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Meggendorfer-Blätter, München

Einziger Arrsweg Gattin (vomSpaziergangheimkehrend): „Ist

der Kasten Bier abgeliefert worden?"
— „Ia, aber du hattest vergessen, mir das Flaschenpfand hierzulassen; ... da habe
ich das Bier gleich austrinken und die leeren Flaschen wieder zurückgeben müssen!"

Die LochzeitscheckS

zerbrechen, was sie kaufen sollen. In England und Amerika
ist es schon lange Sitte, Neuvermählten als Lochzeitsgeschenk
einen Scheck zu überreichen, und bei uns kommt das auch
schon mehr und mehr auf, besonders, seitdem für den Scheck-
verkehr so viel Propaganda gemacht wird. Als mein Freund
Kurt, der jetzt bei der Kartoffelstelle unabkömmlich ist, vor
drei Monaten heiratete, hat er sich auch nur Schecks schenken
laffen und einen schönen Laufen Geld zusammen bekommen.
Sagen wir also unsern verehrten Anverwandten gleich ge
rade heraus, daß wir uns nur Schecks wünschen, — genieren
wir uns nur ja nicht!"

Iunge Leute von heutzutage neigen meistens überhaupt
nicht dazu, sich zu genieren. Ernst Köpke und Paula,
damals noch Semmler, waren also herumgegangen und
hatten allen Leuten, die zur Lochzeit kommen sollten
»und von denen etwas zu erwarten
war, ohne Zimperlichkeit erzählt,
wieviel vernünftiger es wäre, zur
Lochzeit einen Scheck zu schenken,
als irgend einen vielleicht sehr
kostbaren, aber verflucht wenig
nützlichen Gegenstand. !lnd die
Leute hatten sich das gemerkt.

Manchen freilich war es nicht ganz
richtig erschienen, — aber: „Du
lieber Gott," hatten sie gesagt,

„die jungen Leute haben heute ihre
eigenen Ansichten. Neue Zeiten,
neue Sitten."-

Als nach der Trauung die Gäste
sich zum Lochzeitsessen versammel-
ten — es wurden übrigens keine
Fleischmarken abgegeben, aber des-

halb braucht nicht gleich jemand
zu denunzieren — trat der alte
Plüddemann, im Verhältnis zu
Paula Köpke, geborener Semm-
ler, der Onkel Emil genannt, mit
seinem Scheckbuch auf die junge
Frau zu. Onkel Emil hat immer
als sehr sparsam gegolten, und
viel hat er sich auch niemals
um seine Nichte gekümmert; in
ihrem ganzen Leben hatte er ihr
bisher weiter nichts geschenkt, als
jedesmal zu ihrem Geburtstage
ein Viertelpfund Lustenbon-
bons. Paul Köpke bekam des°
halb jeht einen roten Kopf vor
Aerger, weil der alte Plüdde-
mann als erster mit seinem
Scheckbuch ankam. Denn natür-
lich würden sich nach dem ersten
Scheck die andern einigermaßen
richten. Aber siehe da, — Onkel
Emil mußte viel im Kriege ver°
dient haben: er schrieb einen
Scheck über 4000 Mark, drückte
die Nichte an sein Lerz und
sprach: „Lier,liebe Paula, ist ein
kleiner Beitrag zu deinem Glück."
Das war ein schönes Wort.

Die junge Frau konnte gar
nichts sagen, denn Onkel Emil hatte sie zu sehr gedrückt; der
junge Gatte aber stammelte seinen Dank und dachte: „Das
hätte ich dem geizigen alten Esel gar nicht zugetraut. Das
wird jetzt ja ganz vertrefflich gehn."

Nun kam Onkel Moritz — aus der Familie Köpke —
mit seinem Scheckbuch. Schnell hielt ihm Paul Köpke den
Scheck vom alten Plüddemann vor die Nase. „Sieh nur,
wie uns unser lieber Onkel Emil so sinnig überrascht hat!"
Onkel Moritz wurde blaß. „Der alte Kerl scheint blödsinnig
geworden zu sein," dachte er. Aber dann schrieb er einen
Scheck über 5000 Mark. Denn übertrumpft werden mußte
der alte Plüddemann natürlich.

Ietzt kam Tante Agathe an die Reihe. „Sieh nur, liebe
Tante," sagten Ernst und Paula, „wie uns der liebe Onkel
Emil und der liebe Onkel Moritz so finnig überrascht haben!"
Tante Agathe bekam eine weiße Nasenspitze vor Aerger.

Aber ebenso gut, wie sie bei jeder
Kollekte in der Kirche immer mehr
geben muß als andere Leute —
wenn nämlich die anderen Leute
aufpassen — tat sie das auch dies-
mal, — sie schrieb 6000 Mark.

Konsul Labermann, ein Vetter
vom alten Köpke, sah stch jetzt die
bereits abgelieferten Lochzeitsge-
schenke an, nämlich die Schecks.
„Die schmeißen ja wie verrückt mit
dem Gelde um sich," dachte er. Dann
schrieb er auch 6000 Mark, — wie
Tante Agathe.

And schließlich kam noch Onkel
Grützmacher, ein Schwager vom
alten Semmler. „Aufhängen sollte
man die Gesellschaft!" dachte er.

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