2 Zeitschrift für Humor und Kunst
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für eine künftige Landedelfrau nur irgend
gehörte, aber ein paar Minuten lang war
sie doch ohne Bewußtsein.
Ioseph Nogatzki, der in der tradi-
tionellen Distanz hinter ihr geritten war,
sprang sosort von seinem Gaul und tat,
was seiner Meinung nach zu tun war,
— er schleppte das Fräulein vom Wege
auf das weicheMoos. Wenn nun Ioseph
ein junger Mann von Stande gewesen
wäre, ließe sich eine wunderschöne Liebes-
geschichte oder mindestens ein prächtiges
Nomankapitel schreiben. DerjungeMann
hätte die „federleichte, sylphengleiche Ge
stalt" in seine „kräftigen Arme" genom-
men; er hätte sich erlaubt, zu horchen, ob
das Äerz in der jungfräulichen Brust
noch pochte, er hätte vielleicht, ein Näu-
ber aus Gelegenheit, einen Kuß auf die
„marmorweiße Stirn" gedrückt, und dann
hätte das zu der federleichten Gestalt ge
hörende Gesicht die Augen aufgeschlagen
und nach den Worten: „Ach Gott, wo bin
ich?" sich zu purpurner Glut gefärbt, wo-
rauf dann die Geschichte den gewöhn-
lichen, aber immer schönen Schluß hätte
oder ein neues Kapitel beginnen könnte.
Lier aber lag der Fall ganz anders.
Ioseph Rogatzki war kein junger Mann
mehr, auch war er mit der Iule ver-
heiratet und überhaupt nicht von Stande.
Das gnädige Fräulein war auch keine
federleichte Gestalt. Im Gegenteil,
Ioseph hatte tüchtig an ihr zu schleppen.
„Lui Donner!" brummte er dabei. Na-
türlich küßte er das Fräulein auch nicht;
er blies ihr ganz kräftig auf die Nase,
was auch zweckentsprechend war, denn
danach schlug die junge Dame die Augen
auf. Not wurde ste zwar, aber vor
Aerger, daß fie vom Gaul gefallen war,
aber sie sagte ntcht mit schwacher Stimme:
„Ach Gott, wo bin ich?" sondern mit
ganz kräftiger: „Deiwel, brummt mir der Schädel!" Das
hatte sie natürlich nicht in dem Schweizer Institut gelernt;
das war etwas, das fie glücklicherweise nicht verlernt
hatte. Dann, nach einigem Bestnnen, setzte sie hinzu: „So
eine dammlige Geschichte, — daß Sie mir davon ja nichts
ausquatschen, Ioseph!" Die dritte und elfte Vokabel in
diesem Satz stammten auch nicht aus dem Schweizer Institut,
die waren gutes Leimatgewächs.
Es war <üso ganz und gar nicht so wie in der wunder-
schönen Liebesgeschichte oder dem prächtigen Romankapitel
sondern höchst gewöhnlich. Nur ein einziges Elwas stimmte
nicht zu der höchst gewöhnlichen Sachlage. Das war Ioseph
Rogaykis Gemütsversaffung nach diesem Vorfall. Da das
gnädige Fräulein nicht zu Schaden gekommen war, hätte
ihm die Geschichte recht gleichgültig und baldigen Vergessens
wert sein können; allerhöchstens hätte er sich auch ein bißchen
ärgern können. Aber er war wie vor den Kopf geschlagen,
als ob ihm jetzt auch — „Deiwel!" — der Schädel brummte;
er war ganz und gar aus der ihm in fast vier Iahrzehnten
aus Loch-Zempien naturgemäß gewesenen Nuhe heraus.
Lerrgott im Limmel, was war das, was war das!
Der hösliche Bauer Anstreicher(imAmtsgebaude): „Donnerwetter,
gerade habe ich die Tür vom Dienstzimmer auegehoben, daß ich sie abwaschen
kann, da trägt der Kerl sie wieder hin . . . . was wollen Sie denn damit?"
Bauer: „Anklopfen!"
Als Ioseph das auf dem Boden liegende Fräulein
derb in der Mitte gepackt hatte, um sie vom Wege zu
traqen, war ein Zug des Staunens in sein Antlitz getreten,
der ihm die Augen größer machte und den Mund öffnete.
Die Beschwerde des Schleppens ließ dies Staunen etwas
zurücktreten, als er dann aber das Fräulein behutsam auf
das Moos legte, wobei er ihre Taille aus seinen großen
Länden wie aus einem Schraubstock herausgleiten ließ,
wurden seine Augen noch größer und runder, die Oeffnung
des Mundes geradezu gewaltig, und aus dem Staunen
wurden Schrecken, Furcht, ja Grausen. !lnd mit diesem
Ausdruck starrte er den ganzen Nückweg auf das in der
traditionellen Distanz vor ihm reitende gnädige Fräulein.
Von Zeit zu Zeit schüttelte er den Kopf und brummte vor
sich hin: „Lerrgott noch mal, wo ist das menschenmöglich!"
An diesem Abend ging Ioseph Rogatzki durch alle
Ställe und beklopfte sämtlicheS Viehzeug, das da war.
And immer wieder nach solcher Untersuchung schüttelte er
den Kopf und brummte: „Lerrgott noch mal, wo ist das
menschenmöglich!" !lnd statt wie sonst um acht Llhr sich
zur Nuhe zu begeben oder, denn es handelt sich ja nur um
Das merkwürdige gnädige Fräulein
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für eine künftige Landedelfrau nur irgend
gehörte, aber ein paar Minuten lang war
sie doch ohne Bewußtsein.
Ioseph Nogatzki, der in der tradi-
tionellen Distanz hinter ihr geritten war,
sprang sosort von seinem Gaul und tat,
was seiner Meinung nach zu tun war,
— er schleppte das Fräulein vom Wege
auf das weicheMoos. Wenn nun Ioseph
ein junger Mann von Stande gewesen
wäre, ließe sich eine wunderschöne Liebes-
geschichte oder mindestens ein prächtiges
Nomankapitel schreiben. DerjungeMann
hätte die „federleichte, sylphengleiche Ge
stalt" in seine „kräftigen Arme" genom-
men; er hätte sich erlaubt, zu horchen, ob
das Äerz in der jungfräulichen Brust
noch pochte, er hätte vielleicht, ein Näu-
ber aus Gelegenheit, einen Kuß auf die
„marmorweiße Stirn" gedrückt, und dann
hätte das zu der federleichten Gestalt ge
hörende Gesicht die Augen aufgeschlagen
und nach den Worten: „Ach Gott, wo bin
ich?" sich zu purpurner Glut gefärbt, wo-
rauf dann die Geschichte den gewöhn-
lichen, aber immer schönen Schluß hätte
oder ein neues Kapitel beginnen könnte.
Lier aber lag der Fall ganz anders.
Ioseph Rogatzki war kein junger Mann
mehr, auch war er mit der Iule ver-
heiratet und überhaupt nicht von Stande.
Das gnädige Fräulein war auch keine
federleichte Gestalt. Im Gegenteil,
Ioseph hatte tüchtig an ihr zu schleppen.
„Lui Donner!" brummte er dabei. Na-
türlich küßte er das Fräulein auch nicht;
er blies ihr ganz kräftig auf die Nase,
was auch zweckentsprechend war, denn
danach schlug die junge Dame die Augen
auf. Not wurde ste zwar, aber vor
Aerger, daß fie vom Gaul gefallen war,
aber sie sagte ntcht mit schwacher Stimme:
„Ach Gott, wo bin ich?" sondern mit
ganz kräftiger: „Deiwel, brummt mir der Schädel!" Das
hatte sie natürlich nicht in dem Schweizer Institut gelernt;
das war etwas, das fie glücklicherweise nicht verlernt
hatte. Dann, nach einigem Bestnnen, setzte sie hinzu: „So
eine dammlige Geschichte, — daß Sie mir davon ja nichts
ausquatschen, Ioseph!" Die dritte und elfte Vokabel in
diesem Satz stammten auch nicht aus dem Schweizer Institut,
die waren gutes Leimatgewächs.
Es war <üso ganz und gar nicht so wie in der wunder-
schönen Liebesgeschichte oder dem prächtigen Romankapitel
sondern höchst gewöhnlich. Nur ein einziges Elwas stimmte
nicht zu der höchst gewöhnlichen Sachlage. Das war Ioseph
Rogaykis Gemütsversaffung nach diesem Vorfall. Da das
gnädige Fräulein nicht zu Schaden gekommen war, hätte
ihm die Geschichte recht gleichgültig und baldigen Vergessens
wert sein können; allerhöchstens hätte er sich auch ein bißchen
ärgern können. Aber er war wie vor den Kopf geschlagen,
als ob ihm jetzt auch — „Deiwel!" — der Schädel brummte;
er war ganz und gar aus der ihm in fast vier Iahrzehnten
aus Loch-Zempien naturgemäß gewesenen Nuhe heraus.
Lerrgott im Limmel, was war das, was war das!
Der hösliche Bauer Anstreicher(imAmtsgebaude): „Donnerwetter,
gerade habe ich die Tür vom Dienstzimmer auegehoben, daß ich sie abwaschen
kann, da trägt der Kerl sie wieder hin . . . . was wollen Sie denn damit?"
Bauer: „Anklopfen!"
Als Ioseph das auf dem Boden liegende Fräulein
derb in der Mitte gepackt hatte, um sie vom Wege zu
traqen, war ein Zug des Staunens in sein Antlitz getreten,
der ihm die Augen größer machte und den Mund öffnete.
Die Beschwerde des Schleppens ließ dies Staunen etwas
zurücktreten, als er dann aber das Fräulein behutsam auf
das Moos legte, wobei er ihre Taille aus seinen großen
Länden wie aus einem Schraubstock herausgleiten ließ,
wurden seine Augen noch größer und runder, die Oeffnung
des Mundes geradezu gewaltig, und aus dem Staunen
wurden Schrecken, Furcht, ja Grausen. !lnd mit diesem
Ausdruck starrte er den ganzen Nückweg auf das in der
traditionellen Distanz vor ihm reitende gnädige Fräulein.
Von Zeit zu Zeit schüttelte er den Kopf und brummte vor
sich hin: „Lerrgott noch mal, wo ist das menschenmöglich!"
An diesem Abend ging Ioseph Rogatzki durch alle
Ställe und beklopfte sämtlicheS Viehzeug, das da war.
And immer wieder nach solcher Untersuchung schüttelte er
den Kopf und brummte: „Lerrgott noch mal, wo ist das
menschenmöglich!" !lnd statt wie sonst um acht Llhr sich
zur Nuhe zu begeben oder, denn es handelt sich ja nur um
Das merkwürdige gnädige Fräulein