Zeitschrift für Humor und Kunst 59
s
Amwertung — „Gell, Mutter, früher hast allweil g'schol-
ten, daß deine drei Buam drei Mäuler ham
— jetzt bist froh, daß s' sechs Länd' ham."
Eine unüberwindbare Schwierigkeit
natürlich in Weimar längeren Aufenthalt nahm. Nach Lause
zurückgekehrt, ging er, eine auf seiner Reise empfangene
Anregung verwertend, an die Arbeit. Ganz flott fing er
an zu schreiben und zwar folgende Geschichte:
Die schwarze Gret.
Es war ein naßkalter, unfreundlicher Sommerabend,
als ich, auf einer Wanderung durch das liebliche Thüringen,
das grüne Lerz Deutschlands, begriffen, müde und ab-
gespannt den Flecken M. erreichte. Im Gasthof „Zur alten
Post", einem ansehnlichen, aus dem Anfange des vorigen
Iahrhunderts stammenden Gebäude, kehrte ich, der Erquickung
und Ruhe bedürftig, ein, freundlich begrüßt von dem be-
tagten, ehrbaren Wirt und seinem jugendsrischen Töchter-
lein, das alsobald eilfertig davonsprang, in der Küche nach
dem Rechten zu sehen und dem unverhofften Gast in kurzer
Frist eine schmackhafte Mahlzeit zu verschaffen. Diese
genoffen, setzte sich der wackere Wirt, der sich bis dahin,
den Gast nicht zu stören, bescheiden zurückgehalten hatte,
mit einem artigen „Wenn's erlaubt ist" an meinen Tisch,
nach gefälliger dörflicher Sitte dem Fremdling in wechseln-
dem Zwiegespräch noch etwas Gesellschaft zu leisten.
Eben hatte der einzige Gast außer mir, ein schwarz-
bärtiger, stattlicher Mann von etwa fünszig Iahren, der
schweigend in einer Ecke geseffen und einen Schoppen roten
Weines genoffen hatte, das Zimmer mit stummem Abschieds-
gruß verlassen. „Trägt's immer noch schwer, der gute
Matthis, immer noch, trotzdem nun schon sünfundzwanzig
Iahre darüber vergangen sind," murmelte mein guter Wirt
vor sich hin.
„Wohl ein Einwohner des hiesigen Dorfes?" fragte
ich neugierig, und als der Wirt bejahte, bat ich ihn, mir
zu erzählen, welches Ereignis denn in das Leben jenes
schweigsamen Mannes einen so unverwischbaren Schatten
geworfen hätte. Der Alte nickte bereitwillig, froh, einer
gern geübten Geschwätzigkeit die Zügel schießen lassen zu
können, und, nachdem er das Pfeifchen neu gefüllt und
das Töchterchen ihm einen frischen Krug hingestellt hatte,
begann er zu erzählen:
„Sitzt jetzt auf seinem eigenen Lof, der Matthis. War
früher Postillon und vor fünfundzwanzig Iahren ein kern-
hafter Bursch, daß alle Mädels die Köpfe nach ihm drehten.
Kam zweimal am Tage durch unsern Ort gefahren. Lei,
wie flott er die Gäule traben ließ! And ein gar munteres
Liedlein blies er, wenn er am Eulenstein in die Straße
nach E. einbog. Stand damals ein einsam kleines Laus
an der Wegkreuzung. Lauste die alte Elsbeth darin, mit
ihrer Tochter, der schwarzhaarigen Gret', einem gar lieb-
lichen jungen Blut. Latte der Gret' zu tief in die blanken
Augen geschaut, der Matthis. And eines Sonntags tat
er den Gang zur alten Elsbeth und begehrte die Gret' zum
Weibe. Aber wehmütig schüttelte die Alte das Laupt.
,Mein wackerer Matthis/ sprach sie, ,gern wttrde ich Ia
und Amen sagen, aber ich darf nicht. Wiffe denn, daß
die Gret' gar nicht meine Tochter ist. Löre zu: Vor acht-
zehn Iahren war's und kalte Winternacht, da pochte es an
meine Tür. Ich öffnete, und ein hochgewachsener, schwarz und
vornehm gekleideter Mann stand da, ihm zu Füßen ein Korb,
in dem ein Kindlein lag. in sanftem Schlummer begriffen.
Fragend schaute ich den Fremden an. Da sprach er:-
s
Amwertung — „Gell, Mutter, früher hast allweil g'schol-
ten, daß deine drei Buam drei Mäuler ham
— jetzt bist froh, daß s' sechs Länd' ham."
Eine unüberwindbare Schwierigkeit
natürlich in Weimar längeren Aufenthalt nahm. Nach Lause
zurückgekehrt, ging er, eine auf seiner Reise empfangene
Anregung verwertend, an die Arbeit. Ganz flott fing er
an zu schreiben und zwar folgende Geschichte:
Die schwarze Gret.
Es war ein naßkalter, unfreundlicher Sommerabend,
als ich, auf einer Wanderung durch das liebliche Thüringen,
das grüne Lerz Deutschlands, begriffen, müde und ab-
gespannt den Flecken M. erreichte. Im Gasthof „Zur alten
Post", einem ansehnlichen, aus dem Anfange des vorigen
Iahrhunderts stammenden Gebäude, kehrte ich, der Erquickung
und Ruhe bedürftig, ein, freundlich begrüßt von dem be-
tagten, ehrbaren Wirt und seinem jugendsrischen Töchter-
lein, das alsobald eilfertig davonsprang, in der Küche nach
dem Rechten zu sehen und dem unverhofften Gast in kurzer
Frist eine schmackhafte Mahlzeit zu verschaffen. Diese
genoffen, setzte sich der wackere Wirt, der sich bis dahin,
den Gast nicht zu stören, bescheiden zurückgehalten hatte,
mit einem artigen „Wenn's erlaubt ist" an meinen Tisch,
nach gefälliger dörflicher Sitte dem Fremdling in wechseln-
dem Zwiegespräch noch etwas Gesellschaft zu leisten.
Eben hatte der einzige Gast außer mir, ein schwarz-
bärtiger, stattlicher Mann von etwa fünszig Iahren, der
schweigend in einer Ecke geseffen und einen Schoppen roten
Weines genoffen hatte, das Zimmer mit stummem Abschieds-
gruß verlassen. „Trägt's immer noch schwer, der gute
Matthis, immer noch, trotzdem nun schon sünfundzwanzig
Iahre darüber vergangen sind," murmelte mein guter Wirt
vor sich hin.
„Wohl ein Einwohner des hiesigen Dorfes?" fragte
ich neugierig, und als der Wirt bejahte, bat ich ihn, mir
zu erzählen, welches Ereignis denn in das Leben jenes
schweigsamen Mannes einen so unverwischbaren Schatten
geworfen hätte. Der Alte nickte bereitwillig, froh, einer
gern geübten Geschwätzigkeit die Zügel schießen lassen zu
können, und, nachdem er das Pfeifchen neu gefüllt und
das Töchterchen ihm einen frischen Krug hingestellt hatte,
begann er zu erzählen:
„Sitzt jetzt auf seinem eigenen Lof, der Matthis. War
früher Postillon und vor fünfundzwanzig Iahren ein kern-
hafter Bursch, daß alle Mädels die Köpfe nach ihm drehten.
Kam zweimal am Tage durch unsern Ort gefahren. Lei,
wie flott er die Gäule traben ließ! And ein gar munteres
Liedlein blies er, wenn er am Eulenstein in die Straße
nach E. einbog. Stand damals ein einsam kleines Laus
an der Wegkreuzung. Lauste die alte Elsbeth darin, mit
ihrer Tochter, der schwarzhaarigen Gret', einem gar lieb-
lichen jungen Blut. Latte der Gret' zu tief in die blanken
Augen geschaut, der Matthis. And eines Sonntags tat
er den Gang zur alten Elsbeth und begehrte die Gret' zum
Weibe. Aber wehmütig schüttelte die Alte das Laupt.
,Mein wackerer Matthis/ sprach sie, ,gern wttrde ich Ia
und Amen sagen, aber ich darf nicht. Wiffe denn, daß
die Gret' gar nicht meine Tochter ist. Löre zu: Vor acht-
zehn Iahren war's und kalte Winternacht, da pochte es an
meine Tür. Ich öffnete, und ein hochgewachsener, schwarz und
vornehm gekleideter Mann stand da, ihm zu Füßen ein Korb,
in dem ein Kindlein lag. in sanftem Schlummer begriffen.
Fragend schaute ich den Fremden an. Da sprach er:-