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§(><>(><<X)<X^ Zeitschrift für Humor und Kunst 187

Anbedacht - „Vielleicht schaut der Äerr Bräutigam

etwas freundlicher drein, bitte. Es wäre
ja nur für einen kurzen Augenblick."

Eine moderne Sibylle

war die Sensation — bot Käse feil. Käse in Berlin I Schon
hatte er bemerkt, daß er die Aufmerksamkeit unserer Damen
erregt hatte, und er trat zuvorkommend an unseren Tisch.

„Wünschen die Lerrschaften Camembert zu kaufen?"
— Es ist merkwürdig, welche Ausdehnung das Wort Ca-
membert in diesem Kriege gefunden hat, seildem es keinen
mehr gibt. Diese drei armen kleinen runden Dinger, die
der Mann da vorzeigte, hätten sich in Friedenszeiten wohl
höchstens „deutscher Käse" zu nennen gewagt — jedenfalls
hatten sie vor Scham über ihre eigene Magerkeit längst
Runzeln und Risse bekommen. — „Vier Mark nur die
drei Stück," bot der Mann weiter aus.

„Vier Mark teilt sich ja gar nicht durch drei," wagte
mein Freund Aster einzuwenden.

„Sie können ja sechse zahlen, dann gehts auf," ant-
wortete der Mann ohne Verlegenheit. Man sah, er ging
mit dem Geld großzügig um. Er war übrigens schon wieder
weiter gegangen, an einen anderen Tisch.

„Die Käse waren gar nicht so teuer," begann jetzt die
kleine Frau Mie. „Reulich baben wir im Löwenbräu eine
Mark fünfzig für eine Portion gezahlt, das war nicht halb
soviel." And man begann eifrig über Käsepreise zu sprechen.

Da kam der Mann wieder. „Einer von den schönen

Camemberts ist schon weg. Wollen Sie die zwei noch haben?"

„Wieviel?" fragte der Kapellmeister mit Berliner Kürze.

„Vier M."

„Aber lieber Freund, vorhin kosteten die drei doch auch
nur vier Mark?"

„Dafür geht's jetzt schön aus. — Also? — Na, zahlen
Sie's nicht, zahlt's ein anderer." !lnd er ging wieder weiter.

„Die Käse sind ganz schön, ich habe sie erst jetzt recht
aus der Nähe gesehen," begann Frau Mie wieder. „Da
hat man mal Gelegenheit, etwas unter der Land zu kaufen,
und nun läßt du es dir wieder entgehen. Nachher fchiltst
du mich noch, ich sei eine schlechte Lausfrau, weil ich nichts
herbeischaffe." Man merkte, der Käse wuchs langsam zum
dramatischen Objekt empor.

Da kam der Mann zum drittenmal. „Einer ist noch
da. Nehmen Sie ihn jetzt?"

„Was wollen Sie haben?"

„Ich sagte Ihnen doch, vier Mark," antwortete der
Mann mit vollkommener Selbstverständlichkeit.

„Mensch, das waren doch drei."

Der andere ging gar nicht darauf ein, als wenn die
Divisionsrechnung für ihn überhaupt nicht existiere. „Nehmen
Sie ihn jetzt nicht, ist's zu spät."

„Nimm ihn doch," soufflierte Frau Mie, „dann habe
 
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