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Zeitschrift für Humor und Kunst 9

Der Strumps Von Alfred Manns

Der Bauer Tönjes Müffelzeh war
etne verrückte Nudel. Seine Felder waren
die besten in der Gemeinde, seine Kühe
gleickfalls. Jn der Scheune herrschte die
musterhafteste Ordnung, und jedes Frld-
gerät stand blitzblank an seinem Platz.

Aber im Lause. O Limmel, wie sah
es in dem Äause aus. Iantje Müffelzeh,
die Bäuerin, Iraf wahrhaftig kein Ver-
schulden. Sie ginq unentwegt einmal
des Tags mit Miftschaufel und Reiser-
besen durch Stube und Kammern. Doch
dadurch wurde nur vorüvergehend ein
Zustand geschaffen, der im ungünstigen
Sinne nicht allzusehr von dem Schweine-
stall abstach. Iantje war eben macbtlos,
denn im Lause - so wollte es der Bauer
— hatte jedes Lebewesen von Tönjes
selbst bis zu seinem Bettfloh das Necht
unumschränkter Bewegungsfreiheit.

Das Bild, das sich der Leser machen
kann, dürfte nicht allzu unklar sein,
wenn er bedenkt, daß die Familie stch
aus Schweinen, Lühnern, Kälbern, Zie-
gen, Enten und Katzen zusammensetzte,
also einer erklecklichen Zahl von Arten.

Lund Nuckel ist hier abstchtlich nicht
aufgeführt, weil er seiner unzähligen
Naffen wegen eigentlich mehr zu den
Anarten rechnet, und auch die Kühe und Pferde sind nicht
versehentlich vergessen, denn erstens waren die Zimmertüren
etwas zu klein, und zweitens fühlten sich diese Großtiere
in ihren Ställen wohler als in der Stube, was man ihnen
nicht verdenken konnte.

Die Familie saß beim Effen. In der Stube waren
nur die Lühner zugegen, der
Ziegenbock, ein Schwein, das
sich nicht gut fühlte, und Lund
Nuckel. Alle anderen Tiere
befanden sich draußen, denn die
Sonne schien warm, und wenn
man sich an den Pflaumen-
bäumen juckte, dann fielen die
Pflaumen herab.

Tönjes säuberte die gestern
an der Tischkante bereits
gereinigte Gabel in Nuckels
Fell vollends und stach in
die Kartoffeln, die Mutter
Jantje auf den Tisch geschüt-
tet hatte. Nachdenklich ver-
jagte er ein Kücken von der
Schüfsel ausgelaffenen Specks
und tunkte ein.

„Icb hab' den Leini Snot-
tenquctscher die 1000 Mark
gegeben zu sieben Prozent."

Iantje hatte ein gutes
Lerz. „Das' recht, Vadder."

„Tschä, ich nehm' ümmer
steben, wenn ich nich acht
kriegen kann. Ich hab' Leini
die KrieqSanleihe Papiere qe-

— „Wie gesagt, einem Zrrkuskünftler gebe ich meine
Tochter nicht; wenn Sie sich aber entschließen könnten,
als Reisender in meine Landlung einzutreten . . . ."

— „Anmöglich; ich kann nun einmal von meinem wag-
halsigen Berufe nicht laffen!"

— „O, wenn Sie für mich reisen, das ist auch waghalsig!"

geben, die ich für Melchert Krummsteert seine Schuld an-
nehmen mußte."

„Vadder, was hast du eigentlich gegen Kriegsanleihen?"
Tönjes streickclte die Zuchtsau Wubbe, die eben zu
einem freundschaftlichem Besuche eingetreten war.

„Nichs nich, Mudder. Ich kaufe ihnen ja selbst. Man,

ich gebe ihnen gleich wieder
weg, wenn mir jemand an-
pumpt. Ich weiß das wohl,
sie sind sicher wie Geld, und
schön aussehen tun sie auch,
aber seit ich in die Kloaken-
gewinnungsgesellschaft so 'rein-
gefallen bin, wo die so wunder-
scköne Aktien hatte, da is mir
alles Papier ein Ekel."

In diesem Augenblicke gab
es neben dem Tische einen
Löllenspektakel. Das Schwein
Wubbe war über des Bauern
Lolzschuh geraten, den dieser
der Bequemlichkeit halber beim
Effen ausgezogen hatte. Ob
es nun der Geruch war oder
etwas anderes, was die Sau
zu einer intimeren Llntersuch-
ung reizte, sei dahingestellt.
Iedenfalls hatte fie es so gründ-
lich damit genommen,daß fie fich
die Pantine auf der Schnauze
festkeilte. In dem Bestreben,
sich zu befreien, hatte sie den
Ziegenbock Bismarck links an
die Beine und rechts Lund
Nuckel an den Kopf qeschlaqen.

Ersah

— „Wenn man früher beim Llmzug was hinge-
schmiffen hat, da haben die Leut' gesagt: Daran ist
der Schnaps schuld! Wenn ich jetzt was hinschmeiße,
weiß ich: Das kommt, weil einem der Schnaps feblt."
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