Zeitschrift für Hurnor und Kunst
7Z
Aeble Folgen Züngling: „Ich habe eben Zigaretten bel Ihnen gekauft."
Verkäufer: „ErinneremichI Wünschen Sie dieselbe Sorte?"
— „Ach nein . . . 'n Glas Wafserl"
Die Fischerftraße
zählt zu ihren Bürgern Leute, die unter
den berühmten Zeitgenossen genannt
werden, und tauft Straßen nach ihnen,
in der frohen Erwartung, daß noch nach
hunderten von Iahren fpäte Enkel, wenn
sie durch solch eine Straße gehen oder
gar in ihr wohnen, mit Ehrfurcht des
großen Mannes gedenken werden, nach
dem sie genannt ist. Dann dauert es
aber gar nicht lange, am Ende nur fünf
oder zehn Iahre, und der Nuhm des
Zeitgenoffen ist jämmerlich verblichen.
Die Entdeckung, die er gemacht hat, ist
als Blödstnn entlarvt worden, oder seine
Dichtungen werden nicht mehr gelesen,
höchstens noch als abschreckendes Bei-
spiel angeführt, — kein Mensch kümmert
sich mehr um ihn, keine Zeitung nennt
seinen Namen mehr, geschweige denn,
daß sie ihn zur Beantwortung einer
Rundfrage aufforderte. Das ift dann
etwas peinlich für die Stadt; sie muß
sich sagen: „Wir sind zu voreilig gewesen,
zu kritiklos; wir hätten besser getan, den
Namen eines zuverläsftgeren Mannes zu
wählen, an dem wirklich etwas Tüch-
tiges ist."-
Ia, dergleichen kommt vor. Etwas
ganz besonders Peinliches mit einem
Straßennamen aber widerfuhr jener
freundlichen und betriebsamen Mittel-
stadt, deren Gemeindevertrelung es eines
Tages einfiel, den Lerrn Bankier und
Kommerzienrat Fischer zum Ehrenbürger
zu machen und gleichzeitig eine neue
Straße nach ihm zu nennen. „Fischer-
straße" wurde sie genannt. Selbstver-
ständlich! wird man sagen, aber das
war es nicht, denn es war sehr'darüber
gestritten worden, ob sie nicht lieber
„Fischerallee" heißen sollte. Doch gab
fchließlich die Erwägung, daß die Bäume,
die in die neue Straße gesetzt worden
waren, noch gar zu jämmerlich klein
wären, als daß sie in ihrer Gesamtheit eine „Allee" in den
nächsten Iahren hätten vorstellen können, und daß zudem
das Wort „Allee" ein zu vermeidendes Fremdwort wäre,
den Ausschlag, und man entschied sich für die Bezeichnung
„Straße". Lerr Bankier und Kommerzienrat Fischer nahm
das Ehrenbürgerrecht voll Rührung an und dankte für die
weitere Auszeichnung, daß eine Straße nach ihm genannt
wurde, mit Stolz „seinen lieben Mitbürgern, bei denen ein
ehrenvolles Andenken dereinst zu genießen, immer mein
eifriges Bestreben und der Leitstern meines Lebens sein
wird." So schrieb er in einem Dankbrief, der von den
Tageszeitungen der freundlichen und betriebsamen Mittel-
stadt veröffentlicht wurde, trotzdem er gar nicht an diese
gerichtet worden war, sondern an den Magistrat.
Die Fischerstraße lag an der Peripherie der Stadt;
sie zog sich durch ein Terrain, das der Lerr Kommerzien-
rat Fischer einmal sehr billig gekauft hatte. Die Stadt
hatte eigentlich keine Neiaung gezeigt, sich nach jener Rich-
tung hin auszudehnen. Da aber schenkte Lerr Fischer der
Gemeinde dort ein schönes Stück Baugrund, zum Neubau
des Gymnasiums, der schon lange nötig gewelen war. Einige
Leute meinten zwar, es ginge nickt, das Gymnasium so
weit hinauszulegen; dann hätten die Schüler einen unnötig
weiten Weg. Das war aber natürlich Ansinn und zeugte
von großem Anverständms. Die Gymnasiasten sollen gerade
ein tüchtiges Stück laufen, Bewegung ist ihnen gesund.
Dann können sie einmal stramme Soldaten werden, und
deshalb sorgt man neuerdings auch gehörig für die soge-
nannte „körperliche Ertücktigung der Juqend", ein Bestreben,
das besser zu verstehen ist als die dafür gewählte Vokabel.
Kaum war das Gymnasium fertig, da bekamen eine ganze
Menge Leute Lust, nach dem neuen Stadtviertel zu ziehen,
und der Lerr Bankier und Kommerzienrat Fischer par-
zellierte seinen Grund und Boden und verkaufte ihn mit
sehr erheblichem Nutzen.
Daß er den Baugrund für das neue Gymnaflum ge-
schenkt hatte, gab nur den letzten Anstoß zur Verleihung
des Ehrenbürgerrechtes. Schon früher hatte er der Stadt
viel Gutes getan. Latte er ihr nicht zu elektrischer Be-
leuchtung verholfen? Gewiß doch, denn er hatte die Gtek-
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Aeble Folgen Züngling: „Ich habe eben Zigaretten bel Ihnen gekauft."
Verkäufer: „ErinneremichI Wünschen Sie dieselbe Sorte?"
— „Ach nein . . . 'n Glas Wafserl"
Die Fischerftraße
zählt zu ihren Bürgern Leute, die unter
den berühmten Zeitgenossen genannt
werden, und tauft Straßen nach ihnen,
in der frohen Erwartung, daß noch nach
hunderten von Iahren fpäte Enkel, wenn
sie durch solch eine Straße gehen oder
gar in ihr wohnen, mit Ehrfurcht des
großen Mannes gedenken werden, nach
dem sie genannt ist. Dann dauert es
aber gar nicht lange, am Ende nur fünf
oder zehn Iahre, und der Nuhm des
Zeitgenoffen ist jämmerlich verblichen.
Die Entdeckung, die er gemacht hat, ist
als Blödstnn entlarvt worden, oder seine
Dichtungen werden nicht mehr gelesen,
höchstens noch als abschreckendes Bei-
spiel angeführt, — kein Mensch kümmert
sich mehr um ihn, keine Zeitung nennt
seinen Namen mehr, geschweige denn,
daß sie ihn zur Beantwortung einer
Rundfrage aufforderte. Das ift dann
etwas peinlich für die Stadt; sie muß
sich sagen: „Wir sind zu voreilig gewesen,
zu kritiklos; wir hätten besser getan, den
Namen eines zuverläsftgeren Mannes zu
wählen, an dem wirklich etwas Tüch-
tiges ist."-
Ia, dergleichen kommt vor. Etwas
ganz besonders Peinliches mit einem
Straßennamen aber widerfuhr jener
freundlichen und betriebsamen Mittel-
stadt, deren Gemeindevertrelung es eines
Tages einfiel, den Lerrn Bankier und
Kommerzienrat Fischer zum Ehrenbürger
zu machen und gleichzeitig eine neue
Straße nach ihm zu nennen. „Fischer-
straße" wurde sie genannt. Selbstver-
ständlich! wird man sagen, aber das
war es nicht, denn es war sehr'darüber
gestritten worden, ob sie nicht lieber
„Fischerallee" heißen sollte. Doch gab
fchließlich die Erwägung, daß die Bäume,
die in die neue Straße gesetzt worden
waren, noch gar zu jämmerlich klein
wären, als daß sie in ihrer Gesamtheit eine „Allee" in den
nächsten Iahren hätten vorstellen können, und daß zudem
das Wort „Allee" ein zu vermeidendes Fremdwort wäre,
den Ausschlag, und man entschied sich für die Bezeichnung
„Straße". Lerr Bankier und Kommerzienrat Fischer nahm
das Ehrenbürgerrecht voll Rührung an und dankte für die
weitere Auszeichnung, daß eine Straße nach ihm genannt
wurde, mit Stolz „seinen lieben Mitbürgern, bei denen ein
ehrenvolles Andenken dereinst zu genießen, immer mein
eifriges Bestreben und der Leitstern meines Lebens sein
wird." So schrieb er in einem Dankbrief, der von den
Tageszeitungen der freundlichen und betriebsamen Mittel-
stadt veröffentlicht wurde, trotzdem er gar nicht an diese
gerichtet worden war, sondern an den Magistrat.
Die Fischerstraße lag an der Peripherie der Stadt;
sie zog sich durch ein Terrain, das der Lerr Kommerzien-
rat Fischer einmal sehr billig gekauft hatte. Die Stadt
hatte eigentlich keine Neiaung gezeigt, sich nach jener Rich-
tung hin auszudehnen. Da aber schenkte Lerr Fischer der
Gemeinde dort ein schönes Stück Baugrund, zum Neubau
des Gymnasiums, der schon lange nötig gewelen war. Einige
Leute meinten zwar, es ginge nickt, das Gymnasium so
weit hinauszulegen; dann hätten die Schüler einen unnötig
weiten Weg. Das war aber natürlich Ansinn und zeugte
von großem Anverständms. Die Gymnasiasten sollen gerade
ein tüchtiges Stück laufen, Bewegung ist ihnen gesund.
Dann können sie einmal stramme Soldaten werden, und
deshalb sorgt man neuerdings auch gehörig für die soge-
nannte „körperliche Ertücktigung der Juqend", ein Bestreben,
das besser zu verstehen ist als die dafür gewählte Vokabel.
Kaum war das Gymnasium fertig, da bekamen eine ganze
Menge Leute Lust, nach dem neuen Stadtviertel zu ziehen,
und der Lerr Bankier und Kommerzienrat Fischer par-
zellierte seinen Grund und Boden und verkaufte ihn mit
sehr erheblichem Nutzen.
Daß er den Baugrund für das neue Gymnaflum ge-
schenkt hatte, gab nur den letzten Anstoß zur Verleihung
des Ehrenbürgerrechtes. Schon früher hatte er der Stadt
viel Gutes getan. Latte er ihr nicht zu elektrischer Be-
leuchtung verholfen? Gewiß doch, denn er hatte die Gtek-