40 Meggendorfer-Blätter, München
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— „Siehst du, Albert, es kommt immer auf die Llmstände
an. Wenn du 'nen Eimer Waffer brauchtest, da würdest
du schön fluchen, daß der Brunnen so langsam Wasser
gibt, — aber bei dem Mädchen, da freut's dich."
Die Dittchen
sehr, sehr viele Dittchen besaß. Er war einer der reichsten
Leute der Stadt. Als kleiner Kornmakler hatte er —
wahrscheinlich mit wenigen Dittchen — ganz bescheiden an-
gefangen, nach und nach den Kreis seiner Geschäfte er°
weitert, aus Warenexpedition, Melaffespekulation, Grund-
stückshandel und anderen Blüten auf dem weiten Felde der
Geschäfte als emsige Biene fleißig Lonig gesaugt, bis er
schließlich Bankier wurde. So nannte er fich wenigstens im
Adreßbuch, auf seinen Briefbogen und im Tele-
phonverzeichnis. Seine Geschäfte aber gingen
weit über den Bezirk eines reine<Bankunter-
nehmens hinaus. „Iablonski macht einfach
alles," sagten von ihm die Leute, die ihre eigen-
nützigen Gründe hatten, nicht über diesen
erfolgreichen Mann zu schimpfen. Andere
sagten stattdeffen: „Der Kerl holt auch aus
jedem Dreck Geld 'raus!" Die schon lange
bestehende Gewöhnung an große Verdienst-
möglichkeiten hatte August Iablonski aber
keineswegs die aus der ersten Zeit seiner
Geschäftstätigkeit stammende Freude auch am
allerkleinsten Profit verlernen laffen, und
während er in seinem Kontor, schon um der
Repräsentation willen, auch großen Abschlüffen
gegenüber ein kühles Gesicht wahrte, ging er
auf seinen mehr privaten Wegen begierig
jeder Gelegenheit nach, die auch die geringste
Kleinigkeit mitnehmen ließ. Nun ja: Wer
den Pfennig nicht ehrt usw. sagt der Volks-
mund, der freilich nicht sehr konsequent ist,
denn er behauptet ja auch: Geiz ist die
Wurzel alles Uebels! — und der Geiz tut
doch gewiß genug in der Ehrung des Pfennigs. Lerr
Iablonski ehrte, wenn auch nicht den Pfennig, so doch das
Dittchen, wie diese Geschichte beweisen wird.
Er hatte sich also an jenem schönen Sommernachmittage
auf die Veranda von Lavalle's Kaffeehaus gesetzt, und wer
vorüber ging,'konnte ihn anschauen, wenn er Lust dazu hatte.
Lohnend war das freilich nicht; Lerr Iablonski bot keinen
besonders hübschen Anblick. Er war ein kleiner, hagerer
Mann mit einem für die ganze Figur viel zu groß geratenen
Gesicht, das fast wie eine vorgebundene Maske aussah, hinter
der erst das eigentliche Antlitz steckte. Aber es war eine
nicht ganz undurchsichtige Maske; man merkte doch, was
dahinter saß, — Rechnen, sehr viel Nechnen, Spähen nach
guten Gelegenheiten und das schöne Bewußtsein: ich nehme,
und ich halte fest! — Lerr Iablonski war also nicht schön;
seine Gattin,^die aber nicht zugegen war, sondern in der
Villa draußen an der See, sah weit beffer aus und auch die
Tochter der beiden, die jetzt 19 Iahre alt war. Lilde hieß sie.
Lerr Ioblonski hatte sich eine Taffe Kaffee bestellt.
Am Büfett hatte er das getan, wo das Gebäck, das herrliche
Gebäck des berühmten Konditors Lavalle, aufgestellt war,
und sich von hier auch gleich ein Stück Kuchen mitgenommen.
Das hatte zwei Vorteile: erstens bezahlte er dann gleich
am Büfett, brauchte also mit dem Kellner, der ihm den
Kaffee hinsetzte, nicht.mehr abzurechnen §und ihm deshalb
auch kein Trinkgeld zu reichen, und zweitens konnte er doch
auch mit Geschick ein recht groß geratenes Stück Kuchen
aussuchen, während der Kellner ihm vielleicht für das gleiche
Geld das am kleinsten ausgefallene gebracht hätte. Das
hätte Lerr Iablonski freilich sofort wieder zurückgeschickt,
aber warum sollte er der Möglichkeit solcher Amstände nicht
gleich von vornherein aus dem Wege gehn?
Nach einer Weile hatte Lerr Iablonski Gesellschaft
bekommen. Der junge Köpke war aufgetaucht und hatte
sich zu ihm an den Tisch gesetzt. Der junge Köpke hatte
vor einem Iahre das väterliche Geschäft übernommen, einen
Lolzgroßhandel, aber es machte ihm nicht viel Vergnügen.
Er saß auch nie sehr lange in seinem Kontor, in diesem
Sommer schon deshalb nicht, weil er zu oft nach dem schönen
Vorort an der See hinausfahren und dort Tennis spielen
— „Aber lieber Meister, wenn die Stiefel nicht mehr auszubeffern
sind, dann verhelfen Sie meinem Mann doch irgendwie zu einem
Paar neuen. Er kann ja gar^nicht mehr aus dem Lause, und er
muß doch seine Pension abheben."
- „Wiffen Sie, Frau Kränchen,-wenn ich ihm hintenrum ein Paar
gute Stiefel besorgen würde, da ginge die ganze Pension drauf."
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— „Siehst du, Albert, es kommt immer auf die Llmstände
an. Wenn du 'nen Eimer Waffer brauchtest, da würdest
du schön fluchen, daß der Brunnen so langsam Wasser
gibt, — aber bei dem Mädchen, da freut's dich."
Die Dittchen
sehr, sehr viele Dittchen besaß. Er war einer der reichsten
Leute der Stadt. Als kleiner Kornmakler hatte er —
wahrscheinlich mit wenigen Dittchen — ganz bescheiden an-
gefangen, nach und nach den Kreis seiner Geschäfte er°
weitert, aus Warenexpedition, Melaffespekulation, Grund-
stückshandel und anderen Blüten auf dem weiten Felde der
Geschäfte als emsige Biene fleißig Lonig gesaugt, bis er
schließlich Bankier wurde. So nannte er fich wenigstens im
Adreßbuch, auf seinen Briefbogen und im Tele-
phonverzeichnis. Seine Geschäfte aber gingen
weit über den Bezirk eines reine<Bankunter-
nehmens hinaus. „Iablonski macht einfach
alles," sagten von ihm die Leute, die ihre eigen-
nützigen Gründe hatten, nicht über diesen
erfolgreichen Mann zu schimpfen. Andere
sagten stattdeffen: „Der Kerl holt auch aus
jedem Dreck Geld 'raus!" Die schon lange
bestehende Gewöhnung an große Verdienst-
möglichkeiten hatte August Iablonski aber
keineswegs die aus der ersten Zeit seiner
Geschäftstätigkeit stammende Freude auch am
allerkleinsten Profit verlernen laffen, und
während er in seinem Kontor, schon um der
Repräsentation willen, auch großen Abschlüffen
gegenüber ein kühles Gesicht wahrte, ging er
auf seinen mehr privaten Wegen begierig
jeder Gelegenheit nach, die auch die geringste
Kleinigkeit mitnehmen ließ. Nun ja: Wer
den Pfennig nicht ehrt usw. sagt der Volks-
mund, der freilich nicht sehr konsequent ist,
denn er behauptet ja auch: Geiz ist die
Wurzel alles Uebels! — und der Geiz tut
doch gewiß genug in der Ehrung des Pfennigs. Lerr
Iablonski ehrte, wenn auch nicht den Pfennig, so doch das
Dittchen, wie diese Geschichte beweisen wird.
Er hatte sich also an jenem schönen Sommernachmittage
auf die Veranda von Lavalle's Kaffeehaus gesetzt, und wer
vorüber ging,'konnte ihn anschauen, wenn er Lust dazu hatte.
Lohnend war das freilich nicht; Lerr Iablonski bot keinen
besonders hübschen Anblick. Er war ein kleiner, hagerer
Mann mit einem für die ganze Figur viel zu groß geratenen
Gesicht, das fast wie eine vorgebundene Maske aussah, hinter
der erst das eigentliche Antlitz steckte. Aber es war eine
nicht ganz undurchsichtige Maske; man merkte doch, was
dahinter saß, — Rechnen, sehr viel Nechnen, Spähen nach
guten Gelegenheiten und das schöne Bewußtsein: ich nehme,
und ich halte fest! — Lerr Iablonski war also nicht schön;
seine Gattin,^die aber nicht zugegen war, sondern in der
Villa draußen an der See, sah weit beffer aus und auch die
Tochter der beiden, die jetzt 19 Iahre alt war. Lilde hieß sie.
Lerr Ioblonski hatte sich eine Taffe Kaffee bestellt.
Am Büfett hatte er das getan, wo das Gebäck, das herrliche
Gebäck des berühmten Konditors Lavalle, aufgestellt war,
und sich von hier auch gleich ein Stück Kuchen mitgenommen.
Das hatte zwei Vorteile: erstens bezahlte er dann gleich
am Büfett, brauchte also mit dem Kellner, der ihm den
Kaffee hinsetzte, nicht.mehr abzurechnen §und ihm deshalb
auch kein Trinkgeld zu reichen, und zweitens konnte er doch
auch mit Geschick ein recht groß geratenes Stück Kuchen
aussuchen, während der Kellner ihm vielleicht für das gleiche
Geld das am kleinsten ausgefallene gebracht hätte. Das
hätte Lerr Iablonski freilich sofort wieder zurückgeschickt,
aber warum sollte er der Möglichkeit solcher Amstände nicht
gleich von vornherein aus dem Wege gehn?
Nach einer Weile hatte Lerr Iablonski Gesellschaft
bekommen. Der junge Köpke war aufgetaucht und hatte
sich zu ihm an den Tisch gesetzt. Der junge Köpke hatte
vor einem Iahre das väterliche Geschäft übernommen, einen
Lolzgroßhandel, aber es machte ihm nicht viel Vergnügen.
Er saß auch nie sehr lange in seinem Kontor, in diesem
Sommer schon deshalb nicht, weil er zu oft nach dem schönen
Vorort an der See hinausfahren und dort Tennis spielen
— „Aber lieber Meister, wenn die Stiefel nicht mehr auszubeffern
sind, dann verhelfen Sie meinem Mann doch irgendwie zu einem
Paar neuen. Er kann ja gar^nicht mehr aus dem Lause, und er
muß doch seine Pension abheben."
- „Wiffen Sie, Frau Kränchen,-wenn ich ihm hintenrum ein Paar
gute Stiefel besorgen würde, da ginge die ganze Pension drauf."