Zeitschrift für Humor und Kunst 57
Krieg und Klaviere
Von Egon Zenisek
Der Krieg verdirbt den Cha-
rakter.
Selbst Menschen, an deren
lauterster Ehrenhaftigkeit früher
nicht einmal sie selbst zu zwei-
feln wagten, findet man jetzt
leider des öfteren von einer
schamlosen Gier bewegt, sich auf
listige Weise allerlei unerhörte
Vorteile zu verschaffen.
Profit ist die Devise.
Nun hat die Seuche auch
noch eine sonst als ziemlich harm-
los geltende Menschenklaffe er-
griffen, die Besitzer alter Kla-
viere.
Mein Neffe Karl war kürz-
lich sünf Iahre alt geworden
und damit nach alter Tradition
reis, in die Gemeinschaft der
klavierspielenden Christen auf-
genommen zu werden.
Da gab es keine Zeit zu ver-
lieren.
Von einem weisen Familien-
rate wurde mir der ehrenvolle
Auftrag zuteik, ein Infirument
für den neuen Iünger Czernys
und Clementis zu besorgen.
Ich nahm zunächst an, dieses Bedürfnis bei einem der
zahlreichen Klavierhändler befriedigen zu können, das war
aber, wie sich bald herausstellte, ein Irrtum. Diese Äerren
handelten jetzt mit Suppenwürfeln, Käse-Ersatz, Sohlen-
schonern und anderen nützlichen Dingen, jedoch von Klavieren
hatten alle seit langer Zeit nichts gehört. Nur ein einziger
Ein ganz Gewiffenhafter
— „Wiffen Sie denn nicht, daß dcr Weg hier ver-
boten ist?"
— „Bedaure, nein."
— „And wenn schon, dann gehen Sie wenigstens rechts."
Beweggrund
— „Die Tänzerinnen sprießen jeht
geradezu aus der Erde."
— „Das ist doch ganz begreiflich
bei dem Schuh- und Kleidermangel."
hatte ein Bauwerk, welechs er für ein Klavier ausgab, in
einem feuerstcheren Verschlage stehen, und der erklärte, das
Instrument käme 1600 Mark, er wolle es aber keinesfalls
verkaufen, weil es in kurzem über 2000 Mark wert sein würde,
und darauf wolle er noch warten.
Ich war etwas befremdet aber durchaus nicht entmutigt,
wurden doch Tag für Tag in jeder Zeitung Dutzende von
Klavieren angeboten, die durchweg prachtvoll in Ton und
Ausstattung, tadellos erhalten, wenig gespielt und berühmte
Marken waren.
Na also!
Ich will das Ergebnis meiner Nazzia gleich vorweg
nehmen: 46 Klaviere habe ich beaugen- und beohrenscheinigt;
da die Anterhandlung und das Resultat bei allen fast
gleichartig waren, will ich nur drei Fälle schildern.
Nummer 14 stand bei Frau Kuhlmeyer.
Die Tasten waren allerdings gelb, aber dafür waren
die Leuchter ziemlich schwarz. Außerdem hatten die Tasten
eine lieblich ausgehöhlte Form, so daß die Finger darin
lagen, wie in Klubsesseln und sich gar nicht rühren wollten
vor lauter Behagen. Es war auch besser so, denn der
Toncharakter war ohnehin nicht besonders vornehm. Der
Fabrikant hatte in edler Zurückhaltung seinen Namen nicht
angegeben, dafür hatte er, wie ein großes Schild bewies,
das Angeheuer „Lohengrin" getauft. Ich verstand die
Anspiclung: Nie sollst du mich befragen! und unterdrückte
weitere Forschungen nach „Nam und Art."
Als Preis nannte mir die sreundliche Dame 900 Mark.
Durch die vorhergegangenen 13 Erfahrungen war ich
bereis derart abgehärtet, daß ich kaum noch merklich er-
schauerte.
Ich empfahl mich mit der Llnwahrheit, daß ich mir die
Sache nochmal überlegen wolle.
Krieg und Klaviere
Von Egon Zenisek
Der Krieg verdirbt den Cha-
rakter.
Selbst Menschen, an deren
lauterster Ehrenhaftigkeit früher
nicht einmal sie selbst zu zwei-
feln wagten, findet man jetzt
leider des öfteren von einer
schamlosen Gier bewegt, sich auf
listige Weise allerlei unerhörte
Vorteile zu verschaffen.
Profit ist die Devise.
Nun hat die Seuche auch
noch eine sonst als ziemlich harm-
los geltende Menschenklaffe er-
griffen, die Besitzer alter Kla-
viere.
Mein Neffe Karl war kürz-
lich sünf Iahre alt geworden
und damit nach alter Tradition
reis, in die Gemeinschaft der
klavierspielenden Christen auf-
genommen zu werden.
Da gab es keine Zeit zu ver-
lieren.
Von einem weisen Familien-
rate wurde mir der ehrenvolle
Auftrag zuteik, ein Infirument
für den neuen Iünger Czernys
und Clementis zu besorgen.
Ich nahm zunächst an, dieses Bedürfnis bei einem der
zahlreichen Klavierhändler befriedigen zu können, das war
aber, wie sich bald herausstellte, ein Irrtum. Diese Äerren
handelten jetzt mit Suppenwürfeln, Käse-Ersatz, Sohlen-
schonern und anderen nützlichen Dingen, jedoch von Klavieren
hatten alle seit langer Zeit nichts gehört. Nur ein einziger
Ein ganz Gewiffenhafter
— „Wiffen Sie denn nicht, daß dcr Weg hier ver-
boten ist?"
— „Bedaure, nein."
— „And wenn schon, dann gehen Sie wenigstens rechts."
Beweggrund
— „Die Tänzerinnen sprießen jeht
geradezu aus der Erde."
— „Das ist doch ganz begreiflich
bei dem Schuh- und Kleidermangel."
hatte ein Bauwerk, welechs er für ein Klavier ausgab, in
einem feuerstcheren Verschlage stehen, und der erklärte, das
Instrument käme 1600 Mark, er wolle es aber keinesfalls
verkaufen, weil es in kurzem über 2000 Mark wert sein würde,
und darauf wolle er noch warten.
Ich war etwas befremdet aber durchaus nicht entmutigt,
wurden doch Tag für Tag in jeder Zeitung Dutzende von
Klavieren angeboten, die durchweg prachtvoll in Ton und
Ausstattung, tadellos erhalten, wenig gespielt und berühmte
Marken waren.
Na also!
Ich will das Ergebnis meiner Nazzia gleich vorweg
nehmen: 46 Klaviere habe ich beaugen- und beohrenscheinigt;
da die Anterhandlung und das Resultat bei allen fast
gleichartig waren, will ich nur drei Fälle schildern.
Nummer 14 stand bei Frau Kuhlmeyer.
Die Tasten waren allerdings gelb, aber dafür waren
die Leuchter ziemlich schwarz. Außerdem hatten die Tasten
eine lieblich ausgehöhlte Form, so daß die Finger darin
lagen, wie in Klubsesseln und sich gar nicht rühren wollten
vor lauter Behagen. Es war auch besser so, denn der
Toncharakter war ohnehin nicht besonders vornehm. Der
Fabrikant hatte in edler Zurückhaltung seinen Namen nicht
angegeben, dafür hatte er, wie ein großes Schild bewies,
das Angeheuer „Lohengrin" getauft. Ich verstand die
Anspiclung: Nie sollst du mich befragen! und unterdrückte
weitere Forschungen nach „Nam und Art."
Als Preis nannte mir die sreundliche Dame 900 Mark.
Durch die vorhergegangenen 13 Erfahrungen war ich
bereis derart abgehärtet, daß ich kaum noch merklich er-
schauerte.
Ich empfahl mich mit der Llnwahrheit, daß ich mir die
Sache nochmal überlegen wolle.