzel ausreißen, hier der
innerste Kern aber gehört mir. Da will ich ungestört hausen,
wenn mir's einmal in der Lölle zu warm wird, und wer
hier eindringt, wird erbarmungslos gefreffen. Auch du wirst
daran glauben müffen."

„Das ist mir aber sehr unangenehm," erwiderte der
Gelehrte. „Gibt's denn keine Ausnahme?"

„Eigentlich nicht," knurrte der Teufel. „Aber da du
ein zäher alter Knochen bist, will ich dir dennoch die Möglich-
keit geben, dich zu lösen. Bringe mir einen hübschen runden
Kieselstein, weiß oder geädert, und du sollst frei sein. In

drei Wochen aber mußt du zurück sein, sonst fresse ich dich
unter allen Amständen. Denn gesagt ist gesagt."

Der Gelehrte war zufrieden und ging wieder heim.
Dann kaufte er sich Lacke und Spaten, zog in die Äeide
hinaus und fing an zu graben und zu schaufeln, um den
Kiesel zu suchen. Aber das war nicht so leicht. Jmmer
tiefer und tiefer mußte er graben, und noch immer fand
sich der gesuchte Kiesel nicht. Der Gelehrte vergoß viel
Schweiß und verbrauchte seine beste Krast, aber er ließ
nicht nach. Zu der Aufgabe, die er übernommen hatte,
kam noch der Ehrgeiz und zu dem Ehrgeiz der Eigensinn.
Denn wenn er vielleicht an einem andern Orte nachgegraben
hätte, wäre er vielleicht eher zum Ziele gekommen, aber das
wollte er durchaus nicht. Er hatte einmal da angefangen
zu hacken und hackte nun dort weiter. Der gesuchte Kiesel-
stein mußte sich doch endlich finden. And darüber verging
die Zeit, denn schon waren zwei Tage über die gesetzte Frist
verstrichen, da endlich — er war nur noch fünf Zentimerer
vom Mittelpunkte der Erde entfernt — stieß er auf den
so heiß ersehnten Fund. Es war ein Kiesel von der Größe
einer Laselnuß und grau und unansehnlich von Aussehn,
aber der Gelchrte freute sich doch ganz unmenschlich darüber.
„Es ist der Lohn für meine Ausdauer, und sicher ist ein
großes Verdienst dabei, daß ich gerade an Idieser Stelle
 
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